Klimakunst im Universitätsmuseum„Kunst hat diese Kraft“
14. November 2024, von Stephanie Janssen
Foto: UHH/Göttling
Mehr als 240 Leute drängten sich vor den Türen des Universitätsmuseums. Am 7. November 2024 wurde hier die Ausstellung „Portraits of Climate“ eröffnet, die Kunst und Klimaforschung auf ungewöhnliche Weise zusammenbringt und noch bis Ende April 2025 zu sehen ist.
Rund ein Jahr zuvor startete das Projekt des Exzellenzclusters für Klimaforschung CLICCS, indem je zwei oder drei Personen aus Kunst und Forschung ein Team bildeten. Daraus sind fünf Kunstwerke entstanden, die den Klimawandel auf ganz unterschiedliche Weise zeigen.
Zur Eröffnung erzählte die Sprecherin des Exzellenzclusters, Prof. Dr. Johanna Baehr, dass die rund 270 Forschenden im Cluster oft neue, unbekannte wissenschaftliche Wege beschreiten. Dazu nutzen sie verschiedenste Ansätze um Brücken zu schlagen, zum Beispiel zwischen Natur- und Gesellschaftswissenschaften. Einen neuen Weg, um über die Kunst in die Gesellschaft zu wirken, hat jetzt die Wissenschaftlerin Dr. Anna Pagnone initiiert.
Pagnone möchte Grenzen verschieben, auch zwischen den Disziplinen. So wirkt das Projekt zum Beispiel nach innen, weil die Teilnehmenden aus ihrer Rolle heraustreten und zusammen Neues kreieren. Es kann aber auch nach außen wirken, wenn Besucherinnen und Besucher in der Ausstellung dem Thema Klimawandel begegnen. „Wir in den Klimawissenschaften fragen uns oft, geben wir nur die Informationen weiter – oder werden wir auch aktiv?“, so Pagnone. „Kunst hat diese Kraft, diese Energie, die ich mir in der Klimakommunikation gewünscht habe.“
Das scheint am ersten Abend gut zu funktionieren: „Ich fühle mich eingeladen, mich mit der abstrakten Welt der Klimaforschung auseinanderzusetzen“, sagt eine Besucherin. „Diese Welt kann ich in den unterschiedlichen Themen sehen, fühlen und hören. Und die Werke berühren mich mit ihrer Schönheit und ihrer Dringlichkeit.“
Another Award
Carl Maria Kemper, Dr. Jan Wilkens
Präsident der Weltklimakonferenz in Dubai 2023 war der CEO eines Ölkonzerns. Während das Zementunternehmen Holcim grüne Awards erhält, ist die Zementindustrie weltweit für acht Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Als Experte für Klimagerechtigkeit kennt Dr. Jan Wilkens solche Widersprüche. Wie verwoben emissionsintensive Industrien, Klimafolgen und Klimagerechtigkeit sind, zeigt Carl Maria Kempers Arbeit „Another Award“. Lange nach einem Hochwasser im Winter 2023/2024 stapeln sich in einem Überschwemmungsgebiet in Niedersachsen noch die benutzten Sandsäcke. In Beton ausgegossen, stehen sie hier für systematische Versäumnisse in der Prävention, fehlende Resilienz und das Ignorieren von wissenschaftlichen und aktivistischen Warnungen. Das Werk ist auch im Innenhof des Museums zu sehen.
Journey Through Time and into the Future
Jenni Schurr, Dr. David Nielsen
Wenn der Permafrost in der Arktis durch den Klimawandel taut, dann betrifft das unter anderem die Küsten. Der zuvor ständig gefrorene Boden wird weicher und matschiger und kann von den anlaufenden Wellen leichter abgetragen werden. Gleichzeitig werden diese Wellen stärker, weil das Meereis schmilzt. Wie viel Bodenverlust dabei entsteht, hat Dr. David Nielsen für drei Szenarien errechnet, von wenig bis viel Klimaschutz. Jenni Schurr schuf daraus eine Performance, in der drei Tänzerinnen je eines der Szenarien verkörpern. Tanzen sie anfangs noch synchron, werden die Bewegungen zunehmend chaotischer – ein Bild für die Folgen der globalen Erderwärmung, begleitet durch Ton- und Filmaufnahmen aus der Arktis – „Journey Through Time and into the Future“.
Mysterium Völlii
Nana Petzet, Prof. Dr. Michael Köhl
Am Rand des Hamburger Hafens wurde in den 1970er Jahren mit Hafenschlamm ein Areal für die Industrie aufgeschüttet und nie genutzt – 50 Jahre später steht hier der urwüchsige Vollhöfner Wald. Pflanzen und Tiere haben sich schrittweise angesiedelt und das Gebiet erobert. Forstwissenschaftler Prof. Michael Köhl weiß, dass solche Sukzessionswälder Beispiele für klimastabile und zukunftsfähige Wälder liefern können. Nana Petzet nähert sich dem „Mysterium Völlii“ im Detail, zeigt die unterschiedliche Entwicklung der Flächen und die unglaublichen Fähigkeiten von Böden. Aber auch den Kampf um seine Erhaltung, als dort Logistikhallen gebaut werden sollten. Die Proteste hatten Erfolg, es wurde ein Naturschutzgebiet angekündigt – aber bis heute noch nicht umgesetzt.
The Little Shrimps are Running Out of Space
Daniele Alef Grillo, Dr. Martin Döring
Das Krabbenbrötchen ist ein Klassiker an der Nordsee. Dr. Martin Döring erforscht die kulturellen Verflechtungen von Fischerei, Tradition und Tourismus. Nur wenn der Gesamtkosmos betrachtet und erforscht wird, lassen sich gemeinsam und vor Ort vernünftige Lösungen zur Anpassung an neue Klima-Bedingungen entwickeln. In der Videoinstallation von Daniele Alef Grillo „The Little Shrimps are Running Out of Space” spricht eine durch Künstliche Intelligenz generierte Frau Zitate aus Dörings Interviewstudien mit Fischern, während ein Koch in Turin ein Krabbenbrötchen zubereitet. Heute haben Krabben ihren Platz in der Gesellschaft, während ihnen in der Natur aufgrund des Klimawandels langsam der Raum ausgeht.
Way of No Return
Dit Coesebrink, Dr. Cleovi Mosuela, Prof. Dr. Jörn Behrens
Ein großflächiges Gemälde, nach und nach treten Details zutage. Hier eine mathematische Formel, in einer Ecke geöffnete Hände. Mathematikprofessor Jörn Behrens arbeitet mit Formeln, Dr. Cleovi Mosuela erforscht, wie lokale Gemeinschaften die Anpassung an den Klimawandel vor Ort selbst gestalten können. Dit Coesebrink greift Fragmente aus den Gesprächen der drei als Druck, Siebdruck und Cyanotypie auf. Sie stehen für eine permanente Wiederholung des Erforschten und Gesagten. Deuten jedoch auch an: Trotz Wiederholungen handeln Gesellschaft und Regierungen nicht ausreichend.
Zur Ausstellung Portraits of Climate
Ort: Universitätsmuseum, Edmund-Siemers-Allee 1, 20146 Hamburg; 1. Stock
07.November 2024 – 30. April 2025. Dienstags von 10 bis 14 Uhr, donnerstags von 15 bis 19 Uhr, samstags von 14 bis 18 Uhr.
Mehr Info auf der Website des Exzellenzclusters CLICCS
Mit Unterstützung der Transferagentur der Universität Hamburg und des Universitätsmuseums als innovativem Ort für Wissenstransfer.