Das Coronavirus und die ökonomischen Folgen„Wichtig ist, dass man jetzt nicht emotional handelt“
10. März 2020, von Hendrik Tieke
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Foto: pixabay
Was können Regierungen und Notenbanken tun, um die wirtschaftlichen Schäden durch das Coronavirus einzudämmen? Und was sollten Privatanleger nach den Kurseinbrüchen der Börse beachten? Antworten gibt Prof. Dr. Michael Bauer, Experte für Finanzmarkt-Ökonomie an der Universität Hamburg.
Herr Prof. Dr. Bauer, welche Auswirkungen hat das Coronavirus auf die Weltwirtschaft?
Wegen des Virus sinken sowohl Angebot als auch die Nachfrage von Gütern und Dienstleistungen auf den Weltmärkten. Auf der Angebotsseite liegt dies vor allem daran, dass Arbeitskräfte erkranken und Betriebe vorrübergehend mit der Produktion aufhören. Auch viele Lieferketten sind unterbrochen, weil mancherorts ganze Regionen abgeschottet werden. Besonders schwer hat es bislang China getroffen. Das wirkt sich besonders heftig auf die Weltwirtschaft aus, denn aus diesem Land kommt vieles, was Konsumenten und Unternehmen kaufen – vom Smartphone bis zur Druckerpatrone.
Die wirtschaftliche Nachfrage geht ebenfalls zurück, vor allem in der Transport- und Tourismus-Branche. In der Transportbranche bleiben gerade viele Aufträge aus. Und die Tourismusbranche leidet unter einem massiven Rückgang an Reisenden. Zum Beispiel fliegen normalerweise Millionen von chinesischen Touristen in die ganze Welt. Die bleiben nun alle weg. Allgemein droht der Weltwirtschaft wegen des Rückgangs an Angebot und Nachfrage nun eine Rezession. Diese Einschätzung teilen auch viele Anleger an den Finanzmärkten, denn Aktienkurse und Zinsen sind in den letzten Wochen massiv eingebrochen.
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Was kann der Staat tun, um einer wirtschaftlichen Rezession entgegenzuwirken?
Staatliche Maßnahmen können wenig gegen den plötzlichen Rückgang des Angebots tun. Schließlich können sie keine Lieferengpässe beheben oder Produktionsausfälle verhindern, die auf das Virus zurückzuführen sind. Aber der Staat kann die Nachfrage mit Konjunkturprogrammen oder Steuersenkungen ankurbeln. So kann er die Volkswirtschaft vor zu großen Verlusten bewahren und auch Arbeitsplätze sichern.
Solche Maßnahmen sind auch ein Zeichen, dass der Staat handelt und die Wirtschaft nicht alleine ist. Das beruhigt die Anleger, schafft Vertrauen und wirkt der momentanen Panik und Verunsicherung entgegen. Allerdings greifen Konjunkturprogramme immer erst nach einiger Zeit. Außerdem dauert es, bis sie realisiert werden können, denn sie müssen ja erst einmal erarbeitet, in der Regierungskoalition ausgehandelt und vom Parlament verabschiedet werden.
Was können die Notenbanken tun?
Notenbanken können den Leitzins senken, und zwar innerhalb weniger Tage. Sie sind ja unabhängig von der Regierung. Der Leitzins bestimmt die Kosten, zu dem sich Privatbanken bei der Notenbank Geld leihen können. Sinkt also der Leitzins, können Privatbanken günstigere Kredite an Unternehmen vergeben. Unternehmen haben dann einen höheren Anreiz zu investieren und können finanzielle Engpässe, wie sie etwa durch die Unterbrechung von Lieferketten entstehen, besser überbrücken. Auf diese Weise können sie Arbeitsplätze und damit die Kaufkraft von Konsumenten erhalten.
Auch die Bevölkerung kommt dank eines niedrigen Leitzinses an günstigere Kredite und konsumiert dann tendenziell mehr. Das kurbelt die wirtschaftliche Nachfrage ebenfalls an. Außerdem geht von einer Senkung des Leitzinses auch eine positive psychologische Wirkung aus: Die Notenbank zeigt sich handlungsfähig, und das wirkt beruhigend auf Finanzmärkte, Unternehmen und Haushalte.
Welche Schritte unternehmen die Regierungen und Notenbanken momentan?
Die Politik plant vielerorts bereits Konjunkturprogramme, auch in Deutschland. Die Europäische Zentralbank, die den Leitzins für den Euro-Raum festlegt, kann diesen wohl nur wenig weiter senken. Er liegt ja schon unter Null. Aber sie kann andere Maßnahmen ergreifen, wie zum Beispiel zusätzliche Anleihenkäufe. Die US-Notenbank Federal Reserve hat da mehr Spielraum. Sie hat den amerikanischen Leitzins Anfang März bereits von 1,75 auf 1,25 Prozent gesenkt. Das ist ein starkes Signal, und wahrscheinlich nur der Anfang ihrer geldpolitischen Antwort auf die Krise. Insgesamt kann die Geldpolitik sicher einen Teil dazu beitragen, die wirtschaftlichen Schäden durch das Virus etwas einzudämmen.
Müssen private Anlegerinnen und Anleger jetzt um den Wert ihres Aktienportfolios fürchten?
Wegen der drohenden Rezession sind weitere Kursrückgänge auf dem Aktienmarkt möglich. Wichtig ist, dass man jetzt nicht emotional handelt und in Panik Aktien verkauft. Als Privatanleger hat man schlechte Karten, wenn man versucht, Marktbewegungen vorherzusagen und die eigenen Käufe und Verkäufe zu timen. Studien zeigen, dass es immer empfehlenswerter ist, die eigene Anlagestrategie trotz Krisen stetig zu verfolgen. Außerdem sollte man auf ein breit diversifiziertes Portfolio achten, mit Aktien und festverzinslichen Wertpapieren, und mit Aktienfonds anstatt Einzelaktien. Mit einem Sparplan in diese Anlagen fährt man gut, denn dann kauft man in guten wie in schlechten Zeiten regelmäßig an und streut so das Verlustrisiko noch weiter. Langfristig wird sich die Weltwirtschaft wieder erholen. Das hat sie bislang nach jeder größeren Krise getan.