Umgang mit Pandemien und Management von Notfällen im GesundheitssektorVon Ebola für die Coronakrise lernen
21. April 2020, von Felix Willeke
Uganda hat aufgrund der Erfahrungen mit dem Ebolavirus sehr schnell und effektiv auf die Coronakrise reagiert, stellt Prof. Dr. Daniel Geiger fest. Er forscht an der Universität Hamburg zum Umgang mit Krisen und Katastrophen. Im Interview erklärt er, wie diese sich entwickeln und was Deutschland von Uganda lernen kann.
Herr Geiger, ihr aktuelles Forschungsprojekt beschäftigt sich mit der Ebola-Epidemie im Kongo und deren Auswirkungen auf Uganda.
Richtig, 2018 brach im zentralafrikanischen Land Demokratische Republik Kongo das Ebola-Virus aus. Im Verlauf der Epidemie, die seit kurzem als überstanden gilt, erkrankten im Kongo rund 3.400 Menschen und rund 2.200 verstarben. Uganda kam als direktes Nachbarland glimpflich davon, weil es gute Präventionsmaßnahmen gab.
Inwiefern ist die damalige Ebola-Epidemie denn mit der aktuellen Coronakrise vergleichbar?
Wie an den eben genannten Zahlen ablesbar ist, unterscheiden sich die Krankheiten: Das Ebola-Virus hat eine deutlich höhere Mortalitätsrate, das Coronavirus hingegen ist deutlich ansteckender. Die Präventionsmaßnahmen im Rahmen solcher Epidemien, beziehungsweise Pandemien, lassen sich jedoch gut vergleichen.
Uganda hat Erfahrung mit Epidemien und ist sehr gut darin, das Land gegenüber einem Virus abzuschotten. Sehr früh wurde beim Ausbruch des Ebolafiebers im Kongo damit begonnen, alle Menschen an den Grenzübergängen zu screenen und Fieber zu messen. Wenn eine Person potentiell infiziert war, wurde ihr die Einreise verwehrt und man hat schnell damit begonnen, die Kontaktpersonen zu isolieren und später auch zu impfen. Letztendlich gab es in Uganda keine fünf infizierte Personen mit dem Ebolavirus. Zum Glück, denn bei Ebola ist bereits ein Einzelfall eine Katastrophe.
Wie geht Uganda nach Ebola jetzt mit der Corona-Pandemie um?
Uganda hat die gleichen Präventionsmaßnahmen wie bei Ebola auch im Fall von Corona sehr schnell umgesetzt: Schon Anfang März – als noch keine zehn Corona-Infektionsfälle gab – mussten sich Einreisende in eine 14-tägige Quarantäne begeben oder durften gar nicht erst einreisen. Zudem hat das Land seit Ebola die Labore und Testkapazitäten ausgebaut. Davon profitiert Uganda in der aktuellen Situation. Des Weiteren ist die Bevölkerung Einschränkungen aufgrund von Epidemien, beziehungsweise Pandemien gewohnt. In ganz Westuganda schütteln sich die Menschen schon länger nicht mehr die Hände zur Begrüßung ...
... anders als in Deutschland.
Ja, wobei man sagen muss, dass sich die Länder aufgrund ihrer Grundvoraussetzungen nur schwer vergleichen lassen. Deutschland kann laut Weltgesundheitsorganisation pro Kopf 30 Mal mehr für die Gesundheitsversorgung ausgeben. Uganda profitiert bei der Corona-Pandemie jedoch von seinen Erfahrungen. Die früh eingeleiteten Maßnahmen führen dazu, dass es im Land bis heute nur 56 Fälle von COVID-19 gibt (Stand 21. April 2020, d. Red.). Das liegt auch daran, dass Präventionsmaßnahmen wie physical distancing, das Temperaturmessen und das regelmäßige Desinfizieren der Hände, schon etabliert sind. Das ist bei uns alles neu. Deutschland ist hingegen auf kurzfristige Krisenereignisse sehr gut vorbereitet. Das heißt, ein Krankenhaus kann sehr gut mit einem hohen Patientenaufkommen aufgrund eines Unfalls oder einer Naturkatastrophe umgehen. Diese Notsituationen sind aber auch schnell wieder vorbei. Die jetzige Herausforderung liegt darin, dass wir es mit einer langanhaltenden Krise zu tun haben. Dies erfordert ganz andere Ressourcen und ein gänzliches anderes Management, etwas das wir erst lernen müssen. In Deutschland gibt es dazu noch wenig Erfahrung und da können wir von Ländern wie Uganda lernen.
Was meinen Sie konkret?
Ugandas Lehren, die sie aus der Ebola-Epidemie gezogen haben: Seit Ebola gibt es im Land immer genügend Schutzausrüstung und seitens der Regierung wird klar kommuniziert. Diese Krisenkommunikation ist in Deutschland, aufgrund der föderalen Struktur – das heißt jedes Bundesland entscheidet zunächst für sich selbst – eine große Herausforderung. Das mussten wir in dieser Krise auch erst lernen. Gute Krisenkommunikation heißt für mich als Wissenschaftler: Immer klar sagen, was ist und dabei auch offen Unsicherheiten kommunizieren. In Uganda trägt der Präsident zum Beispiel eine Maske. Unabhängig vom Nutzen dieser Masken sagt er damit aus: „Wir befinden uns in einer besonderen Situation und müssen alle Maßnahmen ergreifen.“ Auch Deutschland bekommt diesen Spagat in der Krisenkommunikation mittlerweile sehr gut hin. Andere Länder hingegen bemühen eine Kriegsmetaphorik. Das halte ich in diesem Fall für völlig ungeeignet. Was wir jetzt brauchen ist Solidarität, Hilfsbereitschaft, Einfühlungsvermögen und Verständnis.
Wie sehen Sie den Verlauf der Corona-Pandemie aus der Sicht eines Krisenforschers?
Bei Krisen unterscheidet man drei Phasen: Die Vorkrisen-Phase, in der sich eine Krise anbahnt, die Chaos-Phase, in der sich alles sortiert und die man möglichst kurzhalten will und drittens die Containment-Phase, in der man die Krise bewältigt und langsam in einen Normalzustand übergeht. Auch wenn in dieser Krise die Chaos-Phase relativ lange gedauert hat, befinden wir uns in Deutschland mittlerweile in der Containment-Phase und diskutieren auch schon, ab wann man Maßnahmen wieder zurückfährt. Aber Prognosen, wie lange die Krise noch andauern wird, kann ich und will ich nicht machen, das wäre unseriös. Teil meiner Forschung ist es, Strategien zu entwickeln, wie man sich besser auf derartig lange Krisen vorbereiten kann. Letztendlich müssen wir – wie Uganda es auch gemacht hat – lernen, dass uns so eine Krise jederzeit wieder treffen kann.
Weitere Informationen
Das Team der Professur für Organisation an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Prof. Dr. Daniel Geiger leitet, kooperiert seit 2017 mit dem ugandischen Roten Kreuz. Ursprung dieser Kooperation war die Forschung zu Nothilfe-Koordinierungsmechanismen bei großen, internationalen humanitären Nothilfeeinsätzen. Im Norden Ugandas kamen 2017 über eine Million Flüchtlinge aus dem Süd-Sudan an. Prof. Geiger und sein Team haben die Nothilfekoordination des ugandischen Roten Kreuzes untersucht. Im Anschluss daran haben sie in Kooperation mit dem Roten Kreuz nach weiteren Szenarien in Uganda gesucht und sind auf den Einsatz im Rahmen der Ebola-Epidemie gestoßen. Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen dazu sind aktuell in Arbeit.
Eine erste Studie, die Erfahrungen aus dem Ebola-Einsatz auf die aktuelle SARS-CoV-2 Pandemie überträgt, wurde im Rahmen eines fast-track-Verfahrens im British Medical Journal Leader angenommen womit sich das Team an der aktuellen Forschung zur Coronakrise beteiligt. Zusammen mit anderen Krisenforscherinnen und Krisenforschern hat Herr Prof. Geiger zudem gerade den Open-Access Online-Kurs: „Organizing in Times of Crisis: The Case of COVID-19“ erarbeitet.