Gemeinsame SpurensucheUniversität Hamburg und Kunstmuseum Bern wollen Herkunft von 400 Gurlitt-Bildern klären
1. Juli 2019, von Christina Krätzig
Foto: UHH/Krätzig
Am 1. Juli beginnt eine einjährige Kooperation zwischen der Universität Hamburg und dem Kunstmuseum Bern, dem heutigen Besitzer der ehemaligen Kunstsammlung von Cornelius Gurlitt. Gemeinsam wollen die beiden Institutionen die Herkunft von rund 400 Bildern klären, die 1937 vermutlich aus Museen entwendet wurden. Die Universität Hamburg besitzt in der Provenienzforschung besondere Expertise: Sie hat Deutschlands erste Professur in diesem Bereich geschaffen und unterhält seit 2004 die Forschungsstelle Entartete Kunst.
Otto Dix, Paul Klee, Emil Nolde – es befinden sich viele große Namen unter den Urhebern der 1280 Kunstwerke, die im Februar 2012 in der Wohnung des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt beschlagnahmt wurden. Bei vielen besteht der Verdacht, dass ihre Eigentümer sie nicht freiwillig hergegeben haben, so auch bei den rund 400 Werken, die vermutlich in der Aktion „Entartete Kunst“ aus deutschen Museen entwendet wurden. Das Kunstmuseum Bern hat sich zur Klärung verpflichtet, als es die Kunstsammlung 2014 geerbt hat.
Die Nationalsozialisten plünderten mehr als 100 Museen
„Die Beschlagnahmungen in den Museen ist rasend schnell gegangen“, erklärt Prof. Dr. Gesa Jeuthe von der Universität Hamburg die Probleme bei der Herkunftsklärung dieser Bilder. „Was aus den Museen entwendet wurde, ist oft nur nachlässig erfasst worden, teilweise gingen Listen im Krieg verloren.“ Fotos existieren nur in Ausnahmefällen, oft sind nicht einmal die Maße bekannt. „Und Gemälde tragen oft wenig aussagekräftige Titel wie ,Landschaft mit Bäumen‘, die kaum einen Wiederkennungswert haben“, setzt Jeuthe hinzu.
Ab Juli wird die Provenienzforscherin zusammen mit dem Kunstmuseum Bern versuchen, die Geschichte von etwa 400 vermutlich aus Museen stammenden Bildern zu entschlüsseln. Im Rahmen der Kooperation finanziert das Kunstmuseum für ein Jahr die Stelle einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin in Hamburg.
Grundlagenforschung und die Arbeit am einzelnen Bild müssen sich ergänzen
Die Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen an einer Universität und Mitarbeiterinnen eines Museums biete neue Möglichkeiten, betont die Professorin. „Museen gehen zunächst einmal vom Werk aus. Dabei suchen sie nach Inventarnummern oder Stempeln, die Aufschluss über vorherige Besitzer geben können, oder über die Zugehörigkeit zu einer Sammlung oder eine beschlagnahmten Serie.“ Sie weiß, wovon sie spricht: Vor ihrer Berufung hat Jeuthe selbst zehn Jahre im Auftrag von Museen gearbeitet.
„An der Universität betreiben wir eher Grundlagenforschung: Wir untersuchen den Kunsthandel jener Zeit, durchforsten die Akten des Propagandaministeriums, Inventarlisten oder Briefwechsel von Händlern, um beschlagnahmten Werken auf die Spur zu kommen. Eine Vorgehensweise, wie sie die Forschungsstelle Entartete Kunst seit vielen Jahren betrieben hat.“
Museen haben keinen Anspruch auf Restitution
Bisher konnten nur wenige Vorbesitzer von Kunstwerken aus der Gurlitt Sammlung identifiziert werden. Das soll sich nun ändern: Bis zum Sommer 2020 wollen Jeuthe und ihre Kolleginnen für rund 400 Werke klären, ob diese als „entartet“ aus Museen entfernt wurden. Da diese keinen Anspruch auf eine Rückerstattung haben, könnten die Bilder in diesem Fall zukünftig im Kunstmuseum Bern bleiben.