Ideen- und RisikofondsNeue Forschung zu Aristoteles, Nahrungspflanzen und menschlichem Prognoseverhalten
4. August 2020, von Christina Krätzig
Foto: UHH/privat
Seit Mai 2020 erhalten 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Hamburg Gelder aus dem im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder neu geschaffenen Ideen- und Risikofonds. In dem einjährigen Förderzeitraum sollen sie ein größeres Drittmittelprojekt vorbereiten. Wir stellen drei Projekte vor.
Prof. Dr. Petra Steinorth, Betriebswirtin und Professorin für Risikomanagement und Versicherung: Wie wirken sich die Gene auf wirtschaftliche Prognosen aus?
Wie die Entwicklung des Aktienmarktes oder der Verlauf einer Krankheit beurteilt werden, unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Aber warum ist das so? Sind die Einschätzungen eine Folge des Wissens und der Erfahrungen, die eine Person zuvor gemacht hat? Oder ist es uns auch angeboren, wie wir Risiken bewerten – gibt es also eine sogenannte genetische Disposition? Um dies herauszufinden, wird Prof. Dr. Petra Steinorth mindestens 500 bis 1000 Probandinnen und Probanden bitten, anhand von vorgegebenen Informationen Vorhersagen über Finanzzeitreihen zu treffen.
„Dabei werde ich untersuchen, ob sich Typen identifizieren lassen, deren Prognosen immer in ein bestimmtes Muster passen; das heißt also beispielsweise, deren Prognosen häufig den zuvor erstellten Prognosen gleichen oder die neue Informationen nicht auseichend einbeziehen“, sagt Steinorth. Falls diese Typisierung gelingt, möchte die Betriebswirtin eine DFG-Förderung beantragen und in einem Folgeprojekt auch die Genetik der Probandinnen und Probanden mit einbeziehen. „Noch handelt es sich um reine Grundlagenforschung; wir wollen einfach verstehen, wie Menschen Entscheidungen treffen“, so Steinorth. Das Wissen darüber, welche Faktoren bei Risikobewertungen oder im Prognoseverhalten eine Rolle spielen, reicht in viele Lebensbereiche hinein: Sei es die Frage, für welche Form der Altersvorsorge sich Menschen entscheiden, oder wie ein Arzt einen Krankheitsverlauf vorhersagt und behandelt.
Dr. Michael Engel, wissenschaftlicher Mitarbeiter an Institut für Jüdische Philosophie und Religion: Wie beeinflusste Aristoteles die Denker der Renaissance – und wann begann sein Einfluss zu schwinden?
In der Renaissance, zwischen 1450 und 1600 nach Christus, wurde mehr über den griechischen Philosoph Aristoteles geschrieben als in allen vorangegangenen Jahrhunderten zusammen – und das, obwohl der 384 vor Christus geborene Aristoteles das Denken der christlichen, jüdischen und arabischen Welt seit der Antike maßgeblich geprägt hatte. Der Historiker Dr. Michael Engel geht diesem bisher wenig untersuchten Phänomen in seinem Projekt nach. „Ich möchte aufzeigen, wie die Popularität von Aristoteles kurz nach Erfindung des Buchdrucks explodierte – und vielleicht erste Hinweise auf das Ende seiner alles überragenden Stellung finden“, sagt Engel.
Denn mit Beginn der Neuzeit änderte sich die Denkweise von Forschenden grundlegend: Hatte Aristoteles noch versucht, das Wesen des Menschen oder der Natur in erster Linie durch reines Denken zu erfassen, begannen Wissenschaftler wie Nikolaus Kopernikus oder Galileo Galilei nun, Messungen oder Experimente zur Beantwortung ihrer Fragen durchzuführen. In italienischen Archiven wird Engel nach Originalquellen suchen und diese zusammen mit den bereits bekannten Quellen in einer Online-Datenbank zur Verfügung stellen.
Dr. Monique Liebers, Postdoktorandin am Institut für Pflanzenwissenschaften und Mikrobiologie: Wie können Nahrungspflanzen ertragreich bleiben, wenn sich das Klima verändert?
Die Weltbevölkerung wächst rasant – und mit ihr der Bedarf an Nahrungsmitteln. Doch der Klimawandel erschwert vielerorts den Anbau von Nahrungspflanzen. Beispielsweise tolerieren nicht alle Pflanzen einen Anstieg von Sonnenstunden: Starklicht kann die Zellbestandteile zerstören, in denen die für das Pflanzenwachstum entscheidende Photosynthese stattfindet. Die Folge sind Pflanzen, die weniger Biomasse produzieren und weniger Erträge bringen.
„Es gibt jedoch Eiweißstoffe, die Zellen helfen können, sich an eine vermehrte Sonneneinstrahlung anzupassen. Eines dieser Eiweiße ist das noch wenig erforschte Protein SCO4“, sagt die Biologin Dr. Monique Liebers. Sie will untersuchen, ob dieses Protein künftig bei einer Optimierung von Nutzpflanzen genutzt werden kann, um die Anbaugebiete von so wichtigen Pflanzen wie Weizen, Reis und Soja zu erweitern.
Dafür muss die Biologin herausfinden, wo das Protein in der Zelle vorkommt, was es genau bewirkt und mit welchen anderen Eiweißen es interagiert. Das ist ein aufwändiger Prozess: Sie muss das Protein vervielfältigen und einen Antikörper herstellen. Mithilfe des Antikörpers kann sie die Eiweißstoffe, die mit SCO4 interagieren, aus der Modelpflanze Acker-Schmalwand isolieren. Im Anschluss kann sie diese Interaktionspartner mittels verschiedener Analysemethoden identifizieren und bestätigen. „Wie gut sich meine Forschung auf Nahrungspflanzen übertragen lässt, kann ich noch nicht abschätzen“, so Dr. Liebers. Die Übertragung soll erst Teil eines DFG-Projekts sein, das sie 2021 beantragen will.