„Verschwindet der Wald, verändern sich Klima und Niederschläge des ganzen Kontinents“
27. August 2019, von Christina Krätzig
Foto: NASA/FIRMS
Jeden Sommer legen Farmer im Amazonas-Becken Feuer, um Flächen für die Landwirtschaft zu gewinnen. Aktuell lodern Tausende Waldbrände, die außer Kontrolle geraten sind. Warum der Wald als Kohlenstoff-Speicher und Regen-Lieferant so wichtig ist und wie durch seine Rodung Wüsten entstehen können, erklärt die Brasilianerin Debora Ferreira Pestana, die am Institut für Holzwissenschaften der Universität Hamburg promoviert.
Frau Pestana, wie wichtig ist der Amazonas Regenwald für das Klimasystem der Erde?
Der Amazonas-Regenwald ist der größte Wald der Erde und immens wichtig für das Klima. Und zwar aus zwei Gründen: Zum einen speichert seine Biomasse Kohlenstoff, welches durch Feuer oder Zersetzung als Treibhausgas Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangen kann. Allein durch die Waldbrände in diesem Sommer werden 220 Millionen Tonnen Kohlendioxid frei: Das ist mehr, als die gesamten Niederlande jährlich emittieren. Würde der Wald gänzlich zerstört, würde sich das das Klima auf der ganzen Erde ändern. Der Klimawandel wäre dann wohl nicht mehr zu bremsen.
Ein zweiter Aspekt ist die Feuchtigkeit, die der Regenwald produziert. Seine Bäume nehmen Grundwasser auf und geben es über die Blätter ab. Der so entstehende Regen fällt nicht nur über dem Wald selbst, sondern auch in anderen Regionen in Süd- und Nordamerika. Wenn der Wald ganz oder teilweise verschwindet, verändern sich die Niederschlagsmuster auf dem gesamten Kontinent. Forschende haben berechnet, dass südlich des Amazonas-Beckens vermehrt Steppen oder sogar Wüsten entstehen könnten.
Was ist mit dem Sauerstoff, den der Wald produziert?
Diesen Sauerstoff nimmt der Wald direkt wieder auf. Anders als viele meinen, sind nicht die Wälder die Lunge unseres Planeten, sondern die Ozeane. Sie produzieren etwas die Hälfe des auf der Erde benötigten Sauerstoffs.
Können sich die verbrannten Waldflächen wieder regenerieren?
Noch können sie das, aber bald wird dies nicht mehr der Fall sein. In Brasilien wurden bereits 16 bis 20 Prozent des Regenwalds zerstört. Experten schätzen, dass der „Point of no return“ zwischen 25 und 40 Prozent Zerstörung liegt. Dann bricht der Wasserkreislauf des Waldes zusammen. Zudem wird der Boden weggespült oder weggeweht und verliert seine Fruchtbarkeit. Auf Brachflächen kann kein junger Wald mehr nachwachsen.
Ein weiterer Aspekt ist der Verlust von Biodiversität. Die Artenvielfalt am Amazonas ist unvorstellbar. Viele Arten kommen nur in kleinen Gebieten vor. Werden diese zerstört, verschwinden solche „endemischen Arten“, ohne dass ein Mensch es bemerkt.
Warum brennt der Wald eigentlich?
Der Wald brennt, weil Menschen ihn in Brand gesetzt haben. Das muss man ganz klar sagen: Im tropischen Regenwald gibt es keine natürlichen Brände. Farmer fällen die Bäume, lassen das gerodete Areal trocknen und stecken es am Ende der Trockenzeit in Brand, um Flächen für die Landwirtschaft zu gewinnen: für Viehweiden und Äcker, auf denen Soja angebaut wird. Zum Teil kündigen sie solche Aktionen offen an, beispielsweise den „Tag des Feuers“ am 10. August. An diesem Tag wurden Dutzende neuer Brände gelegt.
Und das ist legal?
Das ist nicht legal. Große Teile des Regenwaldes stehen unter Schutz. Überall in Brasilien gibt es Gesetze, die die Natur schützen sollen. So müssen Farmer grundsätzlich einen bestimmten Prozentsatz ihres Lands in seinem ursprünglichen Zustand belassen – im Regenwald 50 Prozent. Das Problem ist, dass die Gesetze nicht eingehalten werden. Die Agrarlobby ist mächtig und es gibt viel Korruption. Im Wahlkampf hat Präsident Jair Bolsonaro angekündigt, dass er den Regenwald „entwickeln“ und die dort lebenden indigenen Völker enteignen will. Die Farmer haben verstanden, dass sie nichts zu befürchten haben, wenn sie geltende Gesetze missachten.
Was können die Menschen in Brasilien oder in Europa tun, um den Wald zu schützen?
In Brasilien setzt langsam ein Umdenken ein. Der Rauch der Waldbrände ist bis in die Großstädte im Süden des Landes zu sehen, 3000 Kilometer vom Amazonas entfernt. Das schreckt die Menschen auf, ebenso wie die weltweite Empörung über die Zerstörung der Natur. Und die brasilianische Agrarindustrie ist ja auch abhängig von ihren Exporten. Würde Europa aufhören, brasilianisches Rindfleisch oder im Regenwald angebautes Soja zu importieren, müsste sie ihr Verhalten ändern.
Ist jetzt auch beim brasilianischen Präsidenten ein Umdenken zu beobachten?
Ich fürchte: nein.
Weiter Informationen
Fragen und Antworten rund um das Thema Klimawandel finden Sie auf der Webseite „Klimawandel: Fragen und Antworten“ des Exzellenzclusters CLICCS.