Digitales Unterrichten„Fehlende Störung ist ja auch fehlende Interaktion“
24. März 2021, von Tim Schreiber

Foto: privat
Während der Coronapandemie muss die Lehre an der Universität Hamburg ins Digitale verlegt werden. In einer Interviewserie sprechen Dozierende über Herausforderungen, Lösungen und Veränderungen, die nach der Pandemie bleiben könnten. Heute: die Germanisten Dr. Harry Fröhlich und PD Dr. Peter Brandes.
Wie haben Sie die Umstellung auf digitale Lehre erlebt?
Dr. Harry Fröhlich: Natürlich hat uns die kurzfristige Umstellung sehr überrascht. Wir haben an unserer Fakultät aber große Hilfe bekommen vom eLearning-Büro der Fakultät für Geisteswissenschaften. Das ging alles schnell, sodass wir uns wieder auf die Lehre konzentrieren konnten. Für mich war klar: Ich möchte eine synchrone Lehre haben, weil ich möglichst viel von der Gesprächskultur in unserem Fach retten wollte. Umfragen bei den Studierenden zeigen, dass die Entscheidung richtig war. Asynchrone Lehre hat sich für unser Fach als nicht besonders beliebt und nicht besonders praktisch erwiesen. Per Zoom bleibt die Gesprächs- und Diskussionskultur gut erhalten.
Dr. Peter Brandes: Meine Erfahrung ist ganz ähnlich. Die Kommunikationssituation ist besonders wichtig und unser Hauptfokus liegt daher auf der Seminarform. Kritisches Bewusstsein und kritischer Umgang mit Texten sowie kommunikative Kompetenz sind dort am besten zu vermitteln.
Wenn die Zoom-Veranstaltung beendet wird, wird der Bildschirm schwarz.
Was waren die größten Herausforderungen beim Lehren per Videokonferenz?
Fröhlich: Körpersprache und atmosphärische Dinge fallen leider weitestgehend weg und das spüren Dozierende und Studierende. Dazu kommt: Ein Präsenzseminar hört ja nicht auf, wenn die Sitzung beendet wurde. Man steht noch beieinander, geht gemeinsam ein Stück oder verabredet sich zum Kaffee. Das alles ist nicht möglich. Wenn die Zoom-Veranstaltung beendet wird, wird der Bildschirm schwarz.
Brandes: Trotzdem kann man aber sagen, dass grundsätzlich Diskussionen möglich sind – auch auf einem Niveau wie in der Präsenz. Breakout-Sessions können dabei sehr helfen. Bei Kleingruppen mit explizitem Arbeitsauftrag ist die Erfahrung, dass die Beteiligung zunimmt und mehr Kommunikation stattfindet.
Wie sieht es mit digitalen Prüfungen in Ihrem Fach aus?
Brandes: Hausarbeiten waren schon immer asynchron. Die eingeschränkte Nutzung der Bibliotheken hat sich aber massiv niedergeschlagen. Bei der Bewertung versuchen wir darum, Augenmaß zu bewahren.
Fröhlich: Unter den Bedingungen der digitalen Lehre können die Rahmenbedingungen einer Hausarbeit etwas flexibler gestaltet werden: Die Einarbeitung von Forschung kann etwas zurücktreten und eine etwas freiere Herangehensweise ist möglich. Dazu sind die Abgabefristen etwas länger. Für Take-home-Klausuren haben wir Plattformen wie AGORA, OpenOLAT. Damit haben wir insgesamt gute Erfahrungen gemacht. Mündliche Prüfungen finden über Zoom statt. Auch das geht gut, da muss nur das Protokoll aufwendiger herumgeschickt und unterschrieben werden.
Denken Sie, dass Dinge bleiben werden, wenn Präsenzlehre wieder uneingeschränkt möglich ist?
Brandes: Man kann sicherlich sagen, dass einzelne Techniken übernommen und integriert werden können. Ergänzende Powerpoint-Folien mit Audio-Kommentar zum Beispiel. Aber wohl dosiert, denn wir wollen ja auch keine höhere Arbeitsbelastung für die Studierenden. Kollaborative Online-Tools sind für Gruppenarbeit auch gut. Viel wichtiger für das Lernen ist aber die Arbeitsatmosphäre. Was interessant ist: Wenn wir wieder in der Präsenz zurück sind, wird man vielleicht auch anders auf Störungen im Seminar schauen. Man könnte es ja positiv sehen, dass es bei Zoom weniger Störung gibt. Meist verweisen Störungen aber auf etwas, zum Beispiel ein Missverständnis oder ein Lernpotenzial. Das weitestgehend Störungsfreie bei Zoom ist also vielleicht gar nicht so gut, wie man zunächst denken könnte. Fehlende Störung ist ja auch fehlende Interaktion.
Fröhlich: Das Zurücksehnen in die Präsenzlehre ist sehr stark. Wie Herr Brandes schon sagte, ist während der Einschränkungen durch die Pandemie noch einmal sehr deutlich geworden, dass unser Fach von der Gesprächs- und Kommunikationskultur lebt und Kommunikation auch nonverbal ist. Digitale Lehre ist für mich persönlich eher ein schwächerer Ersatz. Was man aber schon mitnehmen kann, ist die Möglichkeit, digitale Materialien zur Verfügung stellen – auch semesterübergreifend und vor allem für Einführungsveranstaltungen. Was bleibt ist auch die Erkenntnis, dass wir an unserer Universität gute Arbeit geleistet und gut zusammengearbeitet haben. Ein Fazit ist auch: Man kann eine solche schwierige Situation stemmen!
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