Interdisziplinäre Lehrveranstaltung zum Duft der AntikeAlte Geschichte trifft auf Chemie
23. September 2021, von Christina Krätzig
Die Universität Hamburg fördert im Wintersemester 2021/22 interdisziplinäre Lehrtandems. Diese Tandems bestehen aus je zwei Lehrenden unterschiedlicher Fakultäten oder Fachrichtungen, die gemeinsam ein innovatives Lehrformat zum Themenkomplex „Mobilitäten“ entwickelt haben. Wir stellen eines der Projekte vor.
Safran, Zimt und Rosenblüten: Duftstoffe waren bei den Wohlhabenden im antiken Griechenland und im Römischen Reich äußerst beliebt. „Ihr Einsatz ging weit über die Verwendung als Parfüm für eine einzelne Person hinaus. Man desodorierte damals auch Haustiere, Stoffe, ganze Räume und sogar Gebäude wie Theateranlagen, Thermen oder Bibliotheken“, sagt Justine Diemke, die die Lehrveranstaltung gemeinsam mit einem Kollegen und einer Kollegin aus dem Fachbereich Chemie leitet.
Diemke ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Alte Geschichte und promoviert zu psychischen Krankheiten in der Antike. Bei ihrer Beschäftigung mit antiken Texten stieß sie auf die olfaktorischen Spuren. „Hinweise auf die Verwendung von Duftstoffen finden sich in ganz verschiedenen Quellen“, erklärt sie. Botaniker, Mediziner oder Philosophen von damals haben darüber geschrieben, Rezepte überliefert – oder sogar den übertriebenen Einsatz von Düften kritisiert. „Beispielsweise berichtet Plinius der Ältere, dass Kaiser Nero bei der Bestattung seiner zweiten Gattin Poppaea im Jahr 65 n. Chr. eine volle Jahresernte Weihrauch verbrennen ließ. Diese maßlose Nutzung von Duftstoffen wurde als negativ ausgelegt“, erzählt Diemke. Einzelne philosophische Strömungen wie die Stoiker und Kyniker haben den Gebrauch von Luxusgütern wie Parfums gerügt – und galten gleichzeitig selbst als eine wenig wohlriechende Gruppe. Kein Wunder: „Viele predigten Bedürfnislosigkeit und traten für ein einfaches Leben ein. Der um 413 v. Chr. geborene Diogenes von Sinope soll sogar in einer Mülltonne genächtigt haben; er hat bestimmt nicht besonders gut gerochen“, so Diemke.
Statt ätherischer Öle kam parfümiertes Olivenöl zum Einsatz
Eine echte Vorstellung davon, wie es in der Antike gerochen hat, haben wir heute jedoch nicht. Griechen und Römer haben die Zutaten anders aufbereitet als es heute üblich ist. „Heute gewinnen wir die in Pflanzen befindlichen Duftstoffe meist durch Destillation, das heißt, durch Erhitzen und Abscheiden der enthaltenen ätherischen Öle. Die so gewonnenen Duftstoffe sind intensiv, aber auch flüchtig“, sagt die Chemikerin Skadi Kull. „Damals wurden Zutaten wie beispielswiese Rosenblätter meist in Olivenöl eingelegt. Wie stark ein so parfümiertes Öl geduftet hat und wie lange sich sein Geruch hielt, wissen wir nicht.“
Die experimentelle Nachahmung der antiken Rezepte ist die einzige Möglichkeit, der olfaktorischen Wirklichkeit von damals auf die Spur zu kommen: Ein chemischer Nachweis der verwendeten Duftstoffe ist nicht möglich. „Wir wissen nicht, wie lange die Grundstoffe in Öl eingelegt worden oder wie sie filtriert wurden“, erklärt Justine Diemke. „Zwar sind Rezepte überliefert, aber leider keine genauen Anweisungen zur Vorgehensweise.“
Ein Workshop soll zeigen, wie aus Rosenblättern ein Rosenduft wird
Gemeinsam mit Studierenden der Alten Geschichte will das Lehrtandem in mehreren Workshops Parfumöle herstellen. Dabei verwenden die Studierenden Zutaten, die es in der Antike schon gab. In einem ersten Durchgang ließen sie Bockshornklee, Blütenblätter und Kardamonsamen nur einen einzigen Tag lang im Olivenöl ziehen. Das Ergebnis duftete relativ schwach nach diesen Zutaten. Beim nächsten Versuch werden sie alles länger ziehen lassen – und hoffen, sich so langsam an die besten Düfte heran zu tasten.
Die Exzellenzuniversität Hamburg fördert im Wintersemester 2021 acht Lehrtandems im Rahmen des Ausbaus des Studium Generale. Jedes Lehrtandem erhält bis zu 6.000 Euro aus Mitteln der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder.