Willkommen an Bord„Es gibt keinen besseren Ort, um den muslimischen Glauben und seine verschiedenen Ausdrucksformen kritisch zu erforschen, als die Universität.“Prof. Dr. Ali Ghandour verstärkt die Geisteswissenschaften
4. November 2024, von Ghandour /Red.
Foto: privat
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor. Dieses Mal: der muslimische Theologe Prof. Dr. Ali Ghandour.
Prof. Dr. Ali Ghandour ist zum Wintersemester 2024/25 von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster nach Hamburg gekommen und hat an der Fakultät für Geisteswissenschaften eine Professur für Islamische Theologie angetreten.
Mein Forschungsgebiet in drei Sätzen:
Meine Forschung umfasst drei weitgefächerte Bereiche. Der erste beschäftigt sich mit verschiedenen Aspekten der muslimischen Philosophie, insbesondere der Metaethik, der Religionsphilosophie, der politischen Philosophie sowie dem Sufitum, also der muslimischen Mystik. Der zweite Bereich widmet sich der gelebten Religion, insbesondere ihrem Wandel von der Vormoderne zur Moderne. Der dritte Bereich behandelt das Thema Sexualität in muslimischen Kontexten – sowohl aus kulturhistorischer als auch aus ethischer Perspektive.
Und so erkläre ich meiner Familie, worum es da geht:
Ich untersuche den Glauben von Muslim:innen und dessen vielfältige Ausdrucksformen, sei es in Texten oder Praktiken. Dabei gehe ich zum einen abstrakten Fragen nach, etwa: „Was macht eine Handlung zu einer guten Handlung?“ oder „Wie beeinflusst die politische Geschichte der Muslim:innen ihre Glaubensvorstellungen?“. Zum anderen interessieren mich aber auch persönliche Erfahrungen, beispielsweise in der Mystik oder im alltäglichen religiösen Leben. Zudem betrachte ich, wie der Glaube verschiedene Lebensbereiche prägt, etwa in Mythen.
Darum freue ich mich auf Hamburg – auf die Stadt und die Universität:
Zum einen freue ich mich sehr, an einer der renommiertesten Universitäten Deutschlands tätig zu sein und auf den Austausch mit den verschiedenen Kolleg:innen der Universität. Ein solcher Austausch ist besonders wertvoll für ein junges Fach wie die Islamische Theologie, das davon nur profitieren kann.
Was die Universität Hamburg besonders macht, ist die Tatsache, dass der Fachbereich Religionen durch verschiedene Glaubensgemeinschaften in Forschung und Lehre vertreten ist. Das fördert nicht nur den interreligiösen Dialog, sondern ermöglicht tiefere Einblicke in die unterschiedlichen Traditionen, die für ein besseres Verständnis der Rolle von Religionen in der heutigen Gesellschaft unerlässlich sind.
Schließlich erinnert mich Hamburg immer an meine Heimatstadt Casablanca, wo ich die ersten 18 Jahre meines Lebens verbracht habe. Beide Städte sind Hafenstädte und ich habe eine besondere Verbindung zu Städten, die am Wasser liegen und den maritimen Flair eines großen Hafens besitzen.
Das sind meine Pläne an der Uni Hamburg – in Bezug auf Transfer, Lehre o. Ä.:
Zum einen möchte ich gemeinsam mit meiner Kollegin, Professorin Mira Sievers, das neue Institut für Islamische Theologie weiter ausbauen und spannende Studiengänge sowie Lehrpläne entwickeln.
Meine ersten Forschungsprojekte an der Universität Hamburg befassen sich mit Fragen der Metaethik sowie mit muslimischen Mythologien.
Darüber hinaus ist der Wissenstransfer zwischen der Universität und der breiten Öffentlichkeit ein wichtiges Anliegen. Dazu plane ich verschiedene Formate wie Kooperationen mit Gemeinden und Institutionen in Hamburg. Ergänzend dazu möchte ich eine digitale Präsenz durch Social Media und Podcasts schaffen, um eine breitere Zielgruppe zu erreichen.
Darum sollten Studierende unbedingt meine Veranstaltungen besuchen:
Zum einen sind die Themen in meinen Veranstaltungen besonders spannend, weil sie oft Bereiche abdecken, die in muslimischen Communities zu kurz kommen. Dazu gehören etwa Fragen der politischen Philosophie, der Metaethik und der gelebten Religion. Diese Themen betreffen nicht nur theologische, sondern auch gesellschaftliche und persönliche Fragen, die für das Verständnis der eigenen religiösen Identität wichtig sind.
Zum anderen versuche ich, in meinen Veranstaltungen auch Elemente aus dem Alltag und der Popkultur einzubinden – seien es Filme, Serien, Anime oder Videospiele. Diese dienen entweder als Beispiele für philosophische und theologische Diskussionen oder als Grundlage, um bestimmte Aspekte der behandelten Themen anschaulich zu machen. Dadurch schlage ich eine Brücke zwischen abstrakten Theorien und alltäglichen Erfahrungen und schaffe eine kreative und unterhaltsame Lernatmosphäre. Meine Veranstaltungen vereinen also sowohl Sachlichkeit als auch Fun.
Blick in die weite Welt – mit diesen internationalen Einrichtungen, Universitäten oder Institutionen arbeite ich zusammen:
Was die Fragen zur gelebten Religion betrifft, arbeite ich eng mit Kolleg:innen der Universität Utrecht und der Universität Leipzig zusammen. Im Bereich der Philosophie kooperiere ich mit Kolleg:innen der University of California und der Universität Wien.
Darüber hinaus werde ich meine Verbindungen zu Forscher:innen aus Tunesien, Marokko und Ägypten an das Institut der Universität Hamburg einbringen. Ich plane zudem, die Zusammenarbeit mit Instituten in Nordafrika und Südostasien weiter auszubauen, da ich fest davon überzeugt bin, dass die im deutschsprachigen Raum gewonnenen Erkenntnisse der Islamischen Theologie in muslimisch geprägten Ländern wertvolle Impulse liefern können.
Darum ist meine Forschung für die Gesellschaft wichtig:
Das Thema Islam und Muslim:innen ist stark präsent im öffentlichen Diskurs. Sachliche, faktenbasierte Informationen sowie neue Erkenntnisse können meiner Meinung nach wertvoll sein – sowohl für die breite Öffentlichkeit als auch für Medien, Politik und alle, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen. An der Universität Hamburg bilden wir zudem zukünftige Lehrer:innen aus, die später an unterschiedlichen Schulen tätig sein und als Multiplikator:innen wirken werden. Meine Arbeit in der Forschung und Lehre hat zum Ziel, diesen Studierenden eine fundierte Ausbildung zu ermöglichen, von der später ihre Schüler:innen und somit die Gesellschaft insgesamt profitieren können.
Darüber hinaus ist meine Forschung auch für den innermuslimischen Diskurs von Bedeutung – insbesondere, wenn es um die Frage geht, auf welchen Grundlagen der Glaube im 21. Jahrhundert verstanden und praktiziert werden soll. Eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition sowie Offenheit gegenüber Erkenntnissen aus anderen akademischen Disziplinen sind meiner Ansicht nach unerlässlich. Langfristig hoffe ich, dadurch einen positiven Beitrag zu diesem Diskurs leisten zu können. Es gibt aus meiner Sicht keinen besseren Ort, um den muslimischen Glauben und seine verschiedenen Ausdrucksformen kritisch zu erforschen, als die Universität.