Auf der Suche nach dem antikem KlebstoffStudentische Forschungsgruppen - neue Förderrunde gestartet
24. Juni 2020, von Christina Krätzig
Studium braucht Praxis – und eine gute Möglichkeit dafür sind freiwillige Forschungsgruppen. Hier entwickeln Studierende Apps für Shuttlebusse, erneuern den Apothekergarten am Institut für Pharmazie oder rekonstruieren antike Leinenpanzer. Bis zum 31. Juli 2020 können sich Interessierte für die Förderrunde 2020 bewerben. Aus den Mitteln der Exzellenzstrategie stehen insgesamt 100.000 Euro zur Verfügung, maximal 10.000 Euro pro Einzelprojekt.
Der Krieger hockt in einer seltsamen Pose: Sein Körpergewicht lagert auf dem rechten Fuß, während er das linke Bein und den linken Arm vorstreckt. „Ihm fehlt sein Bogen“, erklärt Martin Horst, der Alte Geschichte im Hauptfach studiert und sein Nebenfach Archäologie bereits abgeschlossen hat. Mehr als die nicht vorhandene Waffe des Schützen interessiert ihn jedoch die Kleidung, welche die Herkules-Statue aus dem fünften Jahrhundert v. Chr. trägt. „Über die damals weit verbreiteten Leinenpanzer wissen wir wenig“, sagt der Student, während er die antike Rüstung in der Gipsabguss-Sammlung der Universität analysiert. „Wir kennen sie aus der Literatur, von Vasenbildern und Skulpturen wie dieser, aber nur ein einziges, winziges Fragment hat die Zeit überdauert.“
Eine Rüstung aus Stoff und Kleber – kann das funktionieren?
Bekannt ist: Die Leinenpanzer waren ungefähr einen Zentimeter dick und bestanden aus mehreren Stoffschichten, die mithilfe eines aushärtenden Kleisters aufeinander geklebt wurden. Der Leinenstoff wurde aus Flachs hergestellt. Vermutlich haben die Ehefrauen oder Sklaven der griechischen Kämpfer ihn zu Garn gesponnen und den Stoff gewebt. Weil sie nicht von Spezialisten hergestellt werden mussten, waren Leinenpanzer vermutlich nicht nur leichter und bequemer als Bronzepanzer, sondern auch günstiger.
„Noch sind wir auf der Suche nach dem richtigen Klebstoff“, sagt Justine Diemke, die ebenfalls zu der studentischen Forschungsgruppe gehört, die den Panzer rekonstruieren will. „Anfänglich haben wir Kleber aus Leinsaat, also aus Flachssamen, verwendet. Das hat aber nicht funktioniert, die Stoffschichten ließen sich leicht wieder auseinander ziehen.“ Deswegen experimentieren die Studierenden jetzt mit Klebstoff aus Hasen- und Kaninchenfellen. Von ihm ist bekannt, dass er in der Antike verwendet wurde.
„Wir werten historische Quellen aus und orientieren uns an den belegten Fakten“, erklärt Martin Horst die Herangehensweise an die Suche nach dem richtigen Kleber – und an die experimentelle Archäologie generell. Wichtig sei auch, die Kampfweise der Griechen zu berücksichtigen. Welche Bewegungen mussten die Krieger ausführen, welche Körperteile waren exponiert?
Form follows function: Wenn es um Leben und Tod ging, dürfte dieses Motto auch in der Antike gegolten haben
Im ersten, halbwegs fertiggestellten Panzer steht Martin Horst neben dem historischen Vorbild. Das Original der Statue befindet sich in einem Münchner Museum, doch für seine Zwecke reicht die Hamburger Gipskopie vollkommen aus. Er testet die Bewegungsfreiheit, die Träger und Armausschnitte lassen und studiert die Länge des Panzers, den der Bogenschütze trug. „Schmale Stoffstreifen am unteren Rand schützen den Unterleib. Noch wissen wir nicht, wie sie mit dem Brustpanzer verbunden waren“, grübelt Horst.
Fragen müsse man auch, welche Belastungen der Panzer aushalten musste. Sollte er einem Schwerthieb trotzen, einem heranschwirrenden Pfeil oder einer aus mittlerer Distanz geschleuderten Lanze? „All das wollen wir ausprobieren“, erklären Justine Diemke und Martin Horst gemeinsam. In dem Projekt „Linothorax“ wollen sie auch überprüfen, ob der Kleber aus Tierresten wirklich die ideale Basis bildet. Oder ob ein anderer, bisher unbekannter Werkstoff vielleicht noch effektiver ist.
Der Beitrag ist zuerst in der aktuellen Ausgabe der 19NEUNZEHN erschienen.
Unterlagen zur Bewerbung
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