Neue Förderrunde für studentische Forschungsgruppen„Nichts über uns ohne uns“
30. Juni 2023, von Marie Schlicht
Foto: privat
In Hamburg leben rund 2.000 taube Menschen. Der Mangel an Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetschern sowie zu wenig Angebote in Gebärdensprache sind für sie oft ein Problem – vor allem bei Arztbesuchen. Drei Studentinnen der Universität Hamburg wollen nun für die Belange tauber Menschen sensibilisieren.
Jana Gmelin, Alina Hinrichs und Lara-Sophie Isernhagen kennen schon lange die Probleme tauber Menschen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis. Die Anmeldung im Krankenhaus, der Aufruf im Wartezimmer einer Arztpraxis oder auch Berührungsängste der Ärztinnen und Ärzte behindern oftmals deren Behandlung. Vor allem in der Notaufnahme, in der es schnell gehen muss, sind solche Hürden ein Gesundheitsrisiko.
Um das zu verbessern, starteten die drei Studentinnen des Bachelorstudiengangs Gebärdensprachdolmetschen an der Universität Hamburg das Forschungsprojekt „Barrieren im Krankenhausalltag tauber Menschen – eine Pilotinterventionsstudie“. „Unser Ziel ist es, dass taube Menschen in die Notaufnahme gehen können, ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass die Kommunikation nicht funktioniert“, erklärt Alina Hinrichs.
In einem ersten Schritt erfassen die Studentinnen die Bedarfe von tauben Menschen. Dafür haben sie einen Fragebogen entwickelt, mit dem sie die Probleme tauber Menschen in Notaufnahmen erfassen möchten. „Es gibt ein Motto aus der Gehörlosen-Community, das heißt: ,Nichts über uns ohne uns‘“, sagt Jana Gmelin. „Unter dieser Prämisse wollen wir forschen. Darum ist die Zusammenarbeit mit tauben Menschen und somit der Fragebogen wichtig.“
Im September starten die Studentinnen dann die zweite, praktische Phase des Projekts. Sie werden verschiedene Gesprächssituationen zwischen tauben Personen und Ärztinnen und Ärzten untersuchen. Die Gespräche sind nachgestellte Situationen aus der Notaufnahme, anhand derer sie herausfinden wollen, wie die Anmeldung oder die Kommunikation mit der Ärztin oder dem Arzt ablaufen. Nach den ersten fünf Gesprächen führt eine taube Expertin oder ein tauber Experte ein Sensibilisierungsgespräch mit den Medizinerinnen und Medizinern durch. Anschließend gehen die fünf Ärztinnen und Ärzte in weitere fünf Gesprächssituationen. So können die Studentinnen herausfinden, ob das Sensibilisierungsgespräch gewirkt hat.
„Auf Grundlage dieser Daten wollen wir Schulungsmaterial für Medizinstudierende erstellen. Ärztinnen und Ärzte müssen mehr über die Kultur und den Umgang mit tauben Menschen wissen. In deren Ausbildung kommt das bisher nicht vor“, erklärt Lara-Sophie Isernhagen. Das wollen die drei Nachwuchsforscherinnen mit ihrem Projekt ändern.
Studentische Forschungsgruppen
Die Forschungsgruppe wird mit Geldern aus der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert. Mit dem Förderprogramm „Studentische Forschungsgruppen“ ermöglicht die Exzellenzuniversität Hamburg Studentinnen und Studenten die eigenständige Arbeit an einem wissenschaftlichen Projekt. Das Programm wird zweimal jährlich ausgeschrieben, das maximale Fördervolumen für ein Einzelprojekt beträgt 10.000 Euro. In der kommenden Förderrunde werden insgesamt zehn Gruppen gefördert, die Bewerbungsrunde endet am 15. August 2023.