Der Klimawandel ist keine Glaubenssache
27. September 2019, von Christina Krätzig
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Die Auseinandersetzungen zwischen Klimaaktivistinnen und -aktivisten und Menschen, die den Klimawandel leugnen, werden schärfer. Die Universität Hamburg besitzt seit vielen Jahren besondere Expertise in der Klimaforschung, bereits zum dritten Mal konnte sie ein Exzellenzcluster auf diesem Gebiet einwerben. Hier finden Sie Fakten, die fünf häufig bemühte Mythen entkräften.
Mythos Nr. 1: Einen globalen Temperaturanstieg kann man gar nicht messen; es gibt nicht genug Messpunkte.
Stimmt nicht. Denn: Forschende greifen auf viele verschiedene Quellen zurück, um das Klima der Vergangenheit zu rekonstruieren. Verstreut über die ganze Welt haben Menschen die Temperaturen jahrhundertelang aufgezeichnet, häufig anhand von indirekten Indikatoren. Eine der längsten Zeitreihen über den Beginn der japanischen Kirschblüte reicht bis ins Jahr 800 n. Chr. zurück. Die Ausdehnung des Meereises in der Arktis lässt sich anhand von Logbüchern von Walfängern rekonstruieren. Eine weitere Quelle ist die Natur selbst: Baumringe, Sedimentablagerungen oder Fossilien spiegeln das Klima der Vergangenheit wider. „Dass es nicht ausreichend Daten gebe, ist eine unhaltbare Behauptung – für historische Zeiträume ebenso wie für die jüngere Vergangenheit. Allein aus dem Stadtgebiet Hamburg existieren für das 20. Jahrhundert neun Messreihen“, fasst Statistik-Experte Dr. Christian Franzke vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg zusammen.
Mythos Nr. 2: Der derzeitige Klimawandel ist natürlich und nicht vom Menschen verursacht. Das Klima hat auch in der Vergangenheit geschwankt.
Tatsächlich hat das Klima schon immer geschwankt. Seit der letzten Eiszeit vor mehr als 10.000 Jahren ist die globale Temperatur um rund 5 °C gestiegen. Tiere und Pflanzen hatten also mehrere tausend Jahre Zeit, sich anzupassen. In den vergangenen 150 Jahren geht es plötzlich ganz schnell: Die globale Mitteltemperatur hat sich in diesem kurzem Zeitraum um etwa 1 °C erhöht. So schnell können sich Tiere, Pflanzen und Gesellschaften nicht anpassen. Zudem hat sich das Klima der Erde in den vergangenen zwei Jahrtausenden nie an so vielen Orten gleichzeitig erwärmt wie derzeit. Der aktuelle Temperaturanstieg betrifft 98 Prozent der Erdoberfläche. Fazit: „Die natürliche Erwärmung reicht nicht aus, um den starken und schnellen Anstieg der globalen Temperatur im vergangenen Jahrhundert zu erklären. Der ist nur durch die sogenannte anthropogene Erwärmung erklärbar – also durch die Erwärmung, die der Mensch verursacht“, so Franzke.
Mythos Nr. 3: Der Treibhauseffekt kann den Klimawandel nicht verursachen, weil er ein natürlicher Vorgang ist.
Der Treibhauseffekt ist tatsächlich ein natürlicher Vorgang. Ohne ihn wäre Leben auf der Erde unmöglich; er erhöht die globale Mitteltemperatur um 33 °C von minus 18 auf plus 15 °C. Zu den Treibhausgasen, welche die Temperaturen auf der Welt beeinflussen, gehören Kohlendioxid, Methan und Wasserdampf. Aber: Es ist weiteres CO2 hinzugekommen. „Seit Beginn der Industrialisierung verbrennen die Menschen Kohle, Erdöl oder Erdgas. Diese enthalten Kohlenstoff, der als Treibhausgas Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt und den Treibhauseffekt in gefährlichem Maß verstärkt“, erklärt Prof. Dr. Detlef Stammer, Sprecher des Exzellenzclusters „Climate, Climatic Change, and Society“.
Mythos Nr. 4: Man weiß gar nicht genau, wie Treibhausgase wirken.
„Bereits vor hundert Jahren hat der schwedische Physiker und Chemiker Svante August Arrhenius theoretisch berechnet, wie sich die Erhöhung der Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre auswirken wird, und steigende Temperaturen vorhergesagt“, sagt Prof. Stammer. Heute ist die Wirkungsweise von Treibhausgasen nicht nur verstanden, sondern auch durch Satellitenmessungen nachweisbar: Die Sonne strahlt Energie in Form von Licht zur Erde. Die Erdatmosphäre lässt diese Strahlung größtenteils durch. Dann strahlt die Erde Energie in Form von Wärme zurück. Treibhausgase behindern diese Rückstrahlung ins All.
Und zum Abschluss noch eine gängige Vorstellung der Klimaskeptikerinnen und -skeptiker: Der Klimawandel betrifft nur andere Kontinente, nicht den eigenen – und das auch erst in ferner Zukunft.
Diese Vorstellung ist falsch. Der Klimawandel ist da; auch hier in Europa. So ist beispielsweise der Meeresspiegel seit 1880 im weltweiten Durchschnitt um 25 Zentimeter gestiegen. Das betrifft auch Hamburg: Die Hansestadt hat ihre Deiche gerade erst um 80 Zentimeter erhöht. Die Häufungen von Extremwettereignissen wie Starkregenfällen, Hitzewellen und Dürreperioden in den vergangenen Jahren sind ebenfalls Folgen des Klimawandels. Dass wir sie im Alltag vergleichswenig wenig bemerken, ist eine Folge unseres Wohlstands: Anders als ärmere Länder können wir uns schützen, indem wir Deiche bauen oder Ernteausfälle durch Lebensmittelimporte aus dem Ausland kompensieren.
Weiter Informationen
Fragen und Antworten rund um das Thema Klimawandel finden Sie auf der Webseite „Klimawandel: Fragen und Antworten“ des Exzellenzclusters CLICCS.