Prof. Dr. Hauke Heekeren, neuer Präsident der Universität Hamburg„Ich habe das Uni-Leben aus vielen Blickwinkeln erlebt“
1. März 2022, von Jacinta Homans
Foto: UHH/Esfandiari
Er ist der Neue an der Universität Hamburg: Prof. Dr. Hauke Heekeren hat das Amt des Universitätspräsidenten angetreten und erzählt im Gespräch, wie er auf seine Zeit als junger Student zurückblickt und welche Maßnahmen er in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz anstrebt.
Herr Heekeren, Sie sind von Berlin nach Hamburg gezogen. Die Klischees über Hamburg lauten: Nicht nur das Wetter, auch die Menschen seien hanseatisch kühl. Welche Erfahrungen haben Sie bisher gemacht?
Sehr gute! Ich habe die Stadt – auch bei schönstem Sonnenschein – schon in der Vergangenheit häufig besucht und in den letzten Wochen noch besser kennen lernen können. Auch die Menschen sind mir offen und freundlich begegnet.
Sie haben Medizin studiert, warum haben Sie sich für dieses Fach entschieden?
Im Rahmen meines Zivildienstes habe ich im Krankenhaus gearbeitet, in der Kinderklinik und in der Neurochirurgie. Und da mir Lernen schon immer Spaß gemacht hat und ich sehr neugierig bin, ist damals der Wunsch entstanden, Medizin zu studieren. Ich habe schnell gemerkt, dass das ein tolles und vielfältiges Studium ist, und da ich sehr gerne mit Menschen zusammenarbeite und mit ihnen interagiere, war das für mich die richtige Wahl.
Wie haben Sie Ihr Studentensein in Erinnerung?
Es war eine Zeit des Aufbruchs, es ging darum, neue Menschen kennen zu lernen, selbstständiger zu werden, viel zu lernen. Mich haben damals die Biographien von Forschenden fasziniert, die an verschiedenen Unis studiert haben und in verschiedenen Ländern. Ich wollte das auch, habe also in Münster angefangen, bin nach München gewechselt, schlug dort den Weg in die Neurowissenschaften ein. Dann weiter nach Berlin, von dort aus nach Duisburg-Essen, und nach einem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten landete ich letztendlich in Berlin, bin dort zunächst Professor, dann Dekan und Vizepräsident geworden.
Haben Sie während des Studiums gejobbt?
Ja, ich habe während des Studiums immer nebenher gearbeitet, als Hilfs- und Pflegekraft im Krankenhaus Nacht- oder Wochenenddienste absolviert, später als studentische Hilfskraft in einem Forschungsprojekt mitgearbeitet. Ich habe das Uni-Leben also aus vielen Blickwinkeln erlebt.
Sie haben viele Jahre an der Schnittstelle von Medizin und Neurowissenschaften geforscht. Was hat Sie daran fasziniert?
Schon während des Medizinstudiums habe ich mich auch immer sehr für die Psychologie interessiert. Etwa 1992/93 gab es eine Art Revolution in der Neurowissenschaft: Mit der Kernspintomographie konnte man erstmals dem Gehirn bei der Arbeit zuschauen. Das hat mich nicht mehr losgelassen: die Möglichkeit, Vorgänge live durch das MRT und andere Methoden zu beobachten und zu analysieren. Daraus ist eine Promotion geworden und dieses Gebiet hat mein Leben als Forscher sehr geprägt. Fragen wie: Wie treffen wir eigentlich unsere Entscheidungen, was passiert dabei im Gehirn?
Sie waren ein begeisterter Forscher, wie kam es zum Engagement in Richtung Uni-Verwaltung und -Leitung?
