Der Nordkorea-Konflikt ist wie die Kuba-Krise in ZeitlupeProf. Götz Neuneck vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik im Interview
28. November 2017, von Daniel Meßner

Foto: IFSH
Die Fronten zwischen Nordkorea und den USA verhärten sich weiter und eine Lösung ist nicht in Sicht. Prof. Dr. Götz Neuneck ist Physiker und Friedensforscher. Im Interview berichtet er über Gefahren und mögliche Lösungen des Nordkorea-Konflikts.
Was ist die Rolle der Forschung in der Beschäftigung mit solchen internationalen Konflikten? Wie kann die Forschung zur Lösung beitragen?
Die Friedens- und Konfliktforschung kann die Konfliktkonstellation genauer analysieren, international Gesprächsangebote formulieren sowie konkrete Vorschläge zur Konfliktlösung vorbereiten.
Als Physiker forsche ich vordergründig zu Nuklearwaffen und Raketenfähigkeit. Dazu muss man verstehen, wie Nuklearwaffen gebaut werden können und welche Möglichkeiten das Land auf der Grundlage ihrer Raketentests in Zukunft hat.
Zudem bin ich deutscher Vertreter der Pugwash-Konferenzen, die seit 1957 jährlich stattfinden. Das sind internationale Tagungen, benannt nach dem ersten Tagungsort Pugwash in Kanada, auf denen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen über Gefahren und deren Vermeidung im Atomzeitalter diskutieren. Die Pugwash-Organisation hat 1995 den Friedensnobelpreis erhalten und immer wieder Gesprächskanäle zu Nordkorea geöffnet.
Für wie bedrohlich schätzen Sie die Lage derzeit ein?
Experten nennen die Lage um Nordkorea schon seit längerem „eine Kuba-Krise in Zeitlupe“. Seit den letzten unterirdischen Nukleartests und den beiden letzten Raketentests scheint Nordkorea entschlossen zu sein, ein nukleares Abschreckungspotenzial aufzubauen. Mit den getesteten Raketen könnten in vielleicht fünf Jahren auch die USA mit einem Nuklearsprengkopf bestückt erreicht werden. Damit ist für die USA die „rote Linie“ überschritten.
Die widersprüchliche Rhetorik Trumps trägt weder zur Beruhigung noch zur Lösung bei und lässt keine klare Linie erkennen. An den Militärmanövern der 7. US-Flotte sind gleich drei Flugzeugträger der USA beteiligt. Die Drohkulisse wird weiter ausgebaut.
Es ist zu hoffen, dass keine Seite die Nerven verliert. Eine Überreaktion, ein Unfall oder ein Missverständnis kann in der Tat eine gefährliche Eskalation in Gang setzen. Ein Krieg in der Region hat zunächst unmittelbare Auswirkungen auf Südkorea, China oder Japan. Andererseits hat niemand wirklich ein Interesse an einem Krieg, der allein mit konventionellen Streitkräften viele Tote in der Region bedeuten würde.
Sie haben sich bereits mit vielen Konflikten auseinandergesetzt: Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an dieser Situation?
Das Besondere ist sicher die Existenz von Nuklearwaffen, die alte ideologische Trennung Koreas in Nord und Süd sowie die regionale Lage, etwa in Korea und Japan, und die globale Lage beispielsweise in den USA, in China und in Russland.
Hinzu kommt, dass der brutal geführte Korea-Krieg Anfang der 1950er Jahre am Beginn des Kalten Krieges stand und bis heute keine akzeptable Lösung für Korea gefunden wurde. Vielen erscheint das nordkoreanische Regime sonderbar, es fußt aber auf der Entwicklung der Ost-West-Konfrontation.
Das Regime wird im Wesentlichen vom Militär gestützt, bedient sich stalinistischer Rhetorik und sperrt die eigene hungernde Bevölkerung ein. Propaganda, Gehirnwäsche und Umerziehung sind an der Tagesordnung. Selbst das unmittelbar verbündete China hat nur noch geringen Einfluss auf die Regierung. Kim Jong Un hat das Land nicht mehr verlassen oder andere Staatschefs begrüßt. Nordkorea ist ein schwarzer Fleck im Zeitalter der Globalisierung. Nach westlichen Standards ist das bizarr.
Welche Lösungsmöglichkeiten sehen Sie im Moment?
Man muss den Dialog suchen. Nordkorea möchte ja politische und ökonomische Garantien. Außerdem müssen China und die Nachbarstaaten eingebunden werden. Eine Forderung Nordkoreas ist, dass die Militärmanöver aufhören. Auf diese Weise könnten beide Seiten zunächst die Lage beruhigen und Eckpunkte für Verhandlungen festlegen. Einfach werden diese aber nicht, denn Nordkorea will seine Nuklearwaffen behalten, da es sie als Garantie für das Überleben des Regimes sieht.