Überschwemmungen in Australien und ihre Folgen„Die Trichternetzspinnen versuchen, einen trockeneren Lebensraum zu finden“
14. April 2021, von Anna Priebe
Australien leidet dieses Jahr unter Überschwemmungen. Dies könnte zur Folge haben, dass die Sydney-Trichternetzspinne, die giftigste Spinne der Welt, auf der Flucht vor dem Wasser in den Lebensraum des Menschen dringt. Arachnologe Dr. Danilo Harms vom Centrum für Naturkunde erklärt die aktuelle Situation.
Wie reagieren die Giftspinnen auf die Überschwemmungen?
Spinnen, die wie die Trichternetzspinne am Boden oder in Erdröhren leben, haben Probleme, weil ihnen durch die starken Niederschläge das Wasser in den Bau läuft. Die meisten Spinnenröhren sind mit Spinnenseide ausgekleidet – und die kann nur ein gewisses Maß an Wasser vertragen. Bevor ihr Nest kollabiert oder sie ertrinkt, wird die Spinne es natürlich verlassen und versuchen, einen trockeneren Lebensraum zu finden. Dabei kommen sie dann eben auch in Kontakt mit Menschen, wenn sie vermehrt in Gärten auftreten oder in die Häuser kommen. Eine Invasion – wie oft berichtet wird – droht aus meiner Sicht aber nicht.
Im Internet sieht man immer wieder Bilder aus Australien von vielen oder besonders großen Spinnen in der Nähe von Häusern. Das wirkt bedrohlich ...
Die Bilder, auf denen zum Beispiel tausende Spinnen auf Zäunen sitzen, zeigen vor allem Wolfsspinnen, also Tiere, die keine Netze bauen und deren Gift für Menschen keine Gefahr darstellt. Und die großen Spinnen an Zimmerwänden sind häufig Riesenkrabbenspinnen, die in der Natur unter Baumrinden leben. Die sind teilweise so groß wie die Handinnenfläche, aber harmlos. Trotzdem ist es nicht schön, in einem Zimmer zu schlafen, wo die direkt neben dem Bett sitzen. Die Trichternetzspinnen und die mit ihnen verwandten Falltürspinnen dagegen halten sich eher auf dem Boden auf. Da viele der in Australien beheimateten Spinnenarten groß, schwarz und glänzend sind – und damit der Sydney-Trichternetzspinnen sehr ähnlich sehen – besteht aber Verwechslungsgefahr.
Wie können Bewohnerinnen und Bewohner mit den Spinnen im Garten und im Haus umgehen?
Um zu verhindern, dass die Tiere ausversehen ins Haus kommen, müssen die Menschen Fenster und Türen möglichst geschlossen halten. Das gilt sonst in vielen Gebieten aber auch schon, etwa in Sydney während der Paarungszeit der Spinnen. Bei den Sydney-Trichternetzspinnen haben übrigens nur die Männchen ein für Menschen tödliches Gift.
Wenn doch eine Spinne hereinkommt, muss man bei den giftigen Arten natürlich aufpassen. Die Bewohnerinnen und Bewohner von Sydney sind durch ihre Erfahrung meist in der Lage, die Trichternetzspinnen von anderen Spinnen zu unterscheiden. Man sollte dann versuchen, das Tier vorsichtig in ein Glasgefäß zu bugsieren und dann vor die Tür zu setzen oder an einer der Sammelstellen abzugeben.
In New South Wales gibt es Abgabestationen für die Trichternetzspinnen, wo sie vom „Australian Reptile Park“ aufgenommen und dann für die Giftgewinnung genutzt werden. Wir arbeiten mit dem Team dort zusammen und haben aus der Station bereits Tiere für unsere Forschung bekommen. Wir haben diese Spinnen mit Peilsendern versehen und wieder freigelassen.
In New South Wales gibt es Abgabestationen für Trichternetzspinnen.
Ihre Forschung profitiert also vielleicht von den momentanen Zuständen?
In den Stationen wird man in den kommenden Monaten auf jeden Fall sehen, ob das Aufkommen in Häusern wirklich erhöht war. Und wenn ich reisen dürfte, würde ich jetzt sofort nach Australien fahren. Wir haben aber eine australische Studentin, die uns bei unserem aktuellen Projekt unterstützt und das Tracking der Spinnen weiterführt. Die hat momentan leichtes Spiel.
Schaden solche Extremlagen den Tieren oder profitieren sie sogar davon, weil sie in den Häusern neue Lebensräume finden?
Dazu gibt es noch keine belastbaren Daten. Man weiß insgesamt sehr wenig über die Biologie der Sydney-Trichternetzspinne, obwohl ihr Gift von allen Spinnen für den Menschen am tödlichsten ist. Grundsätzlich ist es natürlich für die Spinne nicht gut, wenn ein Habitat geflutet wird und sie ertrinkt bzw. vertrieben wird. Entsprechend bekannter Populationsdynamiken würde man aber davon ausgehen, dass es nach dem Starkregen zu einem Wachstum bzw. zu einer Erholung der Spinnenpopulation kommt: Es wachsen mehr Pflanzen, von denen sich Beutetiere wie Käfer und Tausendfüßer ernähren, wodurch die Spinnen mehr Nahrung finden. Das ist dann keine Explosion, wie es oft heißt, aber die Häufigkeit erhöht sich über ein oder zwei Jahre gesehen. In Dürrephasen, wo alles austrocknet und stirbt, nimmt sie dann wieder ab. Gesichert ist das alles für die Sydney-Trichternetzspinne aber nicht.
Wetterextreme nehmen durch den Klimawandel zu – insbesondere auch in Australien. Wie könnte sich das auf die Erforschung der Sydney-Trichternetzspinnen auswirken?
Für eine intensive Erforschung braucht man lang angelegte – und daher schwer finanzierbare – Feldstudien, in denen man eine bestimmte Population in einem geeigneten Habitat über mindestens fünf Jahre beobachtet. Mit Fragen wie: Wie viele Tiere gibt es? Wie mobil sind sie? Man braucht also Monitoring-Projekte.
Meine kürzlich verstorbene Kollegin Barbara Main aus Westaustralien hat eine Falltürspinne über 43 Jahre lang begleitet. Das Tier, das mit den Trichternetzspinnen entfernt verwandt ist, lebte in dieser Zeit immer in derselben Röhre, bevor es von einer parasitischen Wespe getötet wurde. In unserer bisherigen Forschung zu den Sydney-Trichternetzspinnen haben wir aber schon festgestellt, dass die Weibchen sehr viel mobiler sind und durchaus auch ihre Nester wechseln. Über lange Sicht könnte man solche Erkenntnisse auch mit Klimadaten verbinden und analysieren, wie sich die aktuellen Bedingungen auswirken.