Interdisziplinäres Seminar zur Darstellung von Migration in MuseenKritische Blicke auf Ausstellungen lernen
3. April 2023, von Christina Krätzig
Foto: Gemeinfrei
Die Exzellenzuniversität Universität Hamburg fördert im Sommersemester 2023 zum dritten Mal interdisziplinäre Lehr-Tandems. Je zwei Lehrende unterschiedlicher Fachrichtungen haben dafür gemeinsam ein innovatives Lehrformat zum Themenkomplex „Nachhaltigkeit“ entwickelt. Wir stellen eines der Projekte vor.
„Orte zu wechseln, zu migrieren und mobil zu sein – das gehört seit Beginn der Menschheit zur Alltagserfahrung vieler und hat den weitaus größten Teil der Menschheitsgeschichte geprägt, während Sesshaftigkeit eher die Ausnahme ist. Dementsprechend spielt Migration in Kunst und Literatur, Wissenschaft und Geschichtsdarstellungen eine wichtige Rolle“, sagt Dr. Gilberto Rescher, Soziologe und Lateinamerika-Experte an der Universität Hamburg. Gemeinsam mit Thorsten Logge, Professor für Public History, hat er ein Lehrangebot im Rahmen des Studium Generale entwickelt, welches es Studierenden ermöglicht, sich mit der Darstellung von Migration in Museen auseinanderzusetzen.
„Unsere Teilnehmenden kommen aus ganz verschiedenen Fachrichtungen, beispielsweise aus den Erziehungswissenschaften, der Anglistik oder Betriebswirtschaftslehre“, erklärt Rescher. „Viele haben sich noch nie damit beschäftigt, dass auch in Museen bestimmte Narrative bedient werden. Allein die Auswahl der Objekte oder die Art ihrer Präsentation spiegeln jedoch bestimmte Standpunkte, gesellschaftliche Diskurse oder Interessen wider. Unser Seminar soll die Studierenden befähigen, dies zu erkennen.“
Kern des Seminars sind virtuelle Exkursionen in die Ausstellungen von vier Museen in klassischen Einwanderungsländern, darunter das New Yorker „Tenement Museum“, das „Museu Afro Brasil“ und das „Museu da Imigração“ in São Paulo sowie die „Hyde Park Barracks“ in Sydney. Angestellte dieser Museen haben extra für das Seminar digitale Rundgänge gefilmt, die sie mit den Hamburger Studierenden online diskutieren.
Die inhaltlichen Schwerpunkte des Seminars liegen dabei auf den Narrativen und Diskursen, wie sich die us-amerikanische, brasilianische und australische Nation aus unterschiedlichen Einwanderungsgruppen jeweils herausgebildet haben soll. Alle drei Länder vertreten einen vordergründigen Nationalmythos, in dem sie sich als Schmelztiegel präsentieren, in denen Wohlstand für alle erreichbar ist und eine grundsätzliche Chancengleichheit herrscht. „Es liegt jedoch nahe, dass Erfolgsgeschichten besser in solche Narrative passen als die Geschichten von als marginalisiert betrachteten Gruppen, denen nur unterprivilegierte Positionen zugestanden werden. Deswegen betrachten wir insbesondere, ob und wie die Migration ethnischer Minderheiten, von Frauen oder der Landbevölkerung thematisiert wird“, so Rescher.
Die Exzellenzuniversität Hamburg fördert die Lehrtandems im Rahmen des Ausbaus des Studium Generale. Jedes Lehrtandem erhält bis zu 6.000 Euro aus Mitteln der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder.