Studie zum Umgang mit Corona-Toten – beruhigende Ergebnisse für Angehörige und BestattungsinstituteWie ansteckend sind Verstorbene mit dem Coronavirus?
7. Juni 2021, von Christina Krätzig
Foto: KatarzynaBialasiewicz
Seit sich das Coronavirus in Deutschland verbreitet, herrscht Unsicherheit bei denen, die mit den Verstorbenen umgehen müssen. Sind infizierte Tote ansteckend? Wie groß ist die Gefahr, wie kann man sich schützen? Dr. med. Antonia Fitzek vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf geht diesen Fragen nach.
Alle paar Tage fährt Antonia Fitzek zusammen mit ihrer Kollegin Julia Schädler und weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Hamburger Krematorien an, um eine zweite Leichenschau an den Verstorbenen durchzuführen, die verbrannt werden sollen. „In Gesprächen mit den Mitarbeitenden dort oder in Kirchen haben wir im vergangenen Jahr ein hohes Maß an Verunsicherung festgestellt“, berichtet sie. Denn: „Diese Berufsgruppen müssen die Verstorbenen berühren, haben aber aufgrund einer fehlenden medizinische Ausbildung kaum Hintergrundwissen zu einem adäquaten Umgang mit Schutzmaßnahmen, um sich vor ansteckenden Krankheiten zu schützen. In den Diskussionen um das Coronavirus wurden sie weitestgehend vergessen.“
Deshalb beschloss die junge Assistenzärztin gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen, die von den Toten möglicherweise ausgehende Ansteckungsgefahr systematisch zu untersuchen. Vergleichbare Analysen waren im Frühjahr 2020 europaweit kaum vorhanden. Ärztinnen und Ärzte gingen zwar davon aus, dass sich die Coronaviren durch Tröpfcheninfektionen verbreiten, trotzdem herrschte Unsicherheit, ob das Berühren der Haut von Verstorbenen, von Leichensäcken oder Särgen nicht doch eine Ansteckungsgefahr bergen könnte.
Abstriche an Verstorbenen sollen zeigen, wie groß die von ihnen ausgehende Infektionsgefahr ist
Mithilfe einer Förderung der Universität Hamburg aus Mitteln der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder konnte die Studie im Sommer 2020 beginnen. Die Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner untersuchten 33 Hamburger Tote, bei denen PCR-Tests Coronaviren in den Nasen-Rachenabstrichen nachgewiesen hatten. „Zusätzlich haben wir bei allen Toten fünf Abstriche von der Haut angefertigt“, erklärt Fitzek. „Vom Mundbereich beispielsweise, weil das Vorhandensein von Viruspartikeln dort naheliegt. Aber es wurden auch die Schultern und Arme untersucht; Stellen also, die Bestatterinnen und Bestatter häufig berühren.“
In den Abstrichen von der Haut ließen sich häufiger Virusfragmente nachweisen. Es gelang aber nicht, die Viren im Labor zu kultivieren; das heißt, sie zu einer Reproduktion zu bewegen. Dies hätte auf eine bestehende Infektiösität hingedeutet. „Die Abstriche enthielten in keinem einzigen Fall Virusmaterial, das sich vervielfältigen ließ“, sagt die Rechtsmedizinerin. „Damit haben wir gezeigt, dass man sich mit großer Wahrscheinlichkeit durch bloße Berührungen nicht anstecken dürfte. Ein professioneller Umgang mit den Verstorbenen mit ausreichender Schutzausrüstung ist also ohne Angst und Unsicherheit möglich.“
Bluttests enthüllen, wer bereits eine Infektion durchgemacht hat
Antonia Fitzek und Julia Schädler gingen für ihre Studie jedoch noch einen Schritt weiter. Sie nahmen Mitarbeitenden von Friedhöfen und Bestattungsunternehmen Blut ab, um zu untersuchen, wie viele sich – möglicherweise unwissentlich – bereits mit SARS-CoV-2 infiziert hatten. Und sie befragten sie nach ihren Sorgen und Wünschen.
Die Umfrage zeigt, dass sich knapp die Hälfte der 56 Befragten noch Ende des vergangenen Jahres nicht ausreichend informiert fühlte. Schutzkleidung sei zwar ausreichend vorhanden, aber knapp ein Drittel der Befragten gab an, dass diese bei der Arbeit nicht durchgehend getragen wird – ohne Angabe von Gründen. Einige wünschten sich hier sogar Kontrollen durch externe Gutachter.
Viele Befragte hatten den Verdacht, dass sie bereits eine nicht diagnostizierte Corona-Infektion durchgemacht hatten. Doch die Analyse der Blutproben lieferte ein anderes Ergebnis. „Lediglich zwei Prozent der Untersuchten haben bereits Antikörper gegen das Virus. Diese Quote ist ähnlich hoch wie beim Bevölkerungsdurchschnitt“, stellt Fitzek fest. Dieses Ergebnis untermauert noch einmal ihre Erkenntnis, dass das Risiko einer Ansteckung beim sachgemäßen und professionellen Umgang mit den Verstorbenen nicht so hoch ist wie befürchtet.
Die Ergebnisse könnten den Umgang mit den Toten verändern – auch für Angehörige
Die Bestatterinnen und Bestatter nahmen die vorab kommunizierten Studienergebnisse mit großer Erleichterung auf. Doch auch die Angehörigen der Verstorbenen könnten von den Erkenntnissen profitieren. Denn derzeit gelten rigide Vorschriften für sie. Sie dürfen den Toten nicht nahekommen und sie zumeist nicht noch einmal sehen. „Das ist traurig, denn für viele ist ein Abschied am Sarg ein wichtiger Teil des Trauerns“, sagt Fitzek. „Aus meiner Sicht legen unsere Studienergebnisse nahe, dass die derzeit geltenden Regeln überdacht werden könnten.“
Dr. med. Antonia Fitzek wurde von der Exzellenzuniversität Hamburg mit 10.000 Euro gefördert. Der Fonds „Mehr Weitblick nach der Coronavirus-Krise“ wird aus Mitteln der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder finanziert. Eine Publikation der Studienergebnisse finden Sie hier. Weitere Publikationen sind in Vorbereitung.