Forschende der Universität Hamburg beraten die BundesregierungWie klimafreundlich ist das Corona-Konjunkturpaket?
14. Juli 2020, von Christina Krätzig
Foto: UHH/ S. Engels
Zum kürzlich beschlossenen Konjunkturpaket der Bundesregierung gehören neben Kinderbonus und Mehrwertsteuer-Senkung auch Hilfen für Unternehmen in Milliardenhöhe. Ob diese Maßnahmen die Klimaschutzziele der Bundesrepublik unterstützen, hat die Wissenschaftsplattform Klimaschutz untersucht – ein Gremium, das die Bundesregierung bei der Umsetzung ihrer Klimaschutzziele unterstützt. Zum zehnköpfigen Lenkungsgremium gehören zwei Forschende der Universität Hamburg: Prof. Dr. Timo Busch (Sozialökonomie) und Prof. Dr. Anita Engels (Sozialwissenschaften).
Frau Engels, worum geht es in dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung?
Das Konjunkturprogramm soll die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abmildern und für einen wirtschaftlichen Aufschwung sorgen.
Warum hat die Wissenschaftsplattform Klimaschutz dazu Stellung genommen?
Es handelt sich um die erste öffentliche Äußerung der Wissenschaftsplattform, die sich im letzten Jahr konstituiert hat. Die Wissenschaftsplattform hat die Aufgabe, die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung zu begleiten und zu bewerten. Da das Konjunkturprogramm Staatsausgaben in vorher ungekannter Höhe bereitstellt, kam es uns darauf an, auch die Berücksichtigung von Klimaschutzgesichtspunkten zu betrachten. Die Mitglieder der Wissenschaftsplattform haben daher beschlossen, am Beispiel des konkreten Konjunkturprogramms einen Kriterienkatalog zu entwerfen, der in der weiteren Arbeit allgemein für die Bewertung der Klimaschutzpolitik herangezogen werden kann.
Sie haben in dem Bericht zu vielen Aspekten Stellung genommen, beispielsweise zu staatlichen Instrumenten wie dem Emissionshandel, dem Ausbau klimaschutzfreundlicher Infrastrukturen oder zu Krediten und staatlichen Förderungen. Wie steht es mit letzteren – wie können sie klimafreundlich gestaltet werden?
Staatsausgaben sollten an die Zielsetzungen der deutschen Klimaschutzpolitik angepasst sein, denn das aktuelle Klimaschutzziel, bis 2030 gut die Hälfte aller Emissionen einzusparen, erzeugt eine rechtliche Bindung für die Bundesregierung. Es sollten keine Investitionen ermöglicht werden, die diesem Ziel entgegenstehen – eine fortgesetzte Abhängigkeit von Kohlestrom oder von Verbrennungsmotoren wären hier Negativbeispiele. Förderprogramme sollten vor allem in Richtung klimafreundlicher Geschäftsmodelle ausgerichtet sein, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Gaststättenbereich.
Wie steht es mit der sozialen Dimension? Sie schreiben in der Stellungnahme, ein an Klimaschutzzielen orientiertes Konjunkturprogramm könne langfristig nur erfolgreich sein, wenn es von der breiten Öffentlichkeit als gerecht wahrgenommen wird. Wie kann das erreicht werden?
Die Bundesregierung sollte versuchen, eine Teilhabe betroffener Bevölkerungsgruppen sicherzustellen und eine aktive Trägerschaft von Klimaschutzmaßnahmen zu ermöglichen. Soziale Härten müssen vermieden werden und Beteiligungsmöglichkeiten für Kommunen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Gründer geschaffen werden. Der genossenschaftlich finanzierte Ausbau erneuerbarer Energien, CO2-neutrale Tourismus- und Freizeitkonzepte oder die Entwicklung klimafreundlicher Mobilitätsangebote könnten hierfür Beispiele sein.
Wie geht es weiter mit der Stellungnahme? Sie wurde der Bundesregierung überreicht – und nun?
Die Stellungnahme ist ein Element in einem engen und regelmäßigen Austausch zwischen dem Lenkungskreis der Wissenschaftsplattform und verschiedenen Ministerien, insbesondere dem Umwelt- und dem Forschungsministerium. Die Expertinnen und Experten der Wissenschaftsplattform werden in interministerielle Abstimmungsprozesse eingebunden, sodass es sich um einen kontinuierlichen Prozess handelt, in dem unsere Bewertungen immer wieder in politische Entscheidungsprozesse einfließen werden.
Die Wissenschaftsplattform Klimaschutz
Als unabhängiges Beratungsgremium unterstützt die Wissenschaftsplattform Klimaschutz die Bundesregierung bei Umsetzung und Weiterentwicklung der deutschen Klimaschutzziele. Denn mit dem Klimaschutzplan 2050 hat sich die Bundesregierung zur Reduzierung von Treibhausgasen verpflichtet. In diesem Plan wurde die Bedeutung von Forschung und Innovation verankert und ein breit angelegter wissenschaftsbasierter Begleitprozess beschlossen.
Gesteuert wird die Plattform durch einen Lenkungskreis, dessen bis zu zehn Mitglieder vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) berufen werden. Die Berufenen bleiben mindestens drei Jahre im Amt.