Digitale SemesterapparateNeues Gesetz zum Urheberrecht in der Wissenschaft tritt am 1. März 2018 in KraftWas sich ändert und was bleibt
13. Februar 2018, von Giselind Werner
Foto: UHH/Dingler
Wird es bei der Pauschalvergütung für digitale Semesterapparate bleiben oder droht allen Lehrenden die systematische Einzelerfassung der für Studierende zur Verfügung gestellten Literatur? Das vom Bundestag 2017 verabschiedete Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz (UrhWissG), das am 1. März in Kraft tritt, schafft endlich eine Lösung in der Vergütungsfrage – weitestgehend zu Gunsten der Wissenschaft.
Es darf entwarnt werden: Es bedarf bis auf weiteres keiner Einzelmeldung an die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort), wie es seit 2016 – nach Schließung eines Rahmenvertrags zwischen Kultusministerkonferenz (KMK) und VG Wort – wiederholt im Raum stand.
Ab 1. März 2018 tritt ein neues Urheberrecht in der Wissenschaft (Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz) in Kraft, das das bisherige Urheberrechtsgesetz modifiziert und die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke im digitalen Zeitalter regelt.
Neue Schrankenregelungen
Das neue Gesetz soll die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke für Forschung und Lehre deutlich vereinfachen, indem bestimmte Formen der Nutzung ohne Einwilligung des Rechteinhabers bzw. der Rechteinhaberin erfolgen können. Man spricht auch von „Schrankenregelungen“, da das Recht des Urhebers bzw. der Urheberin für die im Gesetz definierten Zwecke eingeschränkt wird. Gleichwohl muss der Urheber bzw. die Urheberin für die Nutzung angemessen entlohnt werden.
Die wichtigsten neuen Regelungen in Kürze
§ 60a UrhG erlaubt es, für die nicht kommerziellen Zwecken dienende Lehre an Bildungseinrichtungen (z.B. Schulen und Hochschulen) grundsätzlich bis zu 15% eines urheberrechtlich geschützten Werkes zu nutzen (digitalisieren, herunterladen, ausdrucken etc.).
Abbildungen, Beiträge aus wissenschaftlichen Fachzeitschriften, Werke geringen Umfangs (Text bis 25 Seiten, Musik und Film bis 5 Min.) sowie vergriffene Werke (welche seit 2 Jahren durch den Fachhandel nicht mehr lieferbar sind) dürfen vollständig genutzt werden. Artikel aus allgemeinen Presseerzeugnissen (z.B. ZEIT, FAZ) und Publikumszeitschriften dürfen nur mit 15 % genutzt werden.
§ 60b UrhG erleichtert die Herstellung von Unterrichts- und Lehrmedien, indem aus mehreren urheberrechtlich geschützten Werken 10% entnommen werden können, um Lehrmaterial für die nicht kommerziellen Zwecken dienende Lehre zusammenzustellen.
§ 60c UrhG gestattet, für die nicht-kommerzielle wissenschaftliche Forschung grundsätzlich bis zu 15% eines Werkes zu vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen – für einen bestimmten abgegrenzten Personenkreis; für die eigene wissenschaftliche Forschung wird die Vervielfältigung von 75% eines Werkes erlaubt.
§ 60d UrhG regelt erstmals das sogenannte Text- und Data-Mining (automatisierte Auswertung großer Mengen urheberrechtlich geschützter Inhalte) zu nicht kommerziellen Zwecken. Die Anwendung ist vergütungspflichtig und muss nach Nutzung gelöscht werden, kann aber einer Bibliothek/einem Archiv zur Archivierung übergeben werden.
§ 60e UrhG enthält verschiedene Erlaubnisse für Bibliotheken. So dürfen sie beispielsweise Werke aus ihrem Bestand zum Zwecke des Erhalts digitalisieren. Geregelt wird auch, unter welchen Umständen Bibliotheken Werke an digitalen Arbeitsplätzen in ihren Räumen zugänglich machen dürfen und in welchem Umfang sie an diesen Arbeitsplätzen Ausdrucke gestatten dürfen. Ebenfalls geregelt wird der Versand von Kopien durch Bibliotheken.
§ 60f UrhG enthält für Archive, Museen und Bildungseinrichtungen ähnliche Erlaubnisse wie für Bibliotheken.
Vergütung
§ 60h regelt die angemessene Vergütung der gesetzlich erlaubten Nutzungen. Eine Pauschalvergütung an die Verwertungsgesellschaften ist wieder vorgesehen. Für diese ist die Bildungseinrichtung zuständig, nicht die Personen, die die Medien an der Bildungseinrichtung nutzen.
Nicht pauschal, das heißt einzelvergütet werden die Erstellung von Lehrmedien oder der Kopienversand durch Bibliotheken.
Es gibt auch vergütungsfreie Nutzungen wie die Vervielfältigung und Verbreitung (nicht aber die öffentliche Zugänglichmachung) geschützter Werke für Angehörige von Bildungseinrichtungen (§ 60a).
Was bedeutet das konkret?
Die bisher in Lernmanagementsystemen wie STINE, OLAT oder CommSy eingestellten Texte oder Bilder können weiterverwendet werden –unter der Annahme, dass die bisherigen Regelungen des UrhG eingehalten wurden.
Es ändert sich nichts hinsichtlich der Möglichkeiten zur Veröffentlichung und freien Nutzung von
- Open-Access-Publikationen, Texten, die unter Creative-Commons-Lizenz stehen
- urheberrechtsfreien Materialien, also solchen Texten, bei denen die Schutzdauer abgelaufen ist (z.B. Werke, deren Autoren mehr als 70 Jahre tot sind) sowie sämtlicher amtlicher Werke (Urteile, Erlasse, Gesetzestexte etc.)
- Material, für das die Hochschulbibliothek bereits Lizenzen erworben hat
Historie
März 2013: Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass eine pauschale Abrechnung der Vergütung von digital zugänglich gemachten Texten nur gerechtfertigt sei, wenn es unverhältnismäßigen Aufwand bedeute, genauere Erhebungen anzustellen.
September 2016: VG Wort und KMK schließen einen Rahmenvertrag zur Vergütung von Ansprüchen nach § 52a UrhG. Dieser sieht eine Einzel-Meldepflicht der Hochschulen vor, die für Kopien von Texten gilt, die digital zugänglich gemacht werden. (Einigung im Wortlaut, PDF)
Die Umsetzung des Rahmenvertrags mit der VG Wort scheitert am Widerstand der Hochschulen, darunter die Universität Hamburg.
Dezember 2016: Die KMK, VG Wort und die Hochschulrektorenkonferenz einigen sich darauf, dass die vereinbarte Einzelerfassung bis zum 30. September 2017 ausgesetzt wird und stattdessen weiterhin eine pauschale Vergütung für die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken in digitalen Semesterapparaten gezahlt wird. (Einigung im Wortlaut, PDF)
Juli 2017: Der Bundestag verabschiedet das neue Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz, das am 1. März 2018 in Kraft tritt.
September 2017: KMK und VG Wort einigen sich darauf, die pauschale Vergütungspraxis für die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken in digitalen Semesterapparaten bis zum 28. Februar 2018 zu verlängern.
März 2018: Neues UrhWissG tritt in Kraft. Das Gesetz gilt bis 1. März 2023.