Willkommen an Bord„Für die Islamische Theologie ist Hamburg ein ‚Place to be‘“Prof. Dr. Mira Sievers verstärkt die Geisteswissenschaften
8. Juli 2024, von Sievers/Red.
Foto: Dorothé Bogner
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor. Dieses Mal: die muslimische Theologin Prof. Dr. Mira Sievers.
Prof. Dr. Mira Sievers ist zum Sommersemester 2024 von der Humboldt-Universität zu Berlin nach Hamburg gekommen und hat an der Fakultät für Geisteswissenschaften die Professur für Islamische Theologie angetreten.
Mein Forschungsgebiet in drei Sätzen:
Ich beschäftige mich mit mehreren Teilbereichen der Islamischen Theologie, schwerpunktmäßig mit der islamischen systematischen Theologie (arabisch Kalām) und mit der Auslegung des Korans. Besonders interessieren mich ethische Diskussionen, die auch eine große Relevanz für gegenwärtige Fragen haben. Häufig betreibe ich meine Forschung aus einer genderbezogenen und interreligiösen Perspektive.
Und so erkläre ich meiner Familie, worum es da geht:
Für Muslim:innen sind der Koran und weitere Texte der islamischen Tradition nicht irgendwelche Texte, sondern sie spielen eine zentrale Rolle für die Deutung der Welt. Gleichzeitig sind sie aber auch Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung an der Universität. Die Islamische Theologie fragt daher: Wie lassen sich diese Texte – angesichts unserer heutigen Lebensrealitäten – angemessen verstehen? Wie sind sie entstanden, wie wurden sie in der Vergangenheit gelesen und was bedeuten sie für Muslim:innen? An der Universität geschieht diese Beschäftigung auf einer wissenschaftlichen Grundlage, bei der die gegenwärtigen Forschungen unterschiedlicher Disziplinen ebenso berücksichtigt werden wie tradierte Deutungen in den klassisch-islamischen Wissenschaftstraditionen.
Darum freue ich mich auf Hamburg – auf die Stadt und die Universität:
Bislang haben mir alle Menschen, die hier leben oder von hier kommen, gesagt: Hamburg ist die schönste Stadt der Welt! Ich freue mich sehr darauf, diese Überzeugung teilen zu lernen. Die Nähe zum Wasser, die Tradition der Weltoffenheit und das große Angebot an Kultur finde ich äußerst attraktiv.
An der Universität freue mich darauf, mit den Kolleg:innen aus so vielen Wissenschaften – und besonders Theologien – gemeinsam forschen zu dürfen. Die lange Tradition der Islamwissenschaft an der Universität verbunden mit der Akademie der Weltreligionen am Fachbereich Religionen und den vielen spannenden Fächern an der Fakultät für Geisteswissenschaften stellen ein wunderbares Umfeld dar.
Hamburg ist aber auch der Ort, wo mehrere Jahrzehnte vor der ‚offiziellen‘ Gründung des Fachs im Jahr 2010 nicht nur auf hohem Niveau islamische Studien gelehrt und gelernt wurden (und dabei mehrere heutige Professor:innen des Fachs ausgebildet wurden), sondern wo man ebenfalls länger als andernorts interreligiösen Dialog betreibt. Und schließlich war es auch die Universität Hamburg, wo mit Katajun Amirpur die erste Frau auf eine islamisch-theologische Professur in Deutschland berufen wurde. Kurz gesagt: Für die Islamische Theologie ist Hamburg ein place to be.
Das sind meine Pläne an der Uni Hamburg:
In der ersten Zeit möchte ich vor allem dafür arbeiten, dass das neu gegründete Institut für Islamische Theologie zu einem möglichst spannenden Standort für unser Fach wird, an dem man gerne studieren und forschen möchte. Der Aufbau von mehreren Studiengängen steht auf dem Plan, sowohl im Lehramt als auch darüber hinaus.
In einem aktuellen Projekt geht es darum, die islamische Philosophie besser im Schulunterricht zu verankern. In einem anderen entsteht ein interreligiöses Studien- und Quellenbuch zu Themen rund um Geschlechtlichkeit. Mir ist es aber auch wichtig, möglichst viel über die Anliegen der muslimischen Community in Hamburg zu erfahren und die Arbeit der universitären Islamischen Theologie in die Stadtgesellschaft zu tragen.
Darum sollten Studierende unbedingt meine Veranstaltungen besuchen:
Meine Lehrveranstaltungen und die meiner Kolleg:innen bieten die Möglichkeit, sich mit den religiösen Quellen des Islams zu beschäftigen und diese im Angesicht von gegenwärtigen Fragestellungen zu lesen. Dabei geht es darum, die Fähigkeit zu erlangen, sich selbstständig in der theologischen Tradition des Islams bewegen zu können. Es geht aber auch ums Eingemachte: In meinen Lehrveranstaltungen haben gerade auch die schwierigen Themen wie menschliche Willensfreiheit, die Gerechtigkeit Gottes oder die Beziehungen zwischen den Geschlechtern einen wichtigen Platz. Kurz gesagt – es wird nie langweilig!
Blick in die weite Welt: mit diesen internationalen Einrichtungen, Universitäten oder Institutionen arbeite ich zusammen:
Der erste Workshop am Institut im Juni wurde von einer Wissenschaftlerin der City University of New York aus den USA gehalten, aktuell bin ich in Gesprächen über eine Kooperation mit dem Royal Institute for Inter-Faith Studies in Jordanien.
In meinem aktuellen Forschungsprojekt arbeiten wir zur Ehe in den frühen Schriften von Judentum, Christentum und Islam mit Kolleginnen von drei Universitäten zusammen, neben der Universität Hamburg und der Universität Halle von der Stanford University in den USA und der Universität Graz in Österreich. Für die Zukunft ist die Zusammenarbeit mit weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen geplant, etwa aus der Türkei und Katar.
Darum ist meine Forschung für die Gesellschaft wichtig:
Es ist wichtig, dass die öffentliche Diskussion über den Islam und Muslim:innen in Deutschland sachlich und faktenbasiert geführt wird – hier hat die Islamische Theologie die Aufgabe, durch ihre Forschung dazu beizutragen und ihre Expertise einzubringen.
Gerade in einer so schwierigen Situation wie seit dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023, dem Gaza-Krieg und der Diskussion über das Zusammenleben in Deutschland ist es beispielsweise wichtig, die wechselseitige Bezogenheit von Judentum, Christentum und Islam im Blick zu behalten und aufzuzeigen, inwiefern die drei Religionen und ihre Theologien historisch sowie gegenwärtig in Beziehung miteinander stehen.
Meine Forschung ist aber auch für das innermuslimische Gespräch von Bedeutung: Eine Reihe von aktuellen Problemstellungen sind ethischer Natur, sodass die Islamische Theologie hier etwas beitragen kann.