Forschungsprojekt zu den Folgen des Klimawandels in Ostfriesland„Das Wasser kommt aus allen Richtungen“
17. Juni 2020, von Christina Krätzig
Foto: Pixabay CC0
Dass der Meeresspiegel steigt und Sturmfluten künftig voraussichtlich höher auflaufen, sind nur zwei der vielen Herausforderungen, vor die der Klimawandel die deutsche Nordseeküste stellt. Das neue Forschungsprojekt „WAKOS – Wasser an den Küsten Ostfrieslands“ wird mit rund 2,3 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und sucht die besten Vorsorge- und Anpassungsstrategien für die Region. Das geht am besten zusammen mit den Menschen vor Ort, erklärt die Geographieprofessorin Beate Ratter von der Universität Hamburg.
Frau Ratter, wieso ist der Klimawandel für die Region Ostfriesland besonders bedrohlich?
Der Klimawandel wird Ostfriesland mit zu viel Wasser konfrontieren – es kommt buchstäblich aus allen Richtungen. Da ist die Nordsee, deren Meeresspiegel bis Ende des Jahrhunderts um bis zu 110 Zentimeter steigen könnte. Dieser Anstieg des Meeresspiegels verursacht auch Probleme mit dem Süßwasser: Oberflächenwasser kann nicht mehr wie gewohnt abfließen, Flüsse stauen sich, der Grundwasserspiegel steigt. Diese Phänomene haben vielfältige Folgen, für die Natur ebenso wie für die Kulturlandschaft. So können beispielsweise Äcker versalzen, Obstbäume ertrinken oder Dünen erodieren. Das Wattenmeer, die ostfriesischen Inseln und auch die Küste stehen vor gewaltigen Herausforderungen.
Wie gehen die Menschen vor Ort damit um?
Es besteht ein sehr großes Problembewusstsein. Die Menschen wissen, dass viele Existenzen und vielleicht sogar ihre ganze Lebensweise bedroht sind. Sie suchen nach Strategien, um sich auf die kommenden Veränderungen vorzubereiten – aufhalten kann eine einzige Region den Klimawandel ja nicht. Doch noch kann niemand im Detail vorhersagen, was geschehen wird und welche Strategien sich als die richtigen herausstellen werden. Fast alle Maßnahmen haben Vor- und Nachteile, und die gilt es gegeneinander abzuwägen.
Was ist das Ziel des Forschungsprojekts WAKOS - und welche Aufgabe haben Sie in dem Projekt?
WAKOS steht für „Wasser an den Küsten Ostfrieslands: Basis für maßgeschneiderte Klimaservices für die Anpassung“. Wichtig ist hier das Wort „maßgeschneidert“: Möglichst viele lokale Akteure sollen mit den Forschenden zusammenarbeiten, um Handlungsoptionen zu entwickeln, die dann von der Bevölkerung auch mitgetragen werden.
Das Wissen der Einheimischen ist von kaum zu überschätzendem Wert
Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen an der Universität Oldenburg und an der Uni Hamburg fungiere ich in dem Projekt als eine Art Schnittstelle zwischen den Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern einerseits und der Bevölkerung und den Akteuren anderseits. Mit Hilfe von Fragebögen, Interviews und Diskussionsrunden möchten wir einerseits herausfinden, welches Wissen den Menschen vor Ort fehlt und welche Informationen sie sich wünschen. Anderseits sammeln wir das lokale Wissen, das für die Forschenden von kaum zu überschätzendem Wert ist. Denn Deichgrafen und Landwirtinnen, Mitglieder von Naturschutzverbänden und der Feuerwehr verfügen über detaillierte, einzigartige Kenntnisse über ihre Region, die ja bereits auf 1500 Jahre Küstenschutz zurückblickt.
Sie arbeiten häufig auch in tropischen Inselmeeren, forschen beispielsweise zu den Folgen des Klimawandels auf den Malediven. Ist das nicht ein riesiger Sprung ins heimische Wattenmeer?
Auch das Wattenmeer gehört seit mehr als 20 Jahren zu meinen Forschungsschwerpunkten. Hier wie auch in den Tropen beschäftige ich mich mit der gesellschaftlichen Anpassung an den Klimawandel, mit der sogenannten Resilienz. Ich untersuche also ähnliche Fragestellungen, auch wenn die kulturellen, historischen, politischen, naturräumlichen, technischen und nicht zuletzt finanziellen Unterschiede beträchtlich sind. Die Anpassungsfähigkeit eines Landes an den Klimawandel ist auch an dessen Finanzkraft und politischen Entscheidungswillen gekoppelt – das darf man nicht vergessen. Auch wenn die deutsche Nordseeküste im weltweiten Vergleich zu den Küsten gehört, die der Klimawandel stark beeinflussen wird, werden uns seine Folgen voraussichtlich weniger stark treffen als kleine Inselstaaten in Ozeanien oder der Karibik. „Trutz Blanke Hans“ haben wir in der Vergangenheit ganz gut bewältigt, aber für die Zukunft müssen wir uns auf andere, noch größere Herausforderungen einstellen. Die Küstenlandschaft wird sich neu formieren müssen.
Über das Forschungsprojekt WAKOS
Das Projekt „WAKOS – Wasser an den Küsten Ostfrieslands: Basis für maßgeschneiderte Klimaservices für die Anpassung“ ist ein gemeinsames Projekt norddeutscher Einrichtungen und Hochschulen. Beteiligt sind neben der Universität Hamburg das Helmholtz-Zentrum Geesthacht – Zentrum für Material- und Küstenforschung, welches das Projekt koordiniert, sowie die Universität Oldenburg, die Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth und der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz Forschungsstelle Küste.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung stellt rund 2,3 Millionen Euro zur Verfügung.
Weiter Informationen
Fragen und Antworten rund um das Thema Klimawandel finden Sie auf der Webseite „Klimawandel: Fragen und Antworten“ des Exzellenzclusters CLICCS.