Die Unterstützungsangebote der Abteilung „Internationales“„Alle versuchen, die bestmöglichen Lösungen zu finden“
4. April 2022, von Anna Priebe
Foto: UHH/Esfandiari
Informationen für die Öffentlichkeit, Zeichen der Solidarität oder direkte Hilfe für Betroffene: Viele Einrichtungen und Mitarbeitende der Universität Hamburg beschäftigen sich aktuell mit dem Krieg in der Ukraine und dessen Folgen. Wir zeigen in unsere Serie einige Beispiele. In dieser Folge: Dr. Torsten Szobries, Leiter des Referats „Internationaler Studierendenservice und Mobilität“.
Der Krieg in der Ukraine betrifft viele Arbeitsfelder der Abteilung Internationales. Was für Anfragen erreichen Sie momentan?
Wir sind oft die erste Anlaufstelle für alle Studierenden und Forschenden, die aus der Ukraine, Russland oder einem anderen betroffenen Land bei uns sind. Auch melden sich Lehrende, die Fragen zur Aufnahme haben. Gleichzeitig kümmern wir uns um die Auslandsaufenthalte in diesen Ländern – aktuelle oder geplante. Es melden sich auch viele Studieninteressierte aus diesen Ländern sowie aus Drittstaaten. Es haben nämlich zum Beispiel viele Menschen aus Nordafrika, dem Iran oder Syrien in der Ukraine studiert und mussten nun flüchten.
Die Studierenden und Studieninteressierten haben dabei selten nur ein einzelnes konkretes Problem, sondern befinden sich meist in einer Gemengelage verschiedener Schwierigkeiten: Es geht um Fragen zum Aufenthaltsrecht, aber auch um finanzielle Probleme sowie die psychische Belastung durch den Krieg und deren Auswirkungen auf den Studienverlauf. Wir versuchen, Orientierung zu bieten und die richtigen Ansprechpartner zu vermitteln – persönlich, aber auch durch zentrale Angebote wie die „UHHhilft Ukraine“-Webseite mit den FAQ.
Was sind momentan die größten Anliegen?
Momentan sind mehr als 200 Studierende aus der Ukraine hier bei uns an der Uni Hamburg sowie mehr als 350 aus der Russischen Föderation. Insbesondere die ukrainischen Studierenden sind natürlich stark belastet und viele fürchten zum Beispiel, dass sich dies auf ihren Studienverlauf auswirken kann.
Zudem bricht vielen die Finanzierung aus dem Elternhaus weg, was zu Existenzängsten führt. Der Nachweis einer gesicherten Studienfinanzierung ist nämlich Voraussetzung für den Aufenthaltstitel und eine gegebenenfalls notwendige Verlängerung. Inzwischen wurde durch die Behörden geregelt, dass ukrainische und russische Studierende, die zurzeit einen solchen Nachweis nicht erbringen können, für die nächsten sechs Monate trotzdem eine vorläufige Verlängerung erhalten können.
Wie helfen Sie zum Beispiel ukrainischen oder russischen Studierenden?
Wir beraten sie umfassend zu den Auswirkungen des Krieges auf ihr Leben und Studium in Hamburg, ein besonderer Fokus liegt dabei aus den genannten Gründen auf dem Aufenthaltsstatus. Wir verweisen aber auch auf die psychologische Beratung der Uni sowie auf die Angebote zur finanziellen Unterstützung durch das Studierendenwerk. Wir sind da im engen Austausch mit den anderen Abteilungen und Einrichtungen in der und um die Uni herum. Studieninteressierte aus der Ukraine verweisen wir etwa an das Programm #UHHhilft.
Helfen Sie auch bei der Vernetzung untereinander?
Das in unserer Abteilung angesiedelte PIASTA-Programm bietet ein Café an, wo sich betroffene Studierende treffen und austauschen können. Es ist ein Raum für Gespräche, aber man kann sich dort auch melden, wenn man helfen und unterstützen möchte.
Ein Auslandsaufenthalt soll eine große positive Erfahrung des Lebens werden – und dann bricht ein Krieg aus.
Von dem Kriegsausbruch waren auch Hamburger Studierende betroffen, die gerade ein Auslandssemester absolvierten. Wie konnten Sie in diesen Fällen unterstützen?
