Weltklimakonferenz gestartet„Ohne spürbare Sanktionen wird es nicht gehen“. Interview mit der Volkswirtschaftlerin Prof. Dr. Anke Gerber
7. November 2017, von Giselind Werner
Foto: Franziska Glück
Am Montag ist die Weltklimakonferenz (COP23) in Bonn gestartet. Bis zum 17. November werden auf der 23. Jahreskonferenz des UNFCCC Tausende Delegierte aus mehr als 170 Ländern über gemeinsame Klimaziele verhandeln – das erste Mal nach der Ankündigung der USA, aus dem Klimavertrag auszusteigen. Mit der Republik Fidschi hat ein Inselstaat die Präsidentschaft der diesjährigen Konferenz inne, der schon jetzt ganz konkret gegen die Folgen des Klimawandels zu kämpfen hat: 45 Dörfer müssen wegen des Anstiegs des Meeresspiegels verlegt werden. Die Volkswirtschaftlerin Prof. Dr. Anke Gerber forscht unter anderem zu internationalen Verträgen. Im Interview erklärt sie, wie verbindlich so ein Klimavertrag sein kann und was zur Durchsetzung nötig ist.
2015 wurde das Paris-Protokoll beschlossen, seit November 2016 ist der neue internationale Klimavertrag in Kraft, erstmals ratifiziert von Ländern wie China und den USA, zwei der größten CO2-Emittenden weltweit. Schon jetzt zeichnet sich jedoch ab, dass viele Industrienationen die Ziele des Protokolls nicht einhalten werden können und die ehrgeizigen Pläne nicht ausreichen werden, um das Zwei-Grad-Ziel zu halten. Die USA unter Trump haben gleich ganz den Ausstieg aus dem Vertrag angekündigt.
Wie verbindlich ist so ein internationaler Vertrag wie das Pariser Abkommen?
Ein internationaler Vertrag wie das Pariser Abkommen ist völkerrechtlich bindend, was aber insofern nicht viel bedeutet, da die Verletzung eines völkerrechtlichen Vertrages in der Regel nicht mit Sanktionen verbunden ist. So setzt auch das Pariser Abkommen und davor das Kyoto-Protokoll ausschließlich auf Freiwilligkeit. Die Unterzeichnerstaaten können ihre Klimaschutzbeiträge selbst wählen und es gibt bislang kein Regelwerk, wie diese Ankündigungen kontrolliert und durchgesetzt werden können.
Was kann zur Durchsetzung getan werden?
Es müsste spürbare Sanktionen geben, wenn ein Land die selbst gesetzten Ziele nicht erreicht. Das ist im internationalen Kontext schwierig. Souveräne Staaten haben nahezu keine Möglichkeiten, sich gegenseitig zu sanktionieren, ohne sich dabei selbst zu schaden. Dadurch werden Sanktionen verhandelbar, was ihre abschreckende Wirkung unterminiert.
Es braucht also erstens eine unabhängige Institution, die im Ernstfall sanktioniert und die immun gegenüber Rückverhandlungsforderungen ist, und zweitens braucht diese Institution ein schlagkräftiges Sanktionsmittel.
Gemeinsam mit meinem Kollegen Philipp Wichardt von der Universität Rostock habe ich über internationale Abkommen geforscht und wir schlagen das folgende Verfahren vor: Nach der Festlegung ihrer individuellen Klimaschutzbeiträge zahlen die einzelnen Länder eine Art Kaution an eine unabhängige Institution (wie z.B. die Weltbank). Wenn ein Land seine individuelle Verpflichtung erfüllt, erhält es seine Kaution zurück. Andernfalls verwirkt das Land seinen Anspruch auf Rückzahlung der Kaution. Die Höhe der Kaution muss dann nur noch so festgelegt werden, dass es für jedes Land alleine aus wirtschaftlichen Gründen besser ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen, als die Kaution zu verlieren.
Kennen Sie Beispiele erfolgreicher internationaler Abkommen, die vergleichbar sind?
Das Montrealer Protokoll von 1987 zum Schutz der Ozonschicht ist ein internationales Abkommen, in dem sich die Unterzeichnerstaaten zur Reduzierung beziehungsweise vollständigen Einstellung der Emission von Chemikalien verpflichten, die das Ozon in der Stratosphäre zerstören. Das Abkommen war und ist sehr erfolgreich, aber die Situation ist nicht vergleichbar mit dem Pariser Abkommen. Der Verzicht auf ozonschädigende Substanzen ist vergleichsweise billig bei gleichzeitig hohem und fast unmittelbar spürbarem Nutzen. Im Fall der CO2-Emissionen sind die Kosten wesentlich höher und die Nutznießer werden erst zukünftige Generationen sein.
Ziel der diesjährigen Verhandlungen soll unter anderem ein „Regelbuch“ sein, das auf der kommenden Konferenz im polnischen Kattowitz verabschiedet werden soll. Was ist das für ein Instrument?
Im Regelbuch wird festgehalten, wie die Einhaltung der Klimaschutzbeiträge der einzelnen Länder überprüft werden soll. Eine Einigung auf ein Verfahren zur regelmäßigen Bestandsaufnahme ist essentiell für die Wirksamkeit des Pariser Abkommens.
Was erwarten Sie von den Verhandlungen der kommenden Jahre?
Ich habe keine großen Erwartungen, da ich bei wichtigen Akteuren den politischen Willen vermisse, das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Man schaue sich nur die gegenwärtigen Sondierungsgespräche in Deutschland an. Es braucht vielleicht erst noch einige dramatische Naturkatastrophen, die den Druck der Wähler auf die Politiker erhöhen, bevor sich wirklich etwas bewegt.
Literatur
Gerber, A. and P. Wichardt (2009): “Providing Public Goods in the Absence of Strong Institutions,” Journal of Public Economics, 93, 429-439.
Gerber, A. and P. Wichardt (2013): “On the Private Provision of Intertemporal Public Goods with Stock Effects,” Environmental and Resource Economics, 55, 245-255.