Forschung zu KaufentscheidungenGroße Auswahl – wenig Ethik?
25. Oktober 2019, von Viola Griehl
![Prof. Dr. Christina Schamp](https://assets.rrz.uni-hamburg.de/instance_assets/uni/11825606/foto-schamp-img733x414-2673c68a16758465469cff3a5a876fd35275b154.jpg)
Foto: privat
Beim Kauf von Kleidung, Lebensmitteln oder Möbeln zu umweltschonenden und nachhaltigen Produkten zu greifen, wer möchte das nicht? Ob sich diese Haltung aber im tatsächlichen Konsumverhalten widerspiegelt, hat Prof. Dr. Christina Schamp von der Hamburg Business School untersucht.
Frau Prof. Schamp, in Konsumentenbefragungen geben knapp drei Viertel aller Konsumentinnen und Konsumenten an, dass ethische Aspekte bei der Kaufentscheidung wichtig sind. Trotzdem liegt der Marktanteil dieser Waren im geringen einstelligen Bereich. Warum ist das so?
Die bisherige Forschung führt diese Diskrepanz auf moralische Scheinheiligkeit zurück. Konsumenten werfen ihre altruistischen Erwägungen über Bord, wenn sie sich der Kosten des moralischen Handelns bewusst werden. Unsere Forschung zeichnet hier ein etwas versöhnlicheres Bild: Je komplexer die Kaufentscheidung, desto schwerer ist es einfach für Konsumenten, ethische Produkteigenschaften zu berücksichtigen. Denn je mehr Produkte zur Auswahl stehen, desto oberflächlicher und schneller müssen Konsumenten vergleichen. Ethische Kriterien geraten dabei ins Hintertreffen, weil sie ungleich mehr Zeitaufwand erfordern, emotional komplexer und schwerer vergleichbar sind.
Je größer die Auswahl ist, desto mehr spielen intuitiv erfassbare Kaufkriterien eine Rolle
Welche Kaufkriterien sind denn entscheidend?
Je größer die Auswahl ist, desto mehr spielen intuitiv erfassbare Kaufkriterien wie Preis oder Marke eine Rolle, die auch für alle Produkte vorhanden sind. Daher sind besonders unbekannte Marken betroffen, wenn sie mit ethischen Argumenten in der Informationsflut durchdringen wollen.
Spielen ethische Attribute dann nie eine Rolle für die Kaufentscheidung?
Die Kaufentscheidung verläuft für die allermeisten Produkte zweistufig: Zuerst sucht man nach den Kriterien wie Marke, Preis oder Qualität, um die angebotene Vielfalt auf einige wenige Alternativen zu reduzieren, die man tatsächlich in Betracht zieht. Die werden dann genauer evaluiert. In diesem zweiten Schritt der Kaufentscheidung spielen ethische Produkteigenschaften laut unseren Ergebnissen dann durchaus eine sehr wichtige Rolle.
Muss ich mich zwischen vier bis sechs Produkten entscheiden, die ich hinsichtlich egoistischer Attribute wie Qualität, Preis und Marke ausgewählt habe, können ethische Faktoren wie Fairtrade oder eine Verknüpfung mit einer Spendenaktion das Zünglein an der Waage sein, für welches Produkt ich mich entscheide.
Was können Hersteller tun?
Um der Ethik vor dem Regal zum Erfolg zu verhelfen, hilft nur Marketing. Wird mit dem Kauf eine Spende verbunden, bietet es sich beispielsweise an, Fotos oder persönliche Beschreibungen der Spendenempfänger beizufügen. Auch die Kombination von ethischen Attributen mit anderen, für den Käufer leichter greifbaren Vorteilen – etwa besserer Geschmack durch die Verwendung von Bio-Zutaten – ist erfolgsversprechend. Fehlt es an derartigen Maßnahmen, darf man vom Konsumenten nicht mehr erwarten, als er in der Kürze des Einkaufsvorgangs leisten kann, und da geraten ethische Aspekte dann eben doch leicht ins Hintertreffen.
Anmerkung: Prof. Dr. Schamp hat inzwischen einen Ruf an die Universität Mannheim erhalten.
Fairtrade-Produkte
Im Jahr 2018 wurden in Deutschland nach einer Erhebung von TransFair rund 1,6 Milliarden Euro Umsatz durch den Verkauf von Fairtrade-Produkten erzielt. Der Großteil entfällt laut dem Forum Fairer Handel auf Kaffee (32 %), Südfrüchte (10,1 %) und Textilien (8,9 %). Eine Untersuchung des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft gab den Marktanteil von Bioprodukten am Lebensmittelumsatz in Deutschland 2018 mit 5,5 % und 2017 mit 5,1 % an.