Film über das Hamburger Kolonialinstitut„Wir wollen eine Debatte anstoßen“
25. September 2019, von Felix Willeke
Foto: Daniel Kulle
Der Medienwissenschaftler Dr. Daniel Kulle hat einen Film über ein Vorgängerinstitut der Universität Hamburg gedreht: „Das Hamburger Kolonialinstitut“ feiert am 28. September 2019 auf dem Filmfest Hamburg Premiere. Im Interview erzählt er von den Recherchen und Erkenntnissen.
Herr Kulle, was hat Sie bei der Arbeit an Ihrem Film am meisten überrascht?
Eigentlich die Tatsache, dass es das Hamburgische Kolonialinstitut überhaupt gab. Vor Gründung der Universität 1919 hatte der damalige Schulsenator Werner von Melle das Institut im Jahr 1907 mit dem Ziel gegründet, Kaufleute und Beamte auszubilden. Als dann die Universität aus der Taufe gehoben wurde, wurde das Institut eingegliedert. Das könnte ein Grund sein, warum heute das Asien-Afrika-Institut oder die Ethnologie an der Universität Hamburg so gut ausgebaut sind.
Als ich mich mehr in das Thema eingearbeitet habe, erschreckten mich manche Details. Zum Beispiel Details einer Expedition, von der wir im Film erzählen: 1910/11 sind sogenannte Entdecker in den Tschad gereist und beschreiben in ihrem Bericht die Menschen mit Rassismus und Menschenverachtung, das ist heute nicht mehr vorstellbar.
Wie sind Sie als Medienwissenschaftler auf dieses Thema gekommen?
Ausschlaggebend war der 100. Geburtstag der Universität. Am Institut für Medienwissenschaften, wo ich zur der Zeit gearbeitet habe, wollten wir uns mit der Geschichte vor der Gründung auseinandersetzen. Also haben wir uns dem Thema mit dem Vorhaben genähert, es filmisch umzusetzen. Dafür sind wir in die Archive gegangen und haben nach einer Geschichte gesucht.
Was für eine Geschichte haben Sie gefunden?
Wir haben schnell gemerkt, dass es nicht die eine Geschichte gibt und deswegen erzählen wir im Film drei Geschichten. Zunächst einmal geht es um die erwähnte Expedition in den Tschad. Dann erzählen wir von einem Sprachassistenten aus Kamerun, der 1914, also kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, nach Hamburg kam, um am Vorgängerinstitut des heutigen Asien-Afrika-Instituts der Universität Hamburg zu arbeiten. Während des Kriegs saß er dann hier fest, hat aber weitergearbeitet. Drittens geht es um einen Herero-Schädel aus Namibia, damals deutsche Kolonie. Dieser wurde vor einigen Jahren in einer Sammlung im Medizinhistorischen Museums in Hamburg entdeckt und schließlich nach Namibia zurückgeführt. Die Restitutions-Debatte – also die Debatte um die Rückerstattung oder Abgeltung geraubter, enteigneter und zwangsverkaufter Kulturgüter und menschliche Überreste – ist ohnehin eine sehr aktuelle.
Wie erzählen Sie die Geschichten?
Der Film ist als ein Essay aus einer Erinnerungskultur und einer medienwissenschaftlichen Perspektive heraus entstanden. Dafür haben wir uns durch die Archive der Universitätsgeschichte, oder des ‚Museums am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt‘ und einigen anderen gegraben und dabei Filmmaterial, Fotos, Schriftstücke oder auch Tonaufnahmen gefunden. Außerdem haben wir mit sechs Personen Interviews geführt, darunter auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter anderem von der Forschungsstelle zum (post-)kolonialen Erbe an der Universität Hamburg und zwei Künstler aus Namibia, die zum Zeitpunkt des Drehs im Rahmen eines Austauschs mit der Forschungsstelle in Hamburg waren.
Ist der Film ein Teil Ihrer Forschung?
Er wurde im Rahmen meiner Forschung am Institut für Medienwissenschaften der Universität Hamburg angeschoben. Aber gedreht, geschnitten und letztendlich fertiggestellt habe ich ihn neben meiner hauptberuflichen Tätigkeit als Wissenschaftler. Deswegen bin ich auch dankbar, dass der Jubiläumsfonds der Universität Hamburg den Film mit 7.000 Euro gefördert hat.
Was kommt nach dem Film?
Wir hoffen, mit dem Film eine Debatte anzustoßen. Die hamburgische Kolonialgeschichte ist an der Universität schon sehr gut aufgearbeitet. Sei es durch die Forschungsstelle, die Universitätsgeschichte oder auch innerhalb der Institute. In der breiten Öffentlichkeit ist das Wissen über die koloniale Vergangenheit jedoch nicht sehr groß und hier hoffen wir, einen Beitrag leisten zu können.
Weitere Informationen
„Das Hamburgische Kolonialinstitut“ feiert am 28. September 2019 im Metropolis Kino im Rahmen des Filmfest Hamburg in der Sektion Hamburger Filmschau Premiere. Es ist der erste Langfilm des Medienwissenschaftlers Daniel Kulle. Voraussichtlich Ende Oktober oder Anfang November wird der Film auch an der Universität Hamburg gezeigt. Ort und Zeit stehen noch nicht fest.
Im Anschluss soll der Film noch auf einigen Filmfestivals gezeigt werden. Ob er auch in die Kinos kommt, stand zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht fest.
Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage zum Film oder auf der Seite des Filmfest Hamburg, wo auch der Trailer zu sehen ist.