Konferenz junger Meeresforscher„Wir müssen als gesamte Menschheit endlich handeln“
10. September 2019, von Hendrik Tieke
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Foto: pixabay
Vermüllung, Übersäuerung und Artensterben: Prof. Dr. Dieter Hanelt, Algenforscher an der Universität Hamburg und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Meeresforschung, hält den Zustand unserer Ozeane für alarmierend. Am kommenden Donnerstag wird er die „Youmares“- Konferenz für junge Meeresforscher eröffnen. Im Interview erklärt er, welche Maßnahmen zum Schutz der Meere wichtig sind.
Herr Hanelt, immer wieder wird vor dem „Kippen“ des Ökosystems Meer gewarnt. Müssen wir uns Sorgen machen?
Wir müssen uns nicht nur Sorgen machen. Wir müssen als gesamte Menschheit endlich handeln. Es steht nämlich überhaupt nicht gut um die Meere dieser Welt: Wir treiben Raubbau an ihren Ressourcen und zerstören Jahrtausende alte Ökosysteme.
Welche Ressourcen meinen Sie vor allem?
An erster Stelle ist da unsere Nahrung zu nennen. Wir überfischen die Ozeane derart, dass wir in immer entlegenere Gebiete ausweichen. Warum kommen bei uns Alaska-Seelachs, Pangasius oder Pazifik-Krabben auf den Teller? Weil wir die Fischbestände in Nord- und Ostsee schon nachhaltig dezimiert haben.
Wie sieht es mit anderen Ressourcen aus?
Auch unser Rohstoffhunger vernichtet die Ressourcen der See. Ein Beispiel: Phosphat wird durch den Abbau des Apatit-Gesteins gewonnen und dann in Form von Kunstdünger auf unseren Feldern verteilt. Große Teile dieses Rohstoffes werden nach dem Düngen in die Flüsse geschwemmt und gelangen damit zurück in die Ozeane – allerdings als gelöste Stoffe in Form von Salz-Ionen, die in den Wassermassen der Ozeane regelrecht verschwinden. Dieses Phosphat werden wir wegen der hohen Verdünnung nie wieder zurückgewinnen können. Und das gilt für sehr viele Rohstoffe, die wir vom Meeresboden holen.
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Ist die Verschmutzung der Meere auch so dramatisch?
Im Pazifik treibt ein Plastikmüll-Strudel, der größer ist als Deutschland, Frankreich und Spanien zusammen. Der große Müllstrudel im Atlantik ist nur unwesentlich kleiner. In Asien und Lateinamerika gehen Mangrovenwälder und Küstensümpfe zugrunde, weil der Müll die dortigen Pflanzen regelrecht erstickt. Wale, Fische und Vögel fressen Müll und verhungern, weil er in ihrem Magen verbleibt.
Welche Folgen hat der Müll in den Ozeanen für uns Menschen?
UV-Strahlung und Abrieb setzen immer mehr Mikroplastik aus diesem Müll frei. Diese winzigen Partikel werden von Meeresbewohnern mit der Nahrung aufgenommen oder bleiben an ihren Kiemen hängen. Sie können dadurch Krebs oder Stoffwechselstörungen bekommen und vermehren sich weniger. Und wir wiederum essen diese Meeresbewohner und nehmen dadurch selber das schädliche Mikroplastik in uns auf. Das Problem ist: Plastik braucht Jahrhunderte, um sich zu zersetzen. Allein der Müll, den es jetzt schon in den Ozeanen gibt, wird noch jahrhundertelang neues Mikroplastik produzieren.
Was hat es mit der Warnung vor der Übersäuerung der Meere auf sich?
Der immense CO2-Ausstoß der Menschen hat den pH-Wert des Wassers in vielen Meeren absinken lassen, denn diese nehmen CO2 auf. Organismen mit Kalkhüllen – darunter viele Algen- und Korallenarten – leiden schwerwiegend darunter. Sie sind zum Teil am Anfang großer Nahrungsketten, die dann verschwinden. Die Artenvielfalt der Meere sinkt dadurch. Und Regionen mit weniger Arten sind biologisch instabiler: Wenn dort eine einzelne Art Probleme hat, stört das gleich das gesamte ökologische Gleichgewicht.
Trägt auch der Temperaturanstieg der Ozeane zum Artensterben bei?
Wegen des menschengemachten Klimawandels steigt die Wassertemperatur der Ozeane. Viele Arten, die nur in kälterem Wasser überleben können, werden dadurch aussterben – wärmeliebende Arten werden sie verdrängen. Der Anstieg der Wassertemperaturen hat noch weitere Folgen: Er trägt zum Schmelzen der Polkappen bei, was den Anstieg der Meeresspiegel verstärkt. Wenn der so weiter geht wie bisher, werden hunderte Millionen von Menschen ihre Lebensräume an den Küsten verlassen müssen.
Was können wir tun, um diese Entwicklungen zu bremsen?
Zunächst einmal all das, was hilft, den Klimawandel zu bremsen: Energiesparend und nachhaltig leben, erneuerbare Energien fördern und klimaschädliche Technologien abschaffen. Was nun spezifisch den Schutz der Meere betrifft, gilt es, Plastik in seiner heutigen Form zu vermeiden, Fabrik- und kommunale Abwasserflüsse mit chemischen oder biologischen Filtern auszustatten, nachhaltige Fischerei zum Standard zu machen und Ressourcen aus dem Meer zu recyceln.
Zwei Dinge stehen uns dabei allerdings im Wege: Zum einen wird es sicherlich Jahrzehnte oder länger dauern, bis es solche Standards weltweit geben wird. Zum anderen wächst die Weltbevölkerung – vor allem in den Ländern, in denen es wenig Bewusstsein für Nachhaltigkeit gibt oder denen die Mittel für eine nachhaltige Gesellschaft fehlen. Die meisten neuen Erdenbürger werden also in Zukunft erst einmal dazu beitragen, die Situation noch zu verschlimmern. Darauf müssen wir uns einstellen.
Youmares
Youmares ist die größte deutsche Konferenz für junge Wissenschaftler zum Thema Weltmeere. Sie wird in Kooperation mit der Universität Hamburg veranstaltet. Vom 11. bis 13. September treffen Biologen, die die Artenvielfalt der Ozeane untersuchen, auf Physiker, die Strömungen und Winde erforschen. Chemiker, die die Zusammensetzung des Meereswassers analysieren, begegnen hier Ingenieuren, die Unterwasserfarmen und Solarboote entwickeln. Auf der Konferenz präsentieren die Nachwuchswissenschaftler ihre Arbeiten und bekommen Feedback von etablierten Forschern.