Neue Förderungen durch den Ideen- und RisikofondsMenschliche Emotionen und das Immunsystem besser verstehen
25. Juli 2022, von Christina Krätzig
Foto: privat
23 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Exzellenzuniversität Hamburg erhalten im Jahr 2022 Gelder aus dem Ideen- und Risikofonds. Die Forschenden bereiten damit Drittmittelprojekte vor, die zu einer Profilinitiative oder einem Potenzialbereich der Universität passen. Insgesamt stellt die Universität knapp 842.000 Euro zur Verfügung. Wir stellen drei Projekte vor.
Prof. Dr. Esther Diekhof: Warum stecken sich manche Menschen an und andere nicht?
Umgeben von Menschen mit einer ansteckenden Krankheit, steckt sich nicht jede oder jeder gleichermaßen an. Manche Personen bleiben von Krankheitserregern rätselhafterweise unbehelligt. Dieses bisher noch unverstandene Phänomen will die Humanbiologin und Neurowissenschaftlerin Esther Diekhof mit ihrem Team untersuchen. „Wir haben deutliche Hinweise darauf gefunden, dass bestimmte Abwehrmechanismen des Immunsystems bereits auf visuelle Reize reagieren, noch vor einem direkten Kontakt mit dem Krankheitserreger. Wirken diese Mechanismen proaktiv beim Anblick einer kranken Person, ist der oder die Betrachtende vermutlich besonders gut vor einer Ansteckung geschützt“, erklärt die Juniorprofessorin an der Universität Hamburg.
Mit 26.000 Euro aus dem Ideen- und Risikofonds will Prof. Diekhof diesem Erklärungsansatz nachgehen. Sie will Fotos und Filme von Personen mit offensichtlichen Krankheitssymptomen erstellen und diese verschiedenen Versuchspersonen vorführen. Dabei misst sie die kognitive Bewertung dieser Reize, die Antikörperausschüttung im Speichel sowie die Hirnaktivität der Testpersonen im Kernspintomographen. „Idealerweise werden wir so nicht nur weitere Belege für die präventive Aktivierung des Immunsystems durch eine rein visuelle Stimulation finden, sondern auch Hinweise darauf, welche Hirnareale an dem Abwehrmechanismus beteiligt sind und warum dieser Mechanismus bei verschiedenen Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt ist“, sagt sie.
Wenn ihre Vorstudie erfolgreich verläuft, möchte die Wissenschaftlerin einen größeren Drittmittelantrag bei der DFG einreichen. Ihr Forschungsvorhaben ist im Potenzialbereich Infektionsforschung an der Universität Hamburg angesiedelt.
Dr. Jens Lange: Was sind Emotionen – und wieso treten manchmal verschiedene gleichzeitig auf?
Was Emotionen sind, weiß jeder – so lange, bis er oder sie sie definieren soll. So lautet nicht nur ein bekanntes Bonmot in der Psychologie, tatsächlich steht eine allgemeingültige Definition von Emotionen noch aus. Darüber hinaus sind viele Fragen rund um die menschlichen Gefühle noch offen: Werden sie eher durch allgemeine Themen, konkrete Dinge oder durch bestimmte Situationen ausgelöst? Wie schaukeln sich Emotionen in Gruppen hoch? Oder warum weckt ein bestimmter Auslöser bei unterschiedlichen Menschen unterschiedliche Emotionen.
„Um wirksame Methoden der Intervention entwickeln zu können, müssen wir erst einmal verstehen, was Emotionen genau sind. Nur auf dieser Basis ist es möglich, beispielsweise Menschen mit Depressionen nachhaltig zu helfen oder extreme, bisher unverständliche Phänomene wie Massenpaniken unterbinden zu können“, erklärt Dr. Jens Lange, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Psychologie.
Mit den knapp 4000 Euro, die ihm aus dem Ideen- und Risikofonds der Universität Hamburg zugesprochen wurden, wird er Probandinnen und Probanden Videos von Naturkatastrophen vorführen und untersuchen, ob sie gleichzeitig Erstaunen und Angst auslösen und wie das genau funktioniert. Zum anderen möchte er Versuchspersonen im Rahmen ihres normalen Alltags zu ihren aktuellen Gefühlen befragen, und das mehrmals täglich. Damit testet er eine Versuchsanordnung, die – wenn sie funktioniert – später eine wichtige Komponente in einer drittmittelfinanzierten Forschung wäre, beispielswiese im Rahmen eines ERC Starting Grants. https://www.eubuero.de/erc-stg.htm
Die Forschung von Dr. Lange ist im Kontext der universitären Profilinitiative Veränderungsmechanismen angesiedelt.
Zusätzliche Förderlinie Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Data Science
Prof. Dr. Natalia Filatkina und Dr. Julia Hübner:
Wie haben einfache Menschen in der frühen Neuzeit gesprochen?
Im 15., 16. und 17. Jahrhundert waren die europäischen Sprachen noch nicht standardisiert. Es gab – auch für das Deutsche – keine festen Regeln, keinen Duden und keine verbindlichen Grammatikregeln im heutigen Sinn.
„Wie Gelehrte sich ausgedrückt haben, wissen wir durch deren Schriften, aber wie einfache Menschen über Sprache dachten, was sie sich unter gutem Deutsch oder gutem Französisch vorgestellt haben, ist weitaus weniger bekannt“, sagt Prof. Dr. Natalia Filatkina. Gemeinsam mit Dr. Julia Hübner will die Germanistin dies nun anhand von ca. 500 Fremdsprachenlehrwerken untersuchen. Handwerker, verarmte Adlige, Soldaten und andere Reisende nutzten solche Bücher, um sich Fremdsprachen anzueignen. „Es waren auf dünnem Papier gedruckte, billig gemachte Sprachführer für die Hosentasche. Sie enthalten jedoch Musterdialoge, welche uns heute viel über den damaligen Sprachgebrauch verraten“, so Filatkina.
Mit fast 50.000 Euro aus dem Ideen- und Risikofonds wollen die Forscherinnen ein Langzeitvorhaben vorbereiten: Sie suchen geeignete Werke, klären deren Rechte, führen die digitale Volltexterschießung durch und schlüsseln die Texte nach bestimmten Merkmalen auf. „Dies ist die Voraussetzung dafür, dass diese bisher wenig genutzten Quellen künftig von Forschenden genutzt werden können und dass wir objektive und überprüfbare Forschungsergebnisse aus ihnen ableiten können“, so Filatkina. Wenn der geplante Drittmittelantrag erfolgreich ist, soll das Projekt mindestens zwölf Jahre lang dauern.
Der Ideen- und Risikofonds wurde im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder geschaffen. Mehr Informationen finden Sie auf der Seiten zur Exzellenzuniversität.
Portal der Exzellenzuniversität
Das neue Portal der Exzellenzuniversität kann hier eingesehen werden. Dort gibt es auch einen Überblick über alle Fördermöglichkeiten