Neue Förderrunde im Fast Track-Programm für StudierendeStatistisch oder sozial – wie lernen Säuglinge?
30. Januar 2024, von Marie Schlicht
Foto: privat
Das Fast Track-Programm der Exzellenzuniversität Hamburg hat es dem Psychologiestudenten Paul Gallenkemper ermöglicht, direkt nach dem Bachelor mit seiner Promotion zu beginnen. Das Programm steht herausragenden Studierende vieler Fakultäten offen.
Herr Gallenkemper, wie sind Sie auf das Fast Track-Programm aufmerksam geworden?
Professor Ulf Liszkowski, der den Arbeitsbereich der Entwicklungspsychologie an der Universität Hamburg leitet und meine Bachelorarbeit betreut hat, hat mir das Programm empfohlen. Ich bin glücklich über diese Möglichkeit, auch wenn es ein großer Sprung vom Bachelor in das Programm war und ich nun parallel zur Doktorarbeit auch meinen Master machen muss. Durch die monatliche finanzielle Förderung in Höhe von 1.468 Euro muss ich in den kommenden zwei Jahren nicht mehr nebenbei arbeiten gehen. So habe ich früh in meiner wissenschaftlichen Karriere viel Zeit, um mich mit meinem Thema zu beschäftigen.
Was wollen Sie im Laufe Ihrer Promotion herausfinden?
Ich führe einen Vergleich zwischen zwei Lerntheorien durch, die in den vergangenen Jahren stark beforscht, jedoch erst selten gegeneinander abgewogen wurden. Der erste Ansatz nennt sich „Statistical Learning“. Hier haben Forschende bereits gezeigt, dass Säuglinge von Geburt an selbstständig Regelmäßigkeiten und Muster in ihrer Umwelt wahrnehmen und verstehen können. Sie lernen aber auch – bereits von Geburt an – in kommunikativen Kontexten, wenn also Erwachsene mit ihnen interagieren. Dass dies die effizienteste Lernmethode ist, schlägt die Theorie „Natural Pedagogy“ vor. Ich möchte herausfinden, wie diese beiden Ansätze zusammenspielen und ob beide in verschiedenen Entwicklungsphasen gleichermaßen wirken.
Wie können Sie das testen?
Das werde ich vor allem anhand visueller Stimuli machen. Dazu ist geplant, den Kleinkindern beispielsweise eine Präsentation zu zeigen, in der ein Objekt an einem von zwei Orten erscheint. Die Präsentation wird mehrmals hintereinander gezeigt. Auf das Erscheinen wird bei einigen Kleinkindern kommunikativ hingewiesen, bei anderen nicht. Eine Gruppe muss also selbstständig statistische Regelmäßigkeiten erkennen, der anderen wird zudem ein kommunikativer Kontext geboten. Damit ich danach die Unterschiede bewerten kann, werde ich suchende Blicke oder antizipierendes Schauen in Richtung des Ortes, an dem ein Objekt erscheinen soll, aufzeichnen.
Darüber hinaus möchte ich auch Verarbeitung der Reize bei den Säuglingen untersuchen, um Rückschlüsse darauf zu ziehen, wie die beiden Lernmechanismen zu den vorausschauenden Blicken der Säuglinge führen. Dafür werde ich während der Präsentationen kontinuierlich die Pupillendaten der Säuglinge sowie die Gehirnströme der Säuglinge messen.
Was wollen Sie mit dem Vergleich erreichen?
Damit möchte ich herausfinden, welchen Mechanismus die Babys von Geburt an häufiger anwenden. Die Aufgaben werde ich über einen längeren Zeitraum wiederholen, um mögliche Veränderungen in der Entwicklung der Kleinkinder zu beobachten. Danach kann ich hoffentlich sagen, welcher Lernmechanismus auf welcher Entwicklungsstufe stärker ausgeprägt ist. Abhängig von den genauen Versuchen, die ich letztendlich durchführen werde, werde ich mit bis zu 200 Säuglingen arbeiten. Davon sind am Ende vielleicht 100 Fälle auswertbar – man kann sich ja vorstellen, dass Babys nicht die verlässlichsten Studienteilnehmenden sind.
Was reizt Sie eigentlich besonders an der Wissenschaft – also warum haben Sie sich für eine weitere Karriere in diesem Bereich entschieden?
Ich mag es, mich intensiv mit einem Thema zu beschäftigen, selber Fragen zu stellen und sie zu beantworten. Ursprünglich habe ich einen Bachelor in Nanowissenschaften angefangen – und schon da fand ich die Forschung besonders spannend. Allerdings habe ich dann gemerkt, dass ich lieber mit Menschen arbeiten möchte und hab mich für die Psychologie entschieden.
Jetzt bin ich zwar auch viel im Labor, aber der Bereich der Säuglingsforschung ist einfach eine ganz besondere Herausforderung. Das ist ein unglaublich vielseitiges Feld, weil in der Kindheit die Grundlagen für das ganze spätere Leben gelegt werden. Aber Babys kann man eben nicht einfach wie erwachsende Probandinnen und Probanden befragen oder anweisen. Das macht das Ganze extrem spannend.
Als ich mit dem Psychologie-Studium angefangen habe, wollte ich Therapeut werden und ich will das für später auch nicht ausschließen. Aber jetzt möchte ich mich erstmal komplett der Forschung widmen und mit der Promotion durchstarten.
Fast Track-Programm
Das Fast Track-Programm verkürzt die Dauer von Masterstudium und Promotion insgesamt um ein Jahr. Neben der finanziellen Förderung gibt es ein Begleitprogramm mit Qualifizierungs- und Vernetzungsangeboten, das von der Hamburg Research Academy mitorganisiert wird.
Gestartet ist es im Herbst 2020 als Pilotprojekt an der MIN-Fakultät. Inzwischen steht es auch Studierenden anderer Fakultäten offen. Ab April 2024 können sich Studierende auf die neue Förderrunde bewerben. Am 19. Februar 2024 findet dazu eine Infoveranstaltung statt. Mehr Infos zum Fast Track-Programm gibt es auf der aktualisierten Website der Hamburg Research Academy.
Die Bewerbungsvoraussetzungen sind in den verschiedenen Fakultäten unterschiedlich. In den Geisteswissenschaften und der Erziehungswissenschaft müssen Studierenden beispielsweise eine Bachelorprüfung mit der Mindest-Gesamtnote „sehr gut“ abgelegt haben, in der MIN-Fakultät hingegen variieren die Anforderungen zwischen den Studiengängen.