EU-DatenschutzgrundverordnungStarker Datenschutz wird zum Wettbewerbsvorteil
16. Mai 2017, von Giselind Werner
Anders als bislang angenommen, kann starker Datenschutz in Zukunft auch einen Wettbewerbsvorteil bedeuten. So äußerte sich der Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht auf einer Podiumsdiskussion an der Universität Hamburg.
Am 25. Mai 2018 tritt die neue EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in allen 28 EU-Staaten direkt und unmittelbar in Kraft. Sie löst damit bestehendes nationales Recht zum Schutz personenbezogener Daten ab.
Um die Änderungen vorzustellen, die sich im geltenden Recht ergeben, hatte der Fachbereich Sozialökonomie (auf dem Podium vertreten durch Prof. Dr. Marita Körner) am 9. Mai zwei Experten dieser Verordnung eingeladen, nämlich den Grünen-Europaabgeordneten Jan Philipp Albrecht, der die Verhandlungen für das Europäischen Parlament (EP) in Bezug auf die DSGVO geführt hat, und Prof. Dr. Martin Selmayr, Kabinettschef des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, der ebenfalls an der Entstehung der EU-Datenschutzgrundverordnung maßgeblich mitgewirkt hat.
Welche Änderungen bringt die DSGVO mit sich?
Erstmals gilt nur noch ein Recht, nicht mehr 28. Albrecht hob hervor, dass mit der Verordnung somit erstmals ein echter digitaler Binnenmarkt in der EU geschaffen werde. Verankert werden bspw. das Recht auf Daten-Portabilität (Daten können von einem Diensteanbieter zum nächsten portiert werden), das Recht auf Vergessen (Löschung der Daten), Privacy by Design (Datenschutz als Standardeinstellung in Geräten und Apps) und die betrieblichen Datenschutzbeauftragten. Auch wird das Marktortprinzip eingeführt, d.h. internationale Unternehmen müssen sich an die geltenden Standards des Landes richten, in denen sie ihre Dienste anbieten.
Riesenschritt hin zu Governance im digitalen Zeitalter
Mit der DSGVO sei ein „Goldstandard“ in Bezug auf Datenschutz definiert worden, so Albrecht, der international Auswirkungen haben werde, wie selbst Global Player im digitalen Markt anerkennen.
Im Nachgang zur Veranstaltung führte er aus:
„Anders als während des Gesetzgebungsverfahrens von Teilen der Politik und Wirtschaft befürchtet, führt die DSGVO nicht dazu, dass Unternehmen ihre Angebote auf dem EU-Markt einstellen oder gar abwandern, sondern genau das Gegenteil: Eine ganze Reihe großer Internetunternehmen und auch anderer global agierender Konzerne hat bereits angekündigt, ihre gesamte Geschäftstätigkeit – also nicht bloß das Europageschäft – an die DSGVO der EU anzupassen.
Wir setzen also tatsächlich mit der neuen EU-Verordnung einen globalen Standard und sorgen dafür, dass starker Datenschutz vom Nachteil zum Vorteil im Wettbewerb wird.“
Datenschutz: ein deutsches Thema
Es sei übrigens kein Zufall, dass die Verhandlungsführer zur Ausarbeitung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) Deutsche seien, berichtete Selmayr. Datenschutz sei nach wie vor ein deutsches Thema – nun wird es zu einem europäischen, möglicherweise sogar weltweiten Thema.
Dies zeigt sich schon daran, dass die Verordnung im Europäischen Parlament, von der Kommission und auch vom Europäischen Rat mit überwältigender Mehrheit verabschiedet wurde.
Selmayr räumte übrigens mit einem Missverständnis auf: Die DSGVO enthalte keine „Öffnungsklauseln“, wodurch abweichende Vereinbarungen in nationalem Recht möglich würden. Die DSGVO setze dezidiert den rechtlichen Rahmen, nationales Recht könne lediglich spezifizieren – was die deutsche Bundesregierung bereits mit dem neuen Bundesdatenschutzgesetz (BDSG-neu) als eines der ersten Länder der EU unternommen habe.
Inwiefern werden die Daten der Europäerinnen und Europäer nun besser geschützt als vorher?
Albrecht betonte, dass die DSGVO dafür sorgt, dass die bestehenden Verbraucherrechte durch hohe Sanktionen und eine einheitliche EU-weite Rechtsdurchsetzung besser geschützt und einklagbar werden.
„Die wichtigste Verschärfung, vor allem im Vergleich zum bisherigen deutschen Recht, besteht darin, dass die Datenschutzregeln künftig gegenüber Unternehmen weltweit mit Sanktionen bis zu 4% des Jahresweltumsatzes des betroffenen Unternehmens durchgesetzt werden können“, so Albrecht.
Positive Folgen für die Forschung
Befragt nach den Änderungen, die sich für Hochschulen aus der DSGVO ergeben, antwortete Albrecht:
„Die Hochschulen werden weiterhin weitestgehend sowohl die generellen Datenschutzregeln der DSGVO als auch die speziellen Regeln der Länder zum behördlichen Datenschutz befolgen müssen. Allerdings profitieren sie durch die Verordnung von einer massiven Erleichterung der Forschungszusammenarbeit innerhalb der EU, da nun dieselben Standards in allen Ländern hierfür gelten.“
Zusammenfassend gilt: Datenschutz wird in Zukunft an Bedeutung noch gewinnen. Datenschutz gehört nicht erst seit dem Lissabon-Vertrag zu den verankerten Grundrechten der Europäerinnen und Europäer. Der Einzelne dürfe nicht, wie Prof. Selmayr in seinem Vortrag ausführte, zum Objekt von anderen gemacht werden, auch nicht bezogen auf seine Daten.
Hamburger Rechtsgespräche
Die Hamburger Rechtsgespräche sind eine Veranstaltungsreihe des Fachgebiets Rechtswissenschaft am Fachbereich Sozialökonomie an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg unter Federführung von Prof. Dr. Kai-Oliver Knops, Prof. Dr. Marita Körner und Prof. Dr. Karsten Nowrot, LL.M.