Institut für Zell- und Systembiologie der TiereZum Semesterstart summt es auf dem Uni-Dach
14. Oktober 2024, von Claudia Sewig
Sie kamen in Kisten aus Mecklenburg-Vorpommern, rund 4000 Individuen an der Zahl: Auf dem Dach des Instituts für Zell- und Systembiologie der Tiere am Martin-Luther-King-Platz sind vier Bienenvölker eingezogen. Sie sollen der Forschung und der Lehre an der Universität Hamburg dienen – und gehören einer ganz besonderen Unterart an.
Initiator der Bienenhaltung ist Dr. Matthias Braun. Der promovierte Mikrobiologe ist nicht nur neuer Leiter der Tierhaltung und Tierschutzbeauftragter an der Universität Hamburg, sondern er ist auch Imker und Bienensachverständiger. „Das Grindelviertel ist ideal für die Bienenhaltung. Mit Planten un Blomen um die Ecke können wir die ganzjährige Versorgung der Bienen gewährleisten“, sagt Braun, während er die letzten Stufen zum Flachdach des sechsgeschossigen Gebäudes erklimmt.
Hinauf geht es zu den besonderen „Dunklen Bienen“ (Apis mellifera mellifera), auch Nordbienen genannt. Diese Unterart, in der Imkerschaft oftmals auch als Bienenrasse bezeichnet, war seit Ende der letzten Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren in Mittel- und Nordeuropa die einzige einheimische Honigbiene, die als Wildtier in den Wäldern von Frankreich bis Sibirien lebte. Sie ist eine natürlich entstandene Unterart der Westlichen Honigbiene (Apis mellifera). „Die Dunkle Biene ist unsere alte Bienenrasse, die sich genetisch maximal anpassen konnte – das macht sie heute extrem spannend für die Klimafolgeforschung“, erklärt Braun einen Grund, warum er sich für die Haltung dieser Bienen entschieden hat. Seit dem Zweiten Weltkrieg sei sie in Deutschland nahezu ausgestorben, verdrängt durch importierte Bienen (Apis mellifera carnica) aus südlichen und östlichen Regionen.
Unruhig auf der Wabe, aber ansonsten tiefenentspannt
Auf dem Dach angekommen streift sich Dr. Matthias Braun seinen Imkeranzug über und nimmt den Smoker zur Hand, in dem er Sägespäne glimmen lässt. Der Rauch beruhigt die Bienen. „Eigentlich bräuchte ich beides gar nicht. Die Dunkle Biene ist nicht stechlustig, das ist ein altes Gerücht – die Tiere sind unruhig auf der Wabe, aber ansonsten tiefenentspannt“, sagt er, öffnet die erste Beute und pustet den Rauch ins Innere.
Beuten, so nennen Imker die verschieden konzipierten Kästen, in denen sie die Völker halten. Matthias Braun hat zwei unterschiedliche Arten im Betrieb: Zwei traditionelle Zanderbeuten, schlichte Holzkästen, und zwei höhere Beuten, die aus Dänemark kommen und innen mit Schilfhalmen ausgestattet sind. Durch das besondere Klima, das die Halme erzeugen, sollen die gefürchteten Varroamilben, die als Parasiten die Bienen schädigen, zu einem geringeren Befall der Völker führen. Ob das funktioniert, möchte Braun gerne ausprobieren.
Auf den Waben in den Rahmen im Inneren der Beute wimmelt es von Bienen. Die Tiere sind durch ihre dunkle Grundfarbe auch für Laien von den bisher bei uns verbreiteten Honigbienen gut zu unterscheiden; eine gelbe Zeichnung fehlt fast völlig. Auch ist die Kopfform größer und breiter und das Hinterleibs-Ende etwas stumpfer als bei den bekannteren Schwestern.
Bachelor- und Forschungsarbeiten möglich
Nach den letzten schönen Sommertagen, an denen die Bienen noch etwas Nektar eingetragen und in den Waben abgelegt haben, steht nun der kältere und nassere Herbst an. Matthias Braun sieht darin kein Problem: „Die Dunkle Biene fliegt bei jedem Wetter. Und sie ist viel genügsamer in der Haltung als Apis melifera carnica. Ich könnte mir denken, dass das auch für die Obstbauern im Alten Land interessant sein könnte.“ Zwar gebe es in Hamburg bereits Imker, die Dunkle Bienen hielten, dieses seien aber in der Regel Hybride. Von den neuen Universitätsbienen hingegen seien drei Völker reinrassig. „Das kann man über die Morphologie der Flügel bestimmen“, sagt der Bienen-Experte.
Züchten will er die Bienen nicht. Nachdem sie sich über den Winter eingelebt haben, möchte Braun den neuen Lehrbienenstand nutzen, um Studierenden und Angehörigen der Universität in Kursen das Imkern beizubringen. Währenddessen möchte er selbst die Dunkle Biene studieren, über die man noch recht wenig wisse: „Wie reagiert sie auf die Varoamilbe? Welche Zusammensetzung hat ihr Honig? Ich möchte die Tiere verstehen, könnte mir auch die Vergabe einer Bachelorarbeit zum Polleneintrag bei der Dunklen Biene vorstellen“, sagt er. Zu einer Ausgründung der Universität Hamburg im Informatikbereich gäbe es bereits einen ersten Kontakt, um neue Sensoren in den Beuten zu installieren. Sie können und sollen die geheime Sprache der Bienen erkunden, das Klima innerhalb der Beuten messen und erkennen, ob das Bienenvolk ausschwärmen möchte oder ob Feinde wie die invasive Asiatische Hornisse den Bienenstock belagern und angreifen.
Doch vorerst füttert Dr. Matthias Braun die vier Völker mit Sirup, um sie gut über den Winter zu bringen. Die Wintertraube, also die Gesamtheit der Bienen, die jetzt nur noch aus weiblichen Tieren besteht, hält das Innere der Beuten kontinuierlich bei 37-40 Grad Celsius – und garantiert so das Überleben der Königinnen. Diese kann man an ihrem metallisch glänzenden, grünen Punkt auf dem Rücken erkennen, mit dem der Imker, der die vier Völker verkauft hat, sie markiert hat. Je eine sitzt über den Winter in einer der vier Beuten hoch über dem Martin-Luther-King-Platz, inmitten ihres Volkes. Im Frühjahr sind sie es dann, die durch die Eiablage die Völker auf 40.000-80.000 Tiere anwachsen lassen. Die dann ihrerseits vom Dach des Instituts ihre ersten Flüge gen Planten un Blomen absolvieren werden.