Zwischen Hausarbeiten und Olympia: Studierende im Leistungssport„Meine Familie und mein Freundeskreis, alle kommen nach Paris“
23. Juli 2024, von Anna Priebe
Foto: Worldsportpics
Vom 26. Juli bis 11. August 2024 finden in Paris die Olympischen Spiele statt. Im deutschen Team werden auch Studierende der Uni Hamburg um Medaillen kämpfen. Insgesamt sind an der UHH 30 Leistungssportlerinnen und -sportler immatrikuliert. Drei von ihnen berichten, wie sie Studium, Training und Wettkämpfe vereinbaren. Dieses Mal Hockeyspielerin Viktoria Huse.
Alter: 28 Jahre
Sportart: Hockey
Studiengang: Lehramt Sek I+II (Sport/Geografie)
Bisherige Erfolge u. a.: Hallenweltmeisterin 2018, Europameisterin im Hallenhockey 2022
Vor zehn Wochen habe ich mir bei einem Spiel das Schienbeinköpfchen angebrochen. Ich habe mir große Sorgen gemacht, dass ich nicht rechtzeitig fit werde. In den vergangenen Jahren habe ich eigentlich alle Spiele gespielt und gehöre zur Stammmannschaft, aber am Ende ist die Teilnahme an Olympischen Spiele eine Leistungsentscheidung. Kurz vor dem Nominierungslehrgang war ich dann wieder auf den Beinen und bin jetzt umso erleichterter, dass ich Teil des Teams bin, das nach Paris fahren darf.
Ich freue mich total auf die Spiele, die nochmal ganz anders werden als die in Tokio. Meine Familie und quasi der gesamte Freundeskreis wollen vorbeikommen. Ich glaube, auch im olympischen Dorf wird viel mehr los sein. Meine Uni-Sachen werde ich wohl mitnehmen. Ich habe keine Vorlesungen mehr, muss aber noch zwei Hausarbeiten und die Masterarbeit schreiben. Meine Mitspielerinnen machen sich auch schon ein bisschen lustig, weil diese Projekte schon etwas länger offen sind. Wenn ich in der Vorbereitung mal den Kopf dafür habe, werde ich mich dransetzen. Aber wenn man ehrlich ist, bleibt dafür kaum Zeit.
Den Studienplatz habe ich über die Spitzensportlerquote bekommen, mit der einige Plätze speziell für Leistungssportlerinnen und -sportler reserviert sind. Daher nehme ich die Chance besonders ernst. Sowohl mein Bachelor- als auch mein Masterstudium waren dabei geprägt durch ein sehr gutes Miteinander mit den Dozentinnen und Dozenten. Im Hockey gibt es immer Phasen, in denen man zu Hause ist und wenig Spiele hat. Da habe ich dann meistens die Präsenzsachen erledigt oder Praktika absolviert. Teilweise durfte ich Kurse auch etwas früher buchen, um die wählen zu können, bei denen ich sicher vor Ort bin. Trotzdem hatte ich durch die Turniere im Semester schon mal fünf oder sechs Fehltermine in Lehrveranstaltungen. Das haben wir dann frühzeitig besprochen und ich konnte meine Leistungen anders erbringen oder habe Extra-Aufgaben bekommen.
„Die Leidenschaft, die ich für den Sport habe, übertrage ich als Lehrkraft auf die Schülerinnen und Schüler“
Aus dem Sportstudium habe ich viel für den Leistungssport mitgenommen. Ich kann zum Beispiel Inhalte zur Trainingssteuerung direkt anwenden. Super finde ich auch, dass ich so viele verschiedene Sportarten ausprobieren konnte, zum Beispiel Ski- oder Kanufahren. Zudem ist ein Sportteam einer Schulklasse von der Dynamik her durchaus ähnlich. Daher haben mir Seminare zu Klassenführung oder zum Umgang mit Störungen sehr geholfen, mich als Führungspersönlichkeit weiterzuentwickeln.
Gleichzeitig kann ich viel aus dem Leistungssport in mein Studium und in die Arbeit mit den Klassen einbringen. Durch den Sport bin ich stressige Situationen gewöhnt und sehr resilient. Das hilft mir in der Schule. Natürlich ist der Sportunterricht etwas ganz anderes als Spitzensport, aber die Leidenschaft, die ich für den Sport habe, übertrage ich als Lehrkraft auf die Schülerinnen und Schüler. Ich habe richtig Lust auf das, was ich denen erzähle, und das steckt an.
Ich freue mich schon sehr auf die Arbeit als Lehrerin, weiß aber noch nicht genau, wann ich starte. Ich kann eine Klasse nicht gut auf das Abitur vorbereiten und gleichzeitig sechs Wochen in Argentinien ein Turnier spielen. Daher möchte ich mein Referendariat nicht machen, während ich noch Leistungssport betreibe. Ich müsste nach dem Masterabschluss also entweder den Sport pausieren oder das Referendariat später beginnen. Eine richtige Entscheidung habe ich da noch nicht getroffen.
Jetzt ist der Fokus aber auch erstmal voll auf den Olympischen Spielen – und das ist gut so. Mitte Juli geht es nach Frankreich, wo wir noch Trainingsspiele haben. Am 28. Juli starten wir ins Turnier. Ich fahre auf jeden Fall nach Paris, um eine Medaille mitzubringen. In Tokio hat das nicht geklappt, dementsprechend will ich jetzt das Bestmögliche rausholen.