Fragen & AntwortenDie Universität Hamburg in den Medien – was stimmt, was stimmt nicht?
29. Oktober 2019, von Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Foto: UHH/Denstorf
Die Vorkommnisse rund um die Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit von Prof. Dr. Bernd Lucke sowie die Diskussion um Politikerinnen und Politiker und ihre Auftritte an der Universität Hamburg haben sowohl die Studierenden als auch die Mitarbeitenden der Universität sowie die Medien beschäftigt. Die Leitung der Universität wurde mit vielen Fragen konfrontiert, die hier gebündelt aufgegriffen und beantwortet werden sollen.
1. Ist das Recht auf Meinungsfreiheit von Prof. Dr. Lucke Recht von den Störungen betroffen?
Prof. Lucke ist als Wissenschaftler und Lehrkraft an die Universität Hamburg zurückgekehrt, nicht als Politiker. Es ist seine Aufgabe, Wissen zu vermitteln, persönliche (politische) Meinungen sind nicht Gegenstand seiner Lehrverpflichtung. Im Grundgesetz ist festgehalten „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“ Daher ist von den Störungen Prof. Dr. Luckes Wissenschaftsfreiheit betroffen, nicht die Meinungsfreiheit.
2. Inwiefern setzt sich die Universität mit der Kritik auseinander, dass die wissenschaftliche Freiheit in der Lehrveranstaltung von Prof. Dr. Lucke nicht gewährleistet werden konnte?
Der Akademische Senat der Universität hat sich auf Vorschlag des Präsidenten bereits in seiner Sitzung vom 12. September 2019 darauf geeinigt, eine Arbeitsgruppe zur Befassung mit dem Schutz der wissenschaftlichen Freiheit einzuberufen. Die Störungen von Lehrveranstaltungen und öffentlichen Vorträgen an deutschen Universitäten sind kein Einzelfall. Aus diesem Grund hat der Akademische Senat der Universität Hamburg eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die unter dem Vorsitz eines Verfassungsrechtlers die entsprechenden Ereignisse dokumentieren, analysieren und Empfehlungen zur künftigen Sicherung des Art. 5, Abs. 3 GG entwickeln soll. Des Weiteren plant die Universität Hamburg aus diesen Anlässen die Durchführung einer öffentlichen Veranstaltungsreihe zu dem gleichen Thema.
Der Präsident hat die Arbeitsgruppe zu einer konstituierenden Sitzung eingeladen, deren Gegenstand auch die Auseinandersetzungen um die erste Vorlesung von Prof. Dr. Lucke sein wird.
Ganz klar ist die Universitätsleitung der unverrückbaren Auffassung, dass Störungen mit dem grundgesetzlich garantierten Schutz der Freiheit von Wissenschaft nicht zu vereinbaren sind. Die Instrumente des Meinungsstreits an einer Universität sind das Argument, der Diskurs und der Versuch der Konsentierung, nicht die Ausübung von wie auch immer gearteter Gewalt.
Hier ist auch ein Artikel von Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Lenzen zum Thema: Differenzieren! Die Debatte um Wissenschafts- und Meinungsfreiheit an Hochschulen.
Die Durchführung freier wissenschaftlicher Lehre gehört zu den grundgesetzlich garantierten Pflichten und Rechten jedes Hochschullehrers und jeder Hochschullehrerin. Der Staat ist verpflichtet, die Durchsetzung dieser Rechte grundsätzlich zu gewährleisten.
3. Stimmt es, dass die Universität sich nicht ausreichend bemüht hat, Prof. Luckes Vorlesungen zu schützen?
Nein, das stimmt nicht. In Vorbereitung auf die erste Vorlesung erklärte Prof. Dr. Lucke ausdrücklich, keinen Personenschutz zu wünschen. Erst bei der zweiten Vorlesung sind in Abstimmung mit Prof. Lucke Sicherungsmaßnahmen wie Einlasskontrollen und Personenschutz erfolgt. Die Universität hat dazu drei Sicherheitsdienste beauftragt, die trotz aufwändigem Einsatz von Sicherheitskräften der Gewalt der teilweise vermummten Störer nicht standhalten konnten.
