Studie zu Corona-FolgenWie kann der neue Schulalltag für alle gelingen?
22. Juli 2020, von Anna Priebe
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Corona hat den Lehr- und Lernalltag verändert. Doch wie wird er zukünftig aussehen? Präsenzunterricht, digitale Lehre oder zumindest Mischformen? Im Kooperationsprojekt „Kontinuität und Wandel der Schule in Krisenzeiten (KWiK)“ sollen die aktuellen Entwicklungen begleitet werden. Prof. Dr. Ingrid Gogolin, Professorin für Interkulturelle und International Vergleichende Erziehungswissenschaft, erzählt im Interview von den Zielen der Studie.
Es ist derzeit viel vom neuen normalen Schulalltag die Rede. Wie sieht der aus?
Momentan wird er sehr stark durch Hygienevorschriften beeinflusst. Die Schulen müssen Gesundheitsvorkehrungen berücksichtigen, zum Beispiel mit Abstand arbeiten. Zudem müssen sie Mischformen aus Präsenz- und Fernunterricht finden; das wiegt wahrscheinlich noch schwerer.
Was sind die größten Herausforderungen?
Der Hauptpunkt ist sicherlich das Tempo, mit dem die Schulen diese Herausforderungen bewältigen müssen. Und daraus folgt ein ganzes Spektrum an Problemen: Nicht alle Schulen, nicht alle Lehrkräfte waren und sind in der Lage, diese neue Lehre – die ja zu Beginn der Pandemie sogar ausschließlich digital oder ‚fern‘ war – umzusetzen. Auch hatten viele Familien nicht das technische Equipment.
Zudem steht die Entwicklung von leistungsfähigen Ansätzen des digitalen Unterrichts in Deutschland noch ziemlich am Anfang. Die Wirksamkeit vieler Lehr- und Lernangebote, die man auf dem Markt findet, ist kaum geprüft. Die Lehrerschaft war sehr wenig darauf vorbereitet, mit solchen Programmen umzugehen. Das gilt auch für die gemischten Lehrformen, auf die es ja jetzt wahrscheinlich erstmal hinauslaufen wird.
Was ist der Fokus Ihrer Studie?
Ein Problem bei den gemischten Formen ist, dass sehr viel vorausgesetzt wird. Nicht nur die Lehrer müssen wissen, wie man mit den Formaten umgeht. Auch die Kinder und deren Eltern müssen die ungewohnten Anforderungen bewältigen. Da gibt es mitunter große Hindernisse in den Familien. Uns interessiert, was an den Schulen für Angebote geplant sind. Vor allem möchten wir erfahren, wie die Nachteile von Schülerinnen und Schülern, die im Bildungswesen sowieso benachteiligt sind, ausgeglichen werden sollen und wie man die Kombination von Präsenz- und Fernunterricht so gestalten kann, dass diese Kinder alle Chancen bekommen, trotz der Einschränkungen erfolgreich zu lernen.
Was war der Anlass für die Studie?
Relativ schnell nach dem Beginn der Pandemie sind viele Studien gestartet, die sich vor allem mit den Defiziten der digitalen Lehre und Ausstattung in Deutschlands Schulen auseinandersetzen. Wissen darüber ist notwendig, um die Schwierigkeiten richtig einzuschätzen. Was uns jetzt mehr interessiert, ist das Schulleben nach der akuten Krise. Wir nehmen in der Studie eine Entwicklungsperspektive ein: Welche interessanten Problemlösungen haben Schulen gefunden? Wie kann man diese sinnvoll weiterentwickeln, um den Unterricht auch nachhaltig zu verbessern? Es wurde ja zum Beispiel viel Geld bereitgestellt, um nötige Geräte anzuschaffen. Diese Mittel müssen vernünftig genutzt werden. Das möchten wir unterstützen.
Wie gehen Sie vor?
Es gibt an ganz vielen Stellen kluge Ideen, die sich einzelne Schulen und Lehrkräfte einfallen lassen. Deswegen beginnen wir mit einer breit gestreuten Befragung. Wir schreiben ca. 3000 Schulen an und hoffen auf mindestens 1000 Antworten. Dabei berücksichtigen wir sieben Bundesländer. Wir wollen das Spektrum der unterschiedlichen Situationen abbilden, in denen Schulen arbeiten müssen.
Zuerst befragen wir die Schulleitungen, um zu erfahren, was es überhaupt für Ideen gibt. Wir wollen wissen, welche Projekte sie selbst weiterentwickeln wollen, sodass sie für den Schulalltag, der ihnen bevorsteht, nützlich sind. Im Herbst wollen wir darauf aufbauend eine zweite Befragung machen. Dann werden wir schauen, wie sich die Ansätze entwickelt haben. In einer dritten Befragung wollen wir gegen Jahresende auch Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler einbeziehen.
Wie kommt die Studie den Schulen zugute?
Unsere Idee ist, dass wir aus den Ergebnissen unserer Studie Praxisbeispiele zusammenstellen, die das Potenzial haben, sich langfristig positiv auszuwirken. Das wollen wir an die Schulen zurückspielen, damit sie für ihre eigene Arbeit Anregungen bekommen. Zudem möchten wir die interessierten Schulen gerne bei der Bildung regionaler Netzwerke unterstützen, die dann die Ansätze gemeinsam weiterentwickeln.
Projekt „Kontinuität und Wandel der Schule in Krisenzeiten (KWiK)“
Das Projekt „Kontinuität und Wandel der Schule in Krisenzeiten“ (KWiK) ist eine Kooperation der Universität Hamburg (Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Ingrid Gogolin) mit dem Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, Kiel (Prof. Dr. Olaf Köller) und der International Association for the Evaluation of Educational Achievement (Dr. Dirk Hastedt). Die Erhebungen beginnen im Juli 2020; die Studie soll Ende 2021 abgeschlossen sein. Die Online-Befragung von Schulleitungen sowie Lehrkräften wird voraussichtlich in sieben Bundesländern durchgeführt. Mehr Informationen gibt es auf der KWiK-Webseite.