Explosionshafte VermehrungWarm-feuchtes Wetter sorgt für Heuschreckenplage in Ostafrika
25. Februar 2020, von Felix Willeke
Milliarden von Heuschrecken bevölkern aktuell Ostafrika und zerstören komplette Ernten. Laut den Vereinten Nationen bedroht dies die Ernährung von rund 13 Millionen Menschen. Wie konnte es dazu kommen und ist so etwas auch in Deutschland möglich? Das erklärt der Biologe Dr. Martin Husemann.
Schon im November 2019 warnten die Vereinten Nationen (UN) vor einer Heuschreckenplage in Ostafrika. Mittlerweile sind mehrere Länder betroffen, was passiert da gerade?
Zurzeit sind sechs Länder in Ostafrika betroffen. Ein Schwarm ist mindestens 40 Millionen Tiere stark und vernichtet pro Tag die Nahrungsgrundlage für rund 35.000 Menschen. Laut UN bedrohen die Wanderheuschrecken – in diesem Fall Schwärme der Wüstenheuschrecke (Schistocerca gregaria) – damit die Nahrungsgrundlage von mindestens 13 Millionen Menschen in Ostafrika. Aktuell ist die genaue Anzahl der Heuschrecken kaum feststellbar, da sie sich sehr schnell vermehren. Bis zur Trockenzeit im Juni geht die UN davon aus, dass die aktuelle Population noch um das 500-fache anwachsen könnte. Das heißt, die Nahrungsgrundlage für die gesamte Region fällt weg, man muss von einer Hungersnot als Folge der Plage ausgehen.
Wie kommt es zu so einer Plage?
In diesem Fall sind klimatische Bedingungen die Ursache. Es war außergewöhnlich warm und feucht, ein ideales Klima für die Brutsaison, dadurch ist der Schlupf sehr viel effektiver. Als 2018 zwei Zyklone auf die arabische Halbinsel trafen, hat sich in der Folge mutmaßlich die erste große Population gebildet. Diese ist 2019 weiter nach Äthiopien gewandert, wo im Dezember 2019 noch einmal ein großer Sturm viel Regen brachte. Die Population konnte sich dadurch explosionsartig vergrößern. Normalerweise schlüpfen von den ca. 80 gelegten Eiern nur wenige; bei solch positiven Bedingungen ist die Schlupfrate um ein Vielfaches höher.
Eigentlich ist die Wüstenheuschrecke eine Einzelgängerin, die recht Standorttreu ist. Wenn sich die Tiere jedoch in einer bestimmten Entwicklungsphase besonders häufig an den Hinterbeinen berühren, schütten sie Serotonin aus und dies sorgt für den Übergang in die sogenannte gregäre Phase, also in die Wanderphase. Das heißt, es werden größere Flügel ausgebildet und sie verändern ihre Farbe. In diesem Stadium schließen sich Wüstenheuschrecken, als eine der wenigen Heuschreckenarten, zu großen Schwärmen zusammen und überwinden, häufig von Winden getrieben, bis zu 150 Kilometer am Tag.
Wie kann eine solche Plage verhindert werden?
Eigentlich nur durch Früherkennung. Normalerweise werden Gebiete, in denen ein sogenannter Massenschlupf stattfindet, zeitnah mit Insektiziden behandelt. Diese müssen dann auf einer verhältnismäßig kleinen Fläche eingesetzt werden und eine explosionsartige Vermehrung wird verhindert. Doch die Gegend, in der sich der erste Massenschlupf ursprünglich ereignet hat, war wohl derart abgelegen, dass es einfach übersehen wurde.
Und jetzt?
Wenn die Welle rollt, ist sie nur noch schwer aufzuhalten. Im Moment kann man nicht viel tun. Der großflächige Einsatz von Insektiziden würde nicht nur die Heuschrecken, sondern auch andere Insekten, darunter die unverzichtbaren Bestäuber, treffen.
Gibt es eine Alternative?
Der flächendeckende Einsatz von Insektenvernichtungsmitteln ist problematisch und oft auch nur bedingt effektiv gegen die Wanderheuschrecken. Daher muss man warten, bis sich das Massenvorkommen auf natürliche Weise reguliert. In den nächsten Wochen beginnt die Regenzeit, wodurch, wie von der UN prognostiziert, die Population noch einmal massiv anwachsen wird. Die Wüstenheuschrecke ist jedoch auf eine gewisse Zone beschränkt. Sie hält sich normalerweise im Grasland und nicht in Wald- oder Wüstengebieten auf. Das heißt, viel weiter ausdehnen als jetzt wird sich die Plage vermutlich nicht. Irgendwann ist dann auch für die Heuschrecken keine Nahrung mehr übrig, und wenn im Juni die Trockenzeit beginnt, endet die Plage auf natürliche Weise.
2019 gab es eine deutlich kleinere Plage auf Sardinien. Sind solche Ereignisse in Deutschland oder Europa denkbar?
Ja. In Zeiten des Klimawandels müssen wir uns auf eine veränderte Fauna einstellen. Schon jetzt haben wir hierzulande viele invasive Arten, ein Beispiel ist auch die kürzlich in Hamburg zum ersten Mal nachgewiesene Asiatische Hornisse. Dass es jedoch zu einer Plage in einer derartigen Größenordnung kommt wie aktuell in Ostafrika, halte ich zumindest momentan für nicht sehr wahrscheinlich. Die meisten der ca. 28.000 bekannten Heuschreckenarten sind, auch wie die knapp 90 in Deutschland beheimateten Arten, Einzelgänger. Grundsätzlich sind die Tiere ein sehr wichtiger Bestandteil der Nahrungskette. Viele Tiere und auch Menschen nutzen sie als Nahrungsquelle.
Weitere Informationen
Die Wüstenheuschrecke (Schistocerca gregaria) ist eine von nur 12 Heuschreckenarten die zu Wanderheuschrecken werden können. Ein Exemplar kann bis zu neun Zentimeter groß werden.
Die aktuelle Plage betrifft nicht nur Äthiopien, Kenia, Somalia, Uganda und den Südsudan, sondern auch Länder außerhalb Afrikas. Laut der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der UN sind Länder um das Rote Meer (Saudi-Arabien und der Jemen), genauso wie Länder in Südasien (Iran, Indien und Pakistan) betroffen. Die aktuelle Entwicklung wird auf der Seite „Locust watch“ (engl.) der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der UN dokumentiert.