4. Stimmt es, dass die Universität es unterlassen hat, die Polizei einzuschalten?
Nein, das stimmt nicht. Die Universität stand bereits lange vor der ersten Vorlesung von Prof. Dr. Lucke im Austausch mit der Polizei. Das Präsidium der Universität Hamburg hatte im Vorfeld zur zweiten Vorlesung Sport- und Innensenator Andy Grote außerdem einen Brief geschickt, in dem es u.a. heißt: „Ich ersuche Sie deshalb darum, der Polizeiführung zu erlauben, wie bisher mit der Hochschulleitung zusammenzuarbeiten und präsent zu sein und dies gegebenenfalls auch zu zeigen.“
5. Warum hat die Universität nicht für einen störungsfreien Ablauf der ersten Veranstaltung am 16.10.2019 gesorgt und u. a. die Hausordnung konsequent durchgesetzt? Und warum ist es nicht gelungen, die zweite Vorlesung am 23.10.2019 durchführen zu lassen?
Die Universität hat, auch im Beisein und unter Mitwirkung von Prof. Dr. Lucke, mit der Polizei kommuniziert und die Verfahrensweise abgestimmt. Die Störungen dann zu unterbinden, womöglich mit Gewalt, war und ist aus Sicht der Hochschule angesichts des Ausmaßes der Anwesenheit von universitätsfremden Personen mit den Mitteln einer Universität weder zu leisten noch ist eine Gewaltanwendung angemessen. Die Universitätsleitung war stets im Kontakt mit der Polizei.
Um die zweite Veranstaltung am 23. Oktober 2019 von Prof. Dr. Lucke möglichst störungsfrei durchführen zu können, wurde unter erheblichem finanziellen und personellem Aufwand ein privater Sicherheitsdienst engagiert, der vor dem Vorlesungssaal Einlasskontrollen durchgeführt hat. So sollte im Rahmen der Möglichkeiten einer Universität sichergestellt werden, dass nur jene Studierenden die Vorlesung besuchen, die sich auch dafür angemeldet haben. Ferner hatten diese Studierenden auch die Möglichkeit, der Vorlesung in einem Live-Stream (digital) zu folgen. Darüber wurden die Studierenden im Vorfeld informiert.
Die Vorlesung musste allerdings, nachdem sie etwa 45 Minuten lang störungsfrei stattfinden konnte, abgebrochen werden, da sich Störer gewaltsam Zutritt zum Vorlesungssaal verschafft hatten. Prof. Dr. Lucke wurde daraufhin von privaten Sicherheitskräften in Sicherheit gebracht.
Gegen die Anwendung von Gewalt kann eine Universität nichts ausrichten. Bei dem Versuch, die Vorlesung von Prof. Dr. Lucke gegen teilweise vermummte Störer zu sichern, die sich gewaltsam Zutritt verschafften, wurden zwei Sicherheitskräfte verletzt.
Das Präsidium stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die Herstellung von Sicherheit und Ordnung nicht zu dem Bildungsauftrag einer staatlichen Wissenschaftsorganisation gehört, die damit an ihre Grenzen gerät. Es ist vielmehr Aufgabe der Politik, deutschlandweit die Bedingungen herzustellen, dass die Universitäten und die Wissenschaften ihren grundgesetzlichen Auftrag erfüllen können.
6. Hat die Universitätsleitung im Vorfeld der Veranstaltungen mit Prof. Dr. Lucke gesprochen?
Lange im Vorfeld vor der ersten Vorlesung hat die Universität mit Prof. Dr. Lucke und der Polizei, auch mehrfach, die Verfahrensweise abgestimmt. Darüber hinaus wurde Prof. Dr. Lucke vor den Vorlesungen darüber informiert, dass er als Veranstalter die Verantwortung trägt und im Falle von Überfüllung die Veranstaltung ggf. abzubrechen hat. Dieser Empfehlung ist Prof. Dr. Lucke bei der ersten Vorlesung am 16.10.2019 nicht gefolgt, sondern er ist vielmehr im Raum verblieben, indem er sich unter die Studierenden seiner Vorlesung gesetzt hat.
7. Wird es strafrechtliche Konsequenzen für universitätsfremde Personen geben, die sich am 16.10.2019 im Hörsaal befunden haben sowie gegen die Störer, die sich am 23.10.2019 gewaltsam Zutritt verschafft haben?
Es sind Anzeigen gegen Unbekannt wegen Sachbeschädigung, Beleidigung, Nötigung und anderer in Frage kommender Delikte gestellt worden. Über die strafrechtlichen Konsequenzen entscheidet die Staatsanwaltschaft.
8. Sind die Störer Studierende der Universität Hamburg?
Das kann weder bestätigt noch ausgeschlossen werden. Fest steht, dass bei der ersten Vorlesung von Prof. Dr. Bernd Lucke auch zahlreiche externe Personen anwesend waren und dass bei beiden Störungen Banner der „Antifa“ präsentiert wurden. Inwieweit es sich bei den vermummten Störern, die sich am 23. Oktober 2019 gewaltsam Zutritt zur Vorlesung verschafft haben, um Studierende handelt, lässt sich durch die Universität nicht feststellen.
