Neue Forschungsförderungen durch den Ideen- und RisikofondsWieso sterben so viele Kinder nach Kriegen und warum gehen kranke Menschen zur Arbeit?
1. August 2023, von Christina Krätzig
Foto: UHH/privat
Jedes Jahr können sich Forschende der Universität Hamburg für eine Förderung aus dem Ideen- und Risikofonds bewerben, um ein größeres Drittmittelprojekt vorzubereiten. Wir stellen zwei von 14 aktuellen Projekten vor.
Prof. Dr. Max Schaub: Warum ist die Kindersterblichkeit noch Jahre nach bewaffneten Konflikten erhöht?
In Kriegen werden Infrastrukturen zerstört, Ärztinnen und Ärzte wandern ab und häufig kann im Anschluss kaum Landwirtschaft betrieben werden, sodass die Menschen hungern müssen. All diese Faktoren tragen zu einer noch jahrelang erhöhten Kindersterblichkeit bei. Doch reichen diese Faktoren aus, um sie zu erklären? Der Politikwissenschaftler Max Schaub hat herausgefunden, dass sich die Kindersterblichkeit auch nach terroristischen Angriffen längerfristig erhöht, obwohl die oben genannten Faktoren dann nicht eintreten. „Ich vermute, dass es einen weiteren, bisher nicht bekannten Grund gibt, und zwar eine Verhaltensänderung der Eltern“, erklärt der Juniorprofessor für internationale Beziehungen und Global Health. „Nachweislich erschüttern Gewalterfahrungen das Vertrauen in den Staat, und dies könnte zur Folge haben, dass Eltern sich und ihre Kinder seltener ärztlich behandeln lassen und sich nicht über Angebote und Präventionsmaßnahmen informieren.“
Um seine These zu prüfen, wird Schaub gemeinsam mit einer Wissenschaftlerin von der Universität Konstanz und einem Forscher der Universität Erfurt 1.500 junge Eltern im nördlichen Nigeria interviewen. In der Krisenregion werden einige von ihnen in den kommenden Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit Gewalterfahrungen erleiden. Wiederkehrende Befragungen sollen zeigen, wie sich dies auf ihre Einstellung zum staatlichen Gesundheitswesen auswirkt – und auf die Gesundheit ihrer Kinder.
„Sollten wir feststellen, dass ein Vertrauensverlust ein wesentlicher Faktor für eine erhöhte Kindersterblichkeit ist, wüssten wir, dass wir die betroffenen Eltern aktiv wieder in das System zurückholen müssen, beispielsweise durch aufsuchende Sozialarbeit“, erklärt Schaub sein mit der Forschungsfrage verbundenes Anliegen. Er erhält 39.000 Euro aus dem Ideen- und Risikofonds. Sein Projekt ist in der Profilinitiative Gewalt- und Sicherheitsforschung angesiedelt.
Prof. Dr. Eva-Maria Wild: Warum arbeiten Menschen auch dann, wenn sie krank sind?
Präsentismus beschreibt das Phänomen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich nicht krankschreiben lassen, wenn sie nicht gesund sind. Die Betriebswissenschaftlerin Eva Wild vermutet, dass dies nicht nur Ausdruck der individuellen Persönlichkeit einzelner Menschen ist, sondern dass die Unternehmenskultur in Betrieben oder Organisationen zu einem solchen Verhalten beitragen kann. Mit Folgen: „Präsentismus kann zu Burn-outs führen, zu psychischen und längerfristig auch zu körperlichen Erkrankungen“, erklärt die Juniorprofessorin für Management im Gesundheitswesen die Problematik.
Mit 18.000 Euro aus dem Ideen- und Risikofonds will sie eine Skala entwickeln, mit deren Hilfe sie die Präsentismuskultur messen kann. In mehreren Runden wird sie jeweils zwischen 500 und 1.000 Menschen in Deutschland befragen. „Wir wollen beispielsweise wissen, ob sie negative Folgen Krankmeldungen befürchten oder ob ihre Vorgesetzten – die ja eine Vorbildfunktion haben – krank zur Arbeit kommen“, erklärt sie. Nach jeder Runde passt sie die Skala ein wenig an, um schließlich zehn bis 15 zentrale Fragen herauszufiltern. Mit diesen möchte die Professorin im Anschluss in ein größeres DFG-Projekt einsteigen. Darüber hinaus kann die entwickelte Skala aber auch von weiteren Forschenden genutzt werden.
Das Projekt ist im Potenzialbereich Gesundheitsökonomie angesiedelt. Eva-Maria Wild gehört zu den Kernmitgliedern des Hamburg Center for Health Economics an der Universität Hamburg.
Voraussetzung für eine Förderung aus dem Ideen- und Risikofonds ist ein inhaltlicher Bezug zu einem Potenzialbereich oder einer Profilinitiative der Universität Hamburg. Mehr Informationen zum Ideen- und Risikofonds finden Sie hier.