Neues ExStra-Förderprogramm „Postdoctoral Fellowships”Geld für die Erforschung von Wundern und des Werts der Wissenschaft
20. Mai 2020, von Christina Krätzig
Foto: UHH/Kranz, Koscholke privat
Mit dem im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder neu geschaffenen Förderprogramm „Postdoctoral Fellowships” unterstützt die Universität Hamburg promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Potentialbereichen der Universität. Nun stehen die ersten Fellows fest.
Der Philosoph Dr. Jakob Koscholke und der Literaturwissenschaftler Dr. Rogier Gerrits sind die ersten Postdoktoranden, deren Forschungsvorhaben die Universität Hamburg ab sofort durch das Förderprogramm „Postdoctoral Fellowships“ unterstützt. Die Geförderten erhalten ein hohes Sachmittelbudget: 20.000 Euro pro Jahr, über einen Zeitraum von drei Jahren.
Herr Gerrits, Herr Koscholke, was haben Sie mit diesem Geld vor?
Rogier Gerrits: Ich werde mich unter anderem auf Archivreisen begeben. Ich erforsche die Darstellung von Wundern in der Frühen Neuzeit in Frankreich und möchte herausfinden, wie Wunder in dieser Zeit auf Gemälden oder in Gedichten, in Predigten oder Augenzeugenberichten festgehalten wurden. Ich hoffe, dass ich zeitgenössische Schriftstücke in den großen Bibliotheken finde, beispielsweise in der Nationalbibliothek in Paris. Aber ich möchte auch in der Provinz nach Spuren von Wundern suchen und möglicherweise bisher unbekannte Quellen erschließen.
Jakob Koscholke: Ich werde zu Konferenzen reisen und auch selbst zu Tagungen einladen. Bisher gibt es kein Netzwerk, das sich auf europäischer Ebene zu meinem Forschungsthema austauscht, also zum Wert von Wissen für den Einzelnen und für die Gesellschaft. Bisher erfolgt der Austausch der Philosophinnen und Philosophen, die sich mit dieser Fragestellung beschäftigen, eher über ihre Veröffentlichungen. Das finde ich unbefriedigend.
Wie lautet Ihre zentrale Forschungsfrage?
Jakob Koscholke: Ich befasse mich mit der Frage nach dem Wert von Wissen. Seit der Antike ist diese Frage eine der Grundfragen der philosophischen Erkenntnistheorie. Schon Platon hat sich damit auseinander gesetzt. Heute scheinen gesellschaftspolitische Entwicklungen diesen Wert ja infrage zu stellen: Wir leben in sogenannten post-faktischen Zeiten. Das bedeutet aus meiner Sicht, dass eine Abgrenzung von Wissen gegenüber bloßer Meinung dringend notwendig ist.
Rogier Gerrits: Ich möchte herausfinden, wie ein Wunder, also ein von Natur aus eher unglaubliches Ereignis, glaubwürdig dargestellt wird. Das ist ja ein Paradox, dem ich mich mithilfe literaturwissenschaftlicher Methoden und einer interdisziplinären Herangehensweise nähern werde.
Was fasziniert Sie an Ihrem Forschungsgebiet besonders?
Jakob Koscholke: Ich finde die Verfahren spannend, mit denen sich Philosophen heute der Frage nach dem Wert von Wissen nähern. Ich habe neben Philosophie auch Logik studiert, deswegen macht es mich neugierig, dass sich mein Forschungsgebiet auch mit Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung oder der Spieltheorie untersuchen lässt.
Rogier Gerrits: Wunder haben Menschen schon immer fasziniert. Sie lösen bei Beobachtern eine Wissenlust aus. Der Glaube an Wundern spielt in der katholischen Kirche bis heute eine Rolle. Wenn ich mich Wundern und ihrer Darstellung in der Frühen Neuzeit nähere, interessiert es mich, wie sich diese Faszination künstlerisch umsetzen lässt.
Haben Sie selbst schon mal ein Wunder erlebt?
Rogier Gerrits: Nein, dazu bin ich viel zu nüchtern.
Anfang August beginnt auch der Förderzeitraum des dritten Postdoktoranden, der 2020 ausgewählt wurde. Dr. Doru Constantin Doroftei ist Philosoph, Sprachwissenschaftler und Judaist.
Postdoctoral Fellowships
In diesem Förderprogramm sollen sich besonders qualifizierte Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus dem In- und Ausland durch die eigenverantwortliche Leitung eines Forschungsprojektes für den nächsten Karriereschritt, also etwa die Berufung auf eine Junior- oder W2-Professur oder die Leitung einer Nachwuchsgruppe qualifizieren. Durch die freie Wahl eines Forschungsthemas (Open Topic-Modell) versucht die Universität zudem die Potentiale eines fächerübergreifenden Diskurses für Forschung und Lehre sichtbar zu machen.
Das Programm ist offen für Berwerberinnen und Bewerber aus den Potentialbereichen aller Fakultäten. Dass die Wahl diesmal auf Kandidaten aus den Geistes- und Sozialwissenschaften fiel, ermöglicht es der Universität, einem Auftrag des Wissenschaftsrats zu folgen und diesen Bereich zu stärken.
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