Mathematischer Neurowissenschaftler zum Nucleus-Professor berufen„Ich möchte den Code der Neuronen knacken“
27. Juli 2021, von Christina Krätzig
Foto: privat
Prof. Dr. Stefano Panzeri ist neuer Nucleus-Professor an der Universität Hamburg. Mit der Ausschreibung dieser Professuren möchte die Universität führende Forschungspersönlichkeiten gewinnen und die Entwicklung von Potenzialbereichen wie beispielsweise „Neurowissenschaften und Kognitive Systeme“ vorantreiben. Die Ausschreibung der Nucleus-Professuren (von Nucleus, lateinisch „Kern“) erfolgt im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder.
Herr Panzeri, Sie sind mathematischer Neurowissenschaftler. Was erforschen Sie genau?
Ich erforsche, wie die Nervenzellen im Gehirn miteinander kommunizieren. Die Nervenzellen oder Neuronen senden dazu kleine Stromimpulse aus, ähnlich wie der Morsecode, den Telegrafen früher verwendet haben. Wir verstehen jedoch noch nicht, wie das genau funktioniert, weil wir die Sprache oder den Code nicht kennen, den die Neuronen verwenden. Als mathematischer Neurowissenschaftler möchte ich diesen Code „knacken“. Dafür benutze ich Computerrechenmodelle. Wichtig ist darüber hinaus der enge Kontakt mit Forschenden, die klinische Experimente durchführen.
Handelt es sich dabei eher um Grundlagenforschung oder geht es um praktische Anwendungen?
Ich selbst betreibe Grundlagenforschung. Aber der Grund, warum ich diese Forschung mache, ist anwendungsbezogen. Denn die Fähigkeit, mit dem Nervensystem zu kommunizieren, ist der Schlüssel, um neue Wege bei der Heilung eines beeinträchtigten Nervensystems zu finden. Würden wir den Code der Nervenzellen verstehen, könnten wir Nervenzellen gezielt dazu bringen, bestimmte Impulse auszusenden und so wie gewünscht zu kommunizieren. Oder wir könnten einem Menschen auf ganz neuartige Weise helfen, wenn eines seiner peripheren Organe, beispielsweise die Netzhaut, geschädigt ist, sein Gehirn aber intakt ist. Es klingt vielleicht noch wie Science Fiction, aber man könnte sein Sehvermögen wiederherstellen, indem man die Netzhaut umgeht und visuelle Reize direkt an den visuellen Kortex sendet.
Ihre Professur ist eine Nukleus-Professur; eine Stelle also, mit der die Universität Hamburg die Forschung in Potenzialbereichen wie beispielsweise „Neurowissenschaften und Kognitive Systeme“ stärken möchte. Welche Pläne möchten Sie als Nucleus-Professor gern umsetzen?
Ich möchte die besonderen Chancen der Nucleus-Professur nutzen, indem ich dazu beitrage, die Zusammenarbeit zwischen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in den Laboren und denjenigen in der klinischen Forschung zu intensivieren. In den Labors wurde durch das Studium von Zellen viel Wissen über die Funktionsweise des Gehirns gewonnen. Aber es ist nicht immer einfach zu verstehen, welche Auswirkungen die dabei entdeckten zellulären Mechanismen auf die Funktion des gesamten Gehirns haben – oder auf das Verhalten von Patientinnen und Patienten in der Klinik. Computermodelle sind großartige Werkzeuge, um diese beiden Ebenen zu vereinen.
Sie stammen aus Italien, haben zuvor in Großbritannien und in den USA gearbeitet. Worauf freuen Sie sich nun in Hamburg?
Nun, eher nicht auf das Wetter! Aber Hamburg und insbesondere das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf gehören zu den wenigen Orten in Europa, die in der neurowissenschaftlichen Forschung sowohl in den Labor-Neurowissenschaften als auch im klinischen Bereich stark sind. Diese einzigartige doppelte Stärke bietet ein ideales Umfeld für meine Forschung. Da ich mich leidenschaftlich für sie einsetze, freue ich mich am meisten auf die großartige Wissenschaft, die ich mit meinen neuen Kolleginnen und Kollegen künftig in Hamburg betreiben kann!