Förderung studentischer ForschungsgruppenMode der Zukunft? Kleiderkauf ohne Stoff
21. Januar 2021, von Christina Krätzig
Die Universität Hamburg schreibt im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder eine neue Förderrunde für studentische Forschungsprojekte aus. Derzeit fördert sie in diesem Programm 17 Projekte, darunter eins zur Erforschung von digitaler Mode.
Judith Brachem und Lucas Stübbe studieren Kunstgeschichte im 2. Mastersemester beziehungsweise im 7. Bachelorsemester. In ihrem Forschungsprojekt untersuchen sie die zunehmende Verlagerung des Lebens in digitale Räume – und den daraus folgenden Trend, Mode nur noch virtuell zu erschaffen.
Frau Brachem, Herr Stübbe: Sie beschäftigen sich mit virtueller Mode – was ist das genau?
Lucas Stübbe: Es handelt sich um Kleidungsstücke, die in der realen Welt nicht existieren. Sie werden am Computer entworfen und dreidimensional programmiert. Wer sie kauft, kauft keinen Gegenstand, sondern Bilder von sich selbst in dem entsprechenden Kleidungsstück.
Welchen Sinn hat das?
Judith Brachem: Was der Sinn von Mode ist, haben sich Menschen schon immer gefragt. Mode unterscheidet sich von Kleidung durch ihren Wechsel: Kleidung kann ich ewig tragen, Mode erfindet sich jedes Jahr, jede Saison oder sogar jeden Monat neu. Dabei geht es um eine Inszenierung des Selbst. Ein Mensch braucht Mode nicht, um sich warm zu halten, sondern um der Welt zu zeigen, wer er oder sie ist. Mit Hilfe von Mode drückt man die Zugehörigkeit oder eben auch die Abgrenzung von bestimmten Gruppen aus.
Lucas Stübbe: Und das funktioniert mit virtuelle Mode natürlich auch. Heute werden auch reale Kleidungsstücke manchmal nur gekauft, um sich auf Social-Media-Kanälen darin zu präsentieren. Diese Entwicklung gab es schon vor Corona, aber durch die Pandemie hat sie sich beschleunigt. Wir verlagern die Inszenierung unseres Selbst ins Private und ins Virtuelle. Es ist ein folgerichtiger Schritt, diese dafür benötigte Kleidung nicht mehr real zu produzieren. Es gibt ja auch schon rein virtuelle Influencer oder Influencerinnen wie beispielsweise Lil Miquela. Das ist ein Avatar, also eine Kunstfigur, die auf Instagram 2,8 Millionen Follower hat.
Ist der Kauf von virtueller Mode nachhaltiger als der Kauf von echten Kleidungsstücken?
Judith Brachem: Der Nachhaltigkeitsaspekt spielt definitiv eine Rolle. Um virtuelle Mode zu produzieren, muss man beispielsweise keine Baumwolle anbauen und damit keine natürlichen Ressourcen verbrauchen.
Lucas Stübbe: Trotzdem braucht die Produktion von virtuellen Kleidungsstücken auch Ressourcen wie zum Beispiel Datenmengen und Arbeitszeit. Heute gibt es übrigens auch Übergänge. Große Marken produzieren Designerstücke real und virtuell, damit Kundinnen und Kunden die Kleidungsstücke im Internet anprobieren können, um zu entscheiden, ob sie die echten Stücke kaufen. Das ist ziemlich verbreitet und funktioniert beispielsweise beim Brillenkauf ziemlich gut.
Was planen Sie im Rahmen Ihres Forschungsprojekts, wie gehen Sie es an?
Lucas Stübbe: Wir werden die vorhandene Literatur zu dem noch jungen Phänomen sichten und Interviews mit Forschenden sowie mit Designerinnen und Designern führen. Dafür wollen wir beispielsweise nach London reisen, wo die derzeit wichtigsten virtuellen Labels sitzen. Ende 2021 planen wir eine Ausstellung, in der wir unsere Ergebnisse präsentieren.
Judith Brachem: Und wie bei Kunstgeschichtlerinnen und Kunstgeschichtlern üblich, beschäftigen wir uns auch mit den Werken selbst. Ich erwäge beispielsweise gerade eine Anschaffung eines virtuellen Kleidungsstücks. Es wäre mein erstes.
Was müssen Sie dafür ausgeben – und wie funktioniert das genau?
Judith Brachem: Das geht bei 30 Euro los. Ich muss zwei Fotos einsenden, gut belichtet und in enganliegender Kleidung. Diese wird dann durch das virtuelle Kleidungsstück ersetzt. Das ist finanziell am unteren Ende der Skala. Wenn man mehr Geld ausgibt, bekommt man manchmal sogar Bewegtbild zurück: kurze Filmsequenzen, in denen das neue Kleidungsstück bei meinen Schritten mitschwingt oder im Wind weht.
Jetzt bewerben: Neue Förderrunde startet
Die Förderung für studentische Forschungsgruppen geht in die 2. Runde. Bis zum 28. Februar 2021 können sich Interessierte bewerben. Aus den Mitteln der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder stehen insgesamt 100.000 Euro zur Verfügung, maximal 10.000 Euro pro Einzelprojekt.
Wer Interesse an einer Bewerbung hat, findet hier die erforderlichen Unterlagen: