Prominenter Alumnus im Ernst-Cassirer-HörsaalRobert Habeck würdigt Forschungsprojekt „100 Jahre Universität Hamburg“
1. Juli 2024, von Tim Schreiber
Mit dem Erscheinen von Band vier ist das größte Forschungs- und Publikationsprojekt zur Geschichte der Hamburger Universität beendet worden. In seiner Festrede zeigte sich Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Dr. Robert Habeck beeindruckt von der Art und Weise der Universitätsgeschichtsschreibung und erzählte von seiner eigenen Studien- und Promotionszeit in Hamburg.
Ganz konkret erinnerte sich Robert Habeck an seine ausschweifende Beschäftigung mit der Lyrik Friedrich Hölderlins, aber auch an die brummenden Neonleuchtröhren in der Bibliothek des Philosophenturms. Dort verbrachte er für seinen Magisterabschluss im Jahr 1996 und seine anschließende Promotion in deutscher Literaturwissenschaft im Jahr 2000 viel Zeit. Nