Neue Förderrunde für studentische Forschungsgruppen#IchBinArmutsbetroffen – Was es bedeutet, arm zu sein
7. November 2022, von Linda Lämke
Foto: Pixabay CC0
Mit 16,6 Prozent erreichte der Anteil der von Armut bedrohten Menschen in Deutschland vergangenes Jahr einen neuen Höchststand. Wie sich Armut anfühlt und wieso Menschen ihre Probleme öffentlich machen, analysieren die Masterstudierenden Helen Dambach und Mats Pachalli. Die Exzellenzuniversität Hamburg fördert ihr Forschungsprojekt im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder.
Eine geringe Rente, Arbeitslosigkeit, unterbrochene Erwerbsbiographien oder eine Erkrankung: Die Gründe für ein Leben mit wenig Geld sind individuell und vielschichtig. Vor dem Hintergrund der Inflation und stetig steigender Lebenshaltungskosten machten seit Mai 2022 über 100.000 Menschen auf ihr Leben in Armut aufmerksam. Sie nutzten dafür das soziale Netzwerk Twitter und beschrieben in Tweets mit dem Hashtag #IchBinArmutsbetroffen ihre Erfahrungen, Gefühle und Sorgen.
Zu lesen sind Schicksale wie diese: „Aufgewachsen in Erwerbsarmut. In die Armut gerutscht durch die Krebserkrankung meines Papas. Ich habe Angst davor, es nicht aus der Armut zu schaffen. Wer arm ist, bleibt arm. Statistisch gesehen.“ Eine andere Nutzerin, die nach eigenen Angaben 30 Jahre lang trotz chronischer Erkrankung arbeiten ging, dann aber doch ihren Job verlor, schreibt: „Leider haben mich die letzten 10 Jahre noch kranker gemacht. Das heißt, ich werde bis zu meinem Ableben in dieser Situation feststecken. Ich kann absolut nichts daran ändern. Das ist entwürdigend.“
Die Stimmen der Betroffenen hören
In ihrem Forschungsprojekt „#IchBinArmutsbetroffen – Thematisierungen eigener Armutsbetroffenheit in der Öffentlichkeit“ untersuchen Helen Dambach und Mats Pachalli das Phänomen. Unterstützt werden sie dabei von Holger Schoneville, Juniorprofessor für Sozialpädagogik an der Universität Hamburg. Es geht der Projektgruppe um die Frage, wie von Armut betroffene Menschen über ihre eigene Armutsbetroffenheit sprechen. „Wir wollen herausfinden, wie sich Armut anfühlt und wieso es sich für die Menschen so anfühlt.“, erklärt Mats Pachalli das Vorhaben. Wie auch Helen Dambach studiert er Erziehungs- und Bildungswissenschaften an der Uni Hamburg.
Mit dem Förderprogramm „Studentische Forschungsgruppen“ ermöglicht die Exzellenzuniversität Hamburg Studierenden die selbstverantwortliche Arbeit an einem wissenschaftlichen Projekt. Das Programm wird zweimal jährlich im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder ausgeschrieben. Helen Dambach und Mats Pachalli werden ein Jahr lang gefördert, ebenso wie 12 weitere Gruppen. Dafür stehen in dieser Runde 99.000 Euro zur Verfügung.
Mit ihrer Forschung wollen Dambach und Pachalli einen Beitrag zum sozialpädagogischen Diskurs über Armut und Subjektivität leisten. Gleichzeitig schätzen sie die Chance, selbst über einen längeren Zeitraum zu forschen: „So können wir herausfinden, ob wissenschaftliches Arbeiten auch beruflich etwas für uns ist“, sagt Helen Dambach.
Armut ist kein Einzelschicksal
Rund 13 Millionen Deutsche lebten im Jahr 2021 unterhalb der Armutsgrenze. Sie verfügten über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens. Dies ist oft mit Scham behaftet und wird selten nach außen getragen. Anders jedoch beim Twitter-Hashtag #IchBinArmutsbetroffen: Hier wählten die Betroffenen die direkte Veröffentlichung und eroberten sich ein Stück Teilhabe an der öffentlichen und politischen Debatte zurück.
Tag der studentischen Forschungsgruppen am 10. November 2022
Am 10. November veranstaltet das Zentrum für interdisziplinäre Studienangebote (ISA-Zentrum) der Universität Hamburg einen Tag der studentischen Forschungsgruppen. Los geht es um 12 Uhr im Lichthof der Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky. Bis 19 Uhr gibt es Impulsvorträge, Workshops und einen informellen Austausch zu Fragen wie beispielsweise „Wie gestalte ich ein Wissenschaftsplakat?“ oder „Wie können wir in der Arbeitsgruppe bestmöglich zusammenarbeiten?“ Alle Studierenden ab dem 1. Semester sind herzlich eingeladen – für eine Stunde, einen Workshop oder den ganzen Nachmittag. Wer sicher gehen will, dass noch ein Platz im Workshop frei ist, sollte sich im Voraus über das ISA-Zentrum anmelden.
Mehr Informationen und das Programm gibt es hier.