Zwei Umfragen unter Studierenden und Lehrenden der Universität HamburgLehren und Studieren während der Pandemie: So erlebten Studierende und Lehrende das Digitalsemester
11. November 2020, von Tim Schreiber
Foto: UHH/Lutsch
Aus dem Hörsaal und dem Seminarraum vor den Bildschirm: Das digitale Sommersemester hat Studierende wie Lehrende von heute auf morgen vor große Herausforderungen gestellt. Zwei hochschulweite wissenschaftliche Umfragen unter Studierenden und Lehrenden durch die Servicestelle Evaluation und das Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen (HUL) zeigen jetzt, dass sich das Lehren und Lernen massiv verändert haben. Gleichzeitig haben aber die meisten Beteiligten Wege gefunden, das Beste aus der Situation zu machen.
Die Studierenden
Die Umfrage unter den Studierenden der Universität Hamburg legte den Fokus auf die veränderten Bedingungen des Studiums und deren Auswirkungen auf die Lern- und Arbeitsfähigkeit der Befragten. Insgesamt nahmen 6.085 Studierende der UHH an der Umfrage teil, die vom 29. Juni bis 21. Juli 2020 online durchgeführt wurde. Das sind die Ergebnisse:
- In einer Gesamtbewertung gab etwas mehr als die Hälfte der befragten Studierenden an, im digitalen Sommersemester 2020 recht gut zurechtgekommen zu sein. Etwa jeder Dritte kam mit den veränderten Gegebenheiten (eher) schlecht zurecht.
- Zu diesen positiven Urteilen haben die Verantwortlichen für Studium und Lehre durchaus beigetragen: Sowohl das „Krisenmanagement“ im eigenen Studiengang wurde von einer Mehrheit positiv beurteilt als auch das Informationsmanagement der Universität Hamburg sowie die in der Universität verfügbare technische Infrastruktur.
- Auch der Beitrag der Lehrenden zur Bewältigung der Herausforderungen wird mehrheitlich wertgeschätzt: Die Gestaltung der Lehrveranstaltungen und der Prüfungen wurde von der Mehrheit der Befragten positiv beurteilt.
- Formate wie Videoaufzeichnungen von Vorlesungen, Präsentationsfolien mit Audiospur und die Bereitstellung von Lernmaterialien mit Aufgaben wurden von zwei Drittel bis drei Viertel der Studierenden als hilfreich eingeschätzt.
- Den stärksten Zuwachs unter den technischen Lösungen erfuhren dabei Tools für Videokonferenzen: Wurden solche Tools vor dem Sommersemester nur von 19 Prozent der Studierenden genutzt, waren es im „Corona“-Semester 90 Prozent.
- Einige Aspekte der stark veränderten Situation an der Universität wurden von vielen Studierenden durchaus positiv bewertet, v. a. die Möglichkeit, Lernzeiten selbst zu organisieren, da feste Termine wegfielen.
Kontakte und die Universität als Arbeitsort fehlen
- Dagegen wurde der Mangel an Kontakten zu anderen Studierenden ganz überwiegend negativ bewertet. So gaben 76,6 Prozent der Befragten an, dass sich die Kontaktbeschränkungen deutlich negativ auf ihre Arbeits- und Leistungsfähigkeit im Sommersemester 2020 ausgewirkt haben.
- Auch der Wegfall der Möglichkeit, den Campus als Arbeits- und Lernort zu nutzen, wirkte sich laut 62,1 Prozent der Studierenden negativ auf die Studienaktivitäten aus.
Die Lehrenden
Auch für die Lehrenden ergab sich im Sommersemester eine völlig neue Situation. Sie mussten Seminare, Vorlesungen und andere Lehrformate plötzlich umplanen und ins Digitale verlegen. Die Wissenschaft spricht hier von Emergency Remote Teaching – im Unterschied zu langfristig geplanter digitaler Lehre. Um ihre Situation zu beleuchten, hat die Universität Hamburg eine weitere Umfrage durchgeführt. Auch sie erfolgte online, und es nahmen zwischen dem 2. Juni und 21. Juni 2020 471 Lehrende der Universität Hamburg teil. Zu den Ergebnissen gehört:
- Vorerfahrung mit reiner Online-Lehre, wie sie im Sommersemester gefragt war, konnten nur knapp sechs Prozent der Befragten aufweisen.
- Mehr als 21 Prozent hatten bereits Erfahrungen damit gesammelt, Präsenz-Elemente mit digital unterstützen Phasen zu kombinieren.
- Zwei Drittel der Lehrenden gab an, dass sie die Nutzung digitaler Technologien im Rahmen von Präsenzveranstaltungen in die ausschließlich digitale Lehre des Sommersemesters einbringen konnten.
Eigene Ansprüche erreicht
- Die Mehrheit der Befragten sah die selbst gesetzten Ansprüche und Kriterien für den Erfolg der so kurzfristig umgesetzten digitalen Lehre im Sommersemester als erreicht an.
- Die wichtigsten Ziele der Lehrenden waren technische Stabilität (83 Prozent der Befragten), kontinuierlicher Besuch der Studierenden (81 Prozent), Zufriedenheit der Studierenden (79 Prozent), Lernerfolge bei den Studierenden (77 Prozent) sowie ein Erreichen der Ziele wie in der Präsenzlehre vor der Krise (70 Prozent).
- Insgesamt gaben die Befragten an, aus dem Krisensemester viel gelernt zu haben: sowohl im Hinblick auf die digitale Lehre als auch in Bezug auf die Präsenzlehre und Möglichkeiten der Integration digitaler Elemente auch in Präsenzveranstaltungen, sobald diese wieder flächendeckend stattfinden können.
- Für den Fall einer verlängerten Krise gaben 72 Prozent an, ihre digitalen Lehrangebote verbessern zu können.
- Mehr als die Hälfte der Befragten glaubt, im Falle der Rückkehr zum Normalbetrieb aus der digitalen Lehre in der Krise für die Präsenzlehre etwas gelernt zu haben.
- Ebenfalls die Hälfte geht davon aus, nach dem Krisen-Semester die Chancen und Risiken digitaler Technologien besser einschätzen zu können.
Über die Umfragen
Die hochschulweite Studierendenbefragung zu Studium und Lehre wurde im Sommersemester 2020 durch die Servicestelle Evaluation unter Leitung von Prof. Dr. Eva Arnold durchgeführt, um die aktuelle Situation in den Blick zu nehmen und Hinweise für die zukünftige Gestaltung digitaler Lehre zu gewinnen. Die Studierendenbefragung schloss mit Fragen zur sozialen Lage der Studierenden ab, die von Studierenden im Rahmen eines sozialwissenschaftlichen Lehrprojekts unter der Leitung von Prof. Dr. Kai-Uwe Schnapp erarbeitet wurden. Die Ergebnisse zu diesen Fragen werden für Anfang kommenden Jahres erwartet.
Ergänzend zur Studierendenbefragung hat das Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen (HUL) unter der Leitung von Prof. Dr. Gabi Reinmann eine Lehrendenbefragung als Begleitforschung zum „Emergency Remote Teaching“ durchgeführt. Ziel war es, Erkenntnisse zu gewinnen, die dabei helfen, im Falle einer länger andauernden Krise die entstandenen digitalen Lehrangebote unter Berücksichtigung der gegebenen Bedingungen zu verbessern.
Die vollständigen Studienergebnisse sind auf den Seiten des HUL abrufbar.