Mit der Ukraine gibt es bisher keine formalisierten Hochschulpartnerschaften oder etablierte Austauschprogramme. St. Petersburg ist dagegen schon lange Partnerstadt von Hamburg und wir haben mit der Staatlichen Hochschule dort seit Jahrzehnten enge Austauschbeziehungen. Entsprechend waren vier Studierende in Russland.
Da die Situation ja völlig außer Kontrolle geraten war, haben wir unseren Studierenden in St. Petersburg dringend empfohlen, das Land zu verlassen und nach Hamburg zurückzukehren und dabei so gut es ging unterstützt. Bei einem Studenten, der eine Förderung über ein Stipendium hatte, bemühen wir uns, beim Mittelgeber Fördergelder für die Kosten der aufwändigen Rückreise umwidmen zu lassen, sodass diese erstattet werden können.
Neben der psychischen Belastung, so plötzlich aus einem sich im Krieg befindlichen Land ausreisen zu müssen, stellen sich ja auch viele organisatorische Fragen. Ein Student zum Beispiel hatte für das Semester sein Wohnheimzimmer in Hamburg aufgegeben. Da konnte die Fakultät beim Studierendenwerk erwirken, dass er ein Übergangszimmer bekommt.
Alle Beteiligten sind sehr entgegenkommend und versuchen, die bestmöglichen Lösungen zu finden. Das ist ja eine Albtraumsituation: Man hat sich vor langer Zeit für einen Auslandsaufenthalt beworben, der eigentlich eine große positive Erfahrung des Lebens werden soll – und dann bricht ein Krieg aus.
Wie sieht es mit den Forschenden aus?
Für Forscherinnen und Forscher aus dem Ausland bietet unsere Abteilung den „Welcome Service“ an. Auch da kommen jetzt entsprechende Anfragen, denn manche von ihnen können aufgrund der geschlossenen Lufträume zum Beispiel nicht wie geplant abreisen und machen sich wegen ihres Aufenthaltsstatus Sorgen.
Zudem betreut die Abteilung Internationales das „Hamburg Programme for Scholars at Risk“. Hier geht es um die Unterstützung verfolgter Forschender, die an Hamburger Hochschulen aufgenommen werden. Mithilfe von Stipendien können sie ihre Notlage überbrücken und gleichzeitig im deutschen Wissenschaftssystem Fuß fassen. Dieses Programm wurde jetzt speziell auf Personen aus der Ukraine erweitert. Der Forschungsaufenthalt einer Ukrainerin an der Universität Hamburg konnte bereits bewilligt werden, weitere Bewerbungen werden zurzeit geprüft.
Die Arbeit ist aufgrund der schlimmen Schicksale sicher auch für die Mitarbeitenden der Abteilung sehr belastend. Wie gehen sie als Team damit um?
Ein Fall, der uns sehr betroffen gemacht hat, war ein ukrainischer Student, der an unserer Fakultät für Rechtswissenschaft promoviert und in den Semesterferien in der Heimat war, als der Krieg ausgebrochen ist. Er war in der Stadt Charkiw eingeschlossen und wir haben ihn natürlich unterstützt, soweit wir es konnten, indem wir zum Beispiel einige Angelegenheiten für ihn in Hamburg geregelt haben. Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass er letztendlich die Ukraine verlassen konnte.
Über alle diese Themen stehen wir im Team im engen Austausch und teilen unsere Erfahrungen, bearbeiten Fälle auch gemeinsam. Das ist schon sehr wichtig für die Arbeit, dass man miteinander sprechen kann.
Wie geht es jetzt unmittelbar weiter?
Studierenden, die in den kommenden Semestern in die Russische Föderation wollten, haben wir bereits alternative Austauschplätze angeboten, da wir davon ausgehen, dass der Austausch auch im Wintersemester 2022/23 nicht möglich sein wird. Es gibt auch Anfragen von Austauschstudierenden, die sich zurzeit im Baltikum oder in Ostpolen aufhalten beziehungsweise vorhaben, in diese Länder zu reisen. Auch dort beraten wir über Möglichkeiten zum vorzeitigen Abbruch des Auslandsstudiums oder zu alternativen Destinationen. Die Universität Hamburg hat sich den Empfehlungen der Allianz der Wissenschaftsorganisationen angeschlossen und die Kooperationsbeziehungen zu russischen Einrichtungen bis auf weiteres ausgesetzt.