Willkommen an Bord„Was Menschen tun und wie sie Welt gestalten, lässt sich nicht mit Regeln oder Zahlen erklären“Prof. Dr. Ruzana Liburkina verstärkt die Geisteswissenschaften
1. Oktober 2024, von Liburkina/Red.
Foto: UHH/Esfandiari
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor. Dieses Mal: Kulturwissenschaftlerin Prof. Dr. Ruzana Liburkina.
Prof. Dr. Ruzana Liburkina kommt von der Goethe-Universität Frankfurt am Main und hat zum Wintersemester eine Professur für Empirische Kulturwissenschaft an der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Hamburg angetreten.
Mein Forschungsgebiet in drei Sätzen:
Meine Forschung ist kultur- und sozialanthropologisch und zielt damit letztlich auf ein besseres Verständnis dessen ab, wie menschliches (Zusammen)Leben organisiert und mit Bedeutung versehen wird. Menschen bewegen sich wiederum nicht etwa im luftleeren Raum, sondern immer in ganz konkreten physischen, technologischen und diskursiven Umwelten. Die Beziehungen zwischen Menschen, Wissen, Technik und Natur untersuche ich dort, wo sie tagtäglich ausgehandelt werden und sich folgenreich verfestigen – zum Beispiel im lebenswissenschaftlichen Labor, in der Landwirtschaft oder rund um toxische Industriealtlasten.
Und so erkläre ich meiner Familie, worum es da geht:
Was hat die Arsenbelastung von einem Gewässer mit Arbeitslosigkeit zu tun, die Reispflanze mit politischer Verantwortung und Flüssigstickstoff mit Neoliberalismus? Einige Geistes- und Sozialwissenschaftler:innen beschäftigen sich vor allem damit, was in Menschen vorgeht, andere damit, was zwischen Menschen passiert. Ich gehöre zu denen, die sich Verbindungen zwischen Dingen unterschiedlichster Art anschauen und wie diese Verbindungen die Alltage von Menschen prägen.
Darum freue ich mich auf Hamburg – auf die Stadt und die Universität:
Meine Kindheit habe ich in Sankt Petersburg verbracht, der nördlichsten Millionenstadt der Welt, inmitten von Kanälen und Brücken, unweit der Ostsee. Nach Hamburg zu kommen, fühlt sich deshalb in gewisser Hinsicht schon jetzt ein wenig so an, wie nach Hause zu kommen, obwohl ich die Stadt noch gar nicht gut kenne. Das ist vielleicht ein wenig seltsam, aber sehr schön. Und an der UHH zu arbeiten ist für mich ein Privileg, weil es hier so viele Strukturen, Projekte und Initiativen gibt, die im Einklang mit meinen Forschungsinteressen stehen.
Das sind meine Pläne an der Uni Hamburg:
Ganz grundlegend möchte ich problemorientierten interdisziplinären Austausch fördern, sowohl unter Geistes- und Sozialwissenschaftler:innen als auch den mit Naturwissenschaftler:innen. Wenn wir bewusst Kenntnis nehmen von anderen Wissensformen und -beständen, kann unsere spezifische Fachexpertise eigentlich nur profitieren.
Ein Beitrag dazu kann und sollte auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen: über die Vermittlung interdisziplinärer Skills in der Lehre, mittels der Öffnung fachinterner Diskussionsformate, aber auch in von Grund auf gemeinsam organisierten Workshops, Vortragsreihen und Projektanträgen. Das alles gemeinsam mit Kolleg:innen sowie Studierenden zu planen und umzusetzen, ist ungeheuer spannend und ich freue mich schon sehr darauf!
Darum sollten Studierende unbedingt meine Veranstaltungen besuchen:
In meinen Veranstaltungen geht es viel um Perspektivwechsel und unbequeme Diskussionen. Das findet ganz grundlegend inhaltlich statt – allein schon, weil die Empirische Kulturwissenschaft das Alltägliche, Routinierte problematisiert und ausdrücklich zum Forschungsgegenstand macht.
Darüber hinaus motiviere ich Studierende aber auch gezielt dazu, sich in strittige Positionen hineinzuversetzen, Kontroversen und Ambivalenzen auszuhalten, über aktuelle spezifische Problemstellungen nachzudenken und die Grenzen des Seminarraums auszuloten. So übt sich nicht nur kritisches analytisches Denken, sondern auch Wertschätzung und Wissenstransfer. Dabei läuft es alles andere als unpragmatisch: Am Ende von Lehrveranstaltungen sollen die Studierenden mit einem gut gepackten Koffer an Konzepten, Ansätzen und Einsichten ausgestattet sein, in den sie im weiteren Verlauf ihres Studiums und darüber hinaus jederzeit greifen können und problemlos Nützliches finden.
Darum ist meine Forschung für Gesellschaft wichtig:
Was Menschen tun und wie sie Welt gestalten, lässt sich nicht allein mithilfe universeller Regeln, Prinzipien oder Zahlen erklären oder abbilden. Es ist je nach Zeit und Kontext verschieden und oft unberechenbar. Deshalb wird im Zusammenhang mit vielen grundlegenden und komplexen Problemen unserer Zeit der Ruf nach geistes- und sozialwissenschaftlicher Forschung laut, die eben dieser Diversität und Unwägbarkeit gerecht wird – sei es rund um den Klimawandel oder die Digitalisierung.
Aktuell untersuche ich konkret, welche unterschiedlichen Ansätze es gibt, toxische Umweltbelastung in Angriff zu nehmen, und welche Effekte sie jeweils haben. Wenn wir die bestehenden Bemühungen im Detail verstehen und daraufhin befragen, was sie voraussetzen, wem sie nützen und inwiefern, haben wir eine solide Grundlage, um über künftige Lösungsstrategien nachzudenken.