Hilfe für Studierende und Forschende„Es ist wichtig, sich über Probleme und Haltungen auszutauschen“
6. April 2022, von Tim Schreiber
Foto: UHH, RRZ/MCC, Mentz
Informationen für die Öffentlichkeit, Zeichen der Solidarität oder direkte Hilfe für Betroffene: Viele Einrichtungen und Mitarbeitende der Universität Hamburg beschäftigen sich aktuell mit dem Krieg in der Ukraine und dessen Folgen. Wir zeigen in unserer Serie einige Beispiele. Prof. Dr. Anja Tippner, geschäftsführende Direktorin des Instituts für Slavistik der Universität Hamburg, hat unter anderem eine Vortragsreihe zur Ukraine organisiert.
Wie ist die Situation an Ihrem Institut in diesen Tagen?
Viele Personen sind unmittelbar berührt. Wir haben viele Studierende, die ukrainisch- oder russischstämmig sind. Die Kolleginnen und Kollegen kommen zum Teil aus Russland und haben Verwandte oder Freundinnen und Freunde dort und in der Ukraine. Wir alle kennen Menschen, mit denen wir in diesen Ländern zusammenarbeiten. Das beschäftigt uns enorm, zunächst einmal auf der persönlichen Ebene.
Welche Auswirkungen hat der Krieg auf Ihre Arbeit?
Ich arbeite gerade vor allem zur Shoa in Osteuropa und wollte eigentlich nach Moskau und St. Petersburg fahren und in die Bibliotheken gehen. Das geht nun nicht, aber ich kann meine Forschung auch so gut weiterführen. Es gibt sicher andere Kolleginnen und Kollegen, zum Beispiel aus der Ethnologie, die häufig in Russland unterwegs sind und deren Forschung nun gar nicht mehr möglich ist.
Aber wir stehen auch als Institut vor verschiedenen Problemen. Wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben über viele Jahre Kontakte und Kooperationen aufgebaut, die nun auf Eis liegen. Zwar nicht mit der Ukraine, weil es keine Ukrainistik bei uns gibt – aber mit Russland. Unter den Studierenden gibt es viele Ängste, in erster Linie natürlich persönliche. Aber einige wollten ursprünglich zum Beispiel für Abschlussarbeiten in diesen Ländern recherchieren und können dies nun nicht mehr.
Wie versuchen Sie zu helfen?
Wir stehen mit verschiedenen Gruppen im Austausch. Zum Beispiel haben wir einen Open Space, also einen offenen Gesprächsraum, für Studierende und Mitarbeitende initiiert. Dort versuchen wir, Fragen zu beantworten und Hintergrundinformationen zu geben. Es ist wichtig, sich über Probleme und Haltungen auszutauschen. Gleich zu Beginn des Kriegs haben eine Stellungnahme des Instituts zu den Ereignissen geschrieben, um unseren Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
Kommen auch viele Anfragen zum Thema Übersetzungen?
Ja, deshalb sind wir dabei, Angebote zu organisieren. Wir konnten einen Lehrauftrag für Ukrainisch vergeben und können dadurch einen Kurs für interessierte Studierende anbieten. Ukrainisch ist natürlich eine eigene Sprache, aber Studierende, die Russisch oder Polnisch sprechen, können dadurch eventuell in der nächsten Zeit schon etwas besser helfen. Im Laufe des Sommersemesters wird zudem ein Workshop zum Übersetzen aus dem Ukrainischen mit der renommierten Übersetzerin Claudia Dathe angeboten. Wir versuchen so, den Kreis der möglichen Helfenden zu erweitern.
Außerdem engagieren Sie sich in der Ukraine-AG der Universität …
Ja, das Präsidium hat die Arbeitsgemeinschaft schnell eingerichtet. Dort sind auch Personen involviert, die mit den eintreffenden ukrainischen Studierenden arbeiten werden und praktische Unterstützung leisten. Viele der Beteiligten in der AG haben damals schon den Flüchtenden aus Syrien geholfen und es ist vieles schon vorhanden, um schnell agieren zu können. Meine Rolle sehe ich darin, für die Probleme der russischen und ukrainischen Studierenden zu sensibilisieren und manchmal auch Hintergrundinformationen zu geben.
Vortragsreihe „Schauplatz Ukraine: Geschichte, Politik und Kultur“
Durch den militärischen Angriff der Russländischen Föderation ist die Ukraine in das Zentrum der europäischen Aufmerksamkeit gerückt. Die Vortragsreihe, die am 6. April 2022 startet, beleuchtet wichtige Aspekte der aktuellen Krise und gibt vertiefende Einblicke in die ukrainische Geschichte und Kultur sowie das russisch-ukrainische Verhältnis aus der Perspektive von Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft, Friedens- und Sicherheitsforschung, Ethnologie und Slavistik. Die Vorlesungen finden immer mittwochs um 18 Uhr statt (Edmund-Siemers-Allee 1, Hörsaal C). Die Reihe startet am 6. April mit dem Vortrag „Der Weg in den Krieg. Die histoire croisée Russlands und der Ukraine“ von Prof. Dr. Frank Golczewski, emeritierter Professor für Osteuropäische Geschichte der Uni Hamburg.