Ich habe sehr früh Leitungsverantwortung übernommen und bin meinen früheren Mentorinnen und Mentoren sehr dankbar, dass sie mir diese gegeben haben. Das begann bereits an der Charité in Berlin, später nach meiner Rückkehr aus den USA konnte ich eine Emmy-Noether-Gruppe einwerben, habe an einem Max-Planck-Institut eine Arbeitsgruppe geleitet, und 2009 bin ich stellvertretender Sprecher des Clusters „Languages of Emotion“ an der Freien Universität Berlin geworden. Das war wirklich spannend, denn die Kolleginnen und Kollegen kamen aus über 20 Disziplinen, um die Beziehungen zwischen Emotionen und Sprache, Kunst, Kultur und Gesellschaft zu erforschen.
Dann wurde ich Prodekan, Dekan und Vizepräsident für Studium und Lehre. Die Leitungsaufgaben wurden also stetig mehr, eine organische Entwicklung. Von manchen Kolleginnen und Kollegen habe ich dann gehört: „Wie, Du hörst jetzt mit der Forschung auf?“, und meine Antwort darauf war immer: „Nein, aber mein Beitrag zur Forschung ist jetzt ein anderer“. Das ist auch mein Anspruch als Präsident, bestmögliche Rahmenbedingungen für Forschung, Studium, Lehre und Arbeit zu schaffen.
Wie stellen Sie sich die ersten 100 Tage als Präsident der Uni Hamburg vor?
Ich möchte die Universität in all ihren Facetten noch näher kennen lernen, mit den Lehrenden und den Forschenden, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber selbstverständlich auch mit den Studierenden ins Gespräch kommen. Ich glaube, da ist es wichtig, gut zuzuhören. Es wurde bisher sehr gut gearbeitet, und mir ist wichtig von innen zu verstehen, wie die Uni Hamburg funktioniert.
Es gibt darüber hinaus eine Reihe von konkreten Themen, die mir besonders wichtig sind und die natürlich über die ersten hundert Tage hinausgehen. Das ist besonders das Thema Nachhaltigkeit: Sie sollte noch sichtbarer und breiter verankert werden in allen Bereichen der Universität, also in der Lehre, in der Forschung, auch in der Personalstruktur.
Und wir brauchen auch einen konkreten Klimaschutzplan. Das geht vom allgemeinen Energieverbrauch bis zum aktiven Klima- und Ressourcenschutz in unserem Uni-Alltag. Mir ist auch wichtig in diesem Zusammenhang zu reflektieren, welchen Beitrag die Uni zur Nachhaltigkeit in der Gesellschaft leisten kann und welche Lerneffekte aus der Pandemiezeit wir in die Zukunft mitnehmen wollen.
Des Weiteren ist ein wichtiges Ziel, dass sich die Universität weiter zur Gesellschaft öffnet und neue Impulse setzt. Auch den Bereichen Transfer und Internationalisierung werde ich mich besonders engagiert und interessiert widmen.
Gerade die Internationalisierung ist in Zeiten wie diesen wichtiger denn je. Dass es Krieg mitten in Europa gibt, einen Angriffskrieg gegen die Ukraine, ist schlicht inakzeptabel. Wir schließen uns dem dringenden Appell der Bundesregierung und der deutschen Wissenschaftsorganisationen an und sind in Gedanken bei unseren Partnerinstitutionen, Kolleginnen und Kollegen, Studierenden und ihren Familien. Universitäten und Wissenschaftseinrichtungen können und sollen weltweit Brücken bauen und die internationale Verständigung fördern.
Eine Zeitung hat in einem Artikel über Sie getitelt: „Wie leitet man eine Uni, ohne den Verstand zu verlieren?” Was könnte damit gemeint sein?
Ich denke, die Zeile spielt darauf an, dass die Universität Hamburg eine sehr große Uni ist, auch eine politische und diskussionsfreudige. Ich finde das gut und wichtig! Und aus meiner Sicht können Diskussionen auch gerne kontrovers sein. Aber es ist unabdingbar, dass sie respektvoll und sachlich geführt werden.
Auf meine neue Aufgabe, die Universität Hamburg gemeinsam mit dem Präsidium zu leiten, freue ich mich sehr.