17 Grad im Februar – Zufall oder schon der Klimawandel?
21. Februar 2019, von Felix Willeke
Foto: UHH
Die hohen Temperaturen der letzten Tage könnten ein Anzeichen für den fortschreitenden Klimawandel sein. Denn dieser bedeutet insgesamt extremeres Wetter, sagt die Geografin Prof. Dr. Beate Ratter von der Universität Hamburg.
Prof. Dr. Beate Ratter spricht im Interview auch über die langfristige Entwicklung des Klimas und die Folgen für Norddeutschland.
Am 18. Februar wurden in Hamburg fast 17 °C gemessen. Ist diese hohe Temperatur so früh im Jahr ein Anzeichen für den Klimawandel oder einfach nur ein Wetter-Ausreißer?
Ob die höheren Temperaturen in den letzten Tagen ein Wetter-Ausreißer oder doch dem Klimawandel geschuldet sind, lässt sich nur schwer beweisen. Aber fest steht, wenn die Polkappen weiter schmelzen und sich die Lufttemperatur weiter erhöht, hat das destabilisierende Effekte auf das Wettergeschehen.
Es ist davon auszugehen, dass die zunehmende Erwärmung zu veränderten Wettermustern führt. Höhere Temperaturen bedeuten mehr Energie im System Klima. Das wirkt sich ebenso auf die Wasserzirkulation in den Meeren wie auf die Luftzirkulation in der Atmosphäre aus. Ein verändertes Sturmgeschehen und die Temperaturen der letzten Tage können Folgen davon sein. Auf die jahreszeitlichen Mittel der vergangenen Jahrzehnte können wir uns nicht mehr verlassen.
Ein Rekord-Sommer 2018 und ein relativ milder Winter 2018/19. Gehören in Zukunft Schnee im Winter und viel Regen im Sommer in Norddeutschland der Vergangenheit an?
Das lässt sich nicht pauschal sagen. Klimawandel heißt eben nicht gleichmäßige globale Erwärmung und sonnigere Sommer in Norddeutschland. Es bedeutet vielmehr Veränderungen des komplexen Systems Klima: Veränderungen in der Atmosphäre, im Wasserkreislauf und als Folge in der Fauna und Flora. Ein Beispiel für eine mögliche Klimaveränderung ist die atlantische Meeresströmung: Wenn diese sich abschwächt, könnte das zu einem dauerhaften Kälteeinbruch in Europa führen. Viele Szenarien sind denkbar.
Insgesamt wird das Wetter extremer. Es werden immer noch viel Treibhausgase ausgestoßen, dadurch können die jährlichen Temperaturschwankungen weiter zunehmen. Das begünstigt wiederum Extremwetterereignisse und das heißt dann: mehr und auch extremere Stürme, in einigen Regionen mehr Kälte und weniger Regen, woanders wiederum mehr Wärme und mehr Niederschlag.
Laut Robert-Koch-Institut wandern die Zecken immer weiter in den Norden, so wurde kürzlich der erste niedersächsische Landkreis zum Risikogebiet für die Hirnhautentzündung FSME erklärt. Auf welche Veränderungen müssen wir uns in Norddeutschland im Zuge des Klimawandels noch einstellen?
Wenn sich Klima verändert, passt sich die Natur an. Das bedeutet, dass man sich auf eine Ausbreitung von Krankheitserregern – wie beispielsweise der Zecke – in bislang ungewohnten Gebieten einstellen muss. Des Weiteren ist in Norddeutschland langfristig beispielsweise die Fischereiwirtschaft betroffen. Die Fischpopulation ändert sich: Wenn es immer wärmer werden sollte, ziehen kälteliebende Arten weiter nach Norden und wärmeliebende Arten rücken nach. Dann fangen wir in der Nordsee Sardinen.
Insgesamt muss sich Norddeutschland auf einige Veränderungen einstellen. Die größere Energie im System Wetter bedeutet eventuell auch höhere Sturmfluten und demnach mehr Druck auf flache Küsten. Wenn dann auch noch mehr Regen fällt, die Böden gesättigt sind und zusätzlich die Flüsse aus dem Hinterland Wasser herantragen, dann werden Überschwemmungen zu einem vielfältigen Problem. Der Klimawandel bedeutet für Norddeutschland Wasser aus allen Richtungen, nicht nur vom Meer.
Würden Sie den Klimawandel als „menschengemacht“ bezeichnen oder als natürliche Entwicklung sehen?
Den „menschengemachten“ Klimawandel zu leugnen kann heute als ignorant bezeichnet werden. Die Ausreden, dass das natürliche Klima immer geschwankt hat, hat mit den Entwicklungen der vergangenen 100 Jahre nichts mehr zu tun. Die Konzentration von schädlichen Klimagasen in der Atmosphäre lassen sich ohne Emissionen nicht mehr erklären.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Beate Ratter forscht an der Universität Hamburg im Bereich Integrative Geographie und ist Leitautorin im IPCC Sonderbericht zu Meeren und Eisflächen der Erde. Das IPCC ist das Intergovernmental Panel on Climate Change (Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen) und wird auch oft als Weltklimarat bezeichnet. Der Bericht zu Meeren und Eisflächen der Erde wird voraussichtlich im September 2019 erscheinen.
Der Exzellenzcluster CliCCS
Der Exzellenzcluster „Climate, Climatic Change, and Society (CliCCS)“ hat das Ziel, Klimaveränderungen zu verstehen. Dabei bezieht es die die natürlichen Klimaänderungen, extreme Ereignisse und unerwartete Effekte mit ein. Es spannt einen großen thematischen Bogen: von der Grundlagenforschung zur Dynamik des Klimasystems und zu sozialen Dynamiken bis hin zur transdisziplinären Untersuchung der Wechselwirkungen von Mensch und Umwelt. Die übergreifende Forschungsfrage lautet: Welche Klimazukünfte sind möglich und welche sind plausibel?
Weitere Inforamtionen finden sie auf der Homepage des CliCCS.