9. Welche Personen haben Zugang zu Lehrveranstaltungen Prof. Luckes?
Die Teilnahme an den Lehrveranstaltungen ist neben Lehrenden nur solchen Studierenden gestattet, die in dem jeweiligen Studiengang studieren und im Campussystem „STiNE“ angemeldet sind. Universitätsexterne Personen haben keinen Zugang zu den Lehrveranstaltungen.
Auch Medienvertreter können nicht zugelassen werden. Eine Akkreditierung und/oder Drehgenehmigung zur Lehrveranstaltung Prof. Dr. Luckes oder für den Bereich vor dem Veranstaltungsraum kann nicht ausgestellt werden. Vorlesungen des regulären Lehrbetriebs sind keine öffentlichen Veranstaltungen und gemäß Hamburgischem Hochschulgesetz haben nur Studierende das Recht, diese Vorlesungen zu besuchen. Zudem würde die Anwesenheit von Medienvertretern den Ablauf und die Vertraulichkeit der Vorlesung stark beeinflussen. Gleiches gilt für den Bereich vor dem Veranstaltungsraum. Die Universität hat zu gewährleisten, dass sich Studierende im geschützten Bereich der Hochschule störungsfrei bewegen können. Dazu gehört auch, dass sie in den Gebäuden der Universität nicht mit Drehaufnahmen rechnen müssen.
10. Warum wurde Prof. Dr. Lucke beurlaubt und warum wurde die Beurlaubung nicht verlängert?
Es handelte sich nicht um eine Beurlaubung. Die Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis eines in das Europäische Parlament gewählten Beamten ruhen für die Dauer der Mitgliedschaft im Parlament, ohne dass es eines Antrages auf Beurlaubung bedarf (§ 8 Abs. 3 Europaabgeordnetengesetz i.V.m. § 5 Abs. 1 Abgeordnetengesetz). Da Prof. Dr. Lucke als Hochschullehrer Beamter der Freien und Hansestadt Hamburg ist, gilt dieses auch für ihn.
Prof. Dr. Lucke kehrte nach der Europawahl 2019 wieder auf seine Professur zurück. Insofern hat er auch weiterhin die gleichen Pflichten wie jeder andere Hochschullehrer, wozu die Wahrnehmung von Aufgaben in Forschung, Lehre und akademischer Selbstverwaltung gehört. Seine Ausstattung entspricht dem, was für die Ausführung der Aufgaben erforderlich ist. Die Lehrverpflichtung umfasst entsprechend der Lehrverpflichtungsverordnung zurzeit 9 Lehrveranstaltungsstunden.
11. Dürfen Politikerinnen und Politiker an der Universität Hamburg auftreten – oder nicht?
Da der Universität Hamburg die Problematik mit Veranstaltungen mit u.a. politischem oder religiösem Hintergrund in Räumen der Universität Hamburg zunehmend bewusst wurde, hat das Präsidium die Vergabemöglichkeiten für universitäre Veranstaltungen im Mai 2019 stärker eingegrenzt. In den Raumvergabestimmungen ist festgehalten, dass die Überlassung von universitären Räumen (u.a.) für „Veranstaltungen mit parteipolitischer Ausrichtung“ ausgeschlossen ist. Jeder Antrag auf Raumbuchung wird von der Verwaltung daraufhin geprüft.
Der AStA kann gemäß Hamburgischem Hochschulgesetz über Räume der Universität Hamburg verfügen, denn er ist eine selbstständige Körperschaft des Öffentlichen Rechts. Er ist ein eigenes Organ der Studierendenschaft und wird jedes Jahr vom Studierendenparlament gewählt. Er kann gemäß seines Bildungsauftrags Politikerinnen und Politiker zu Vorträgen, Diskussionen o.Ä. einladen.
12. Stimmt es, dass die Universität Hamburg Christian Lindners Vortrag abgesagt hat?
Nein. Die Liberale Hochschulgruppe hatte für eine Veranstaltung beim Tagungsmanagement um eine Raumbuchung gebeten. Dem Antrag wurde routinemäßig durch die zuständige Verwaltungsstelle nicht stattgegeben, da an der Universität Hamburg die Überlassung von universitären Räumen (u.a.) für „Veranstaltungen mit parteipolitischer Ausrichtung“ ausgeschlossen ist. Daher hatte die Universität den Vortrag nicht „abgesagt“, erst recht nicht in einem persönlichen Brief des Präsidenten, wie öffentlich behauptet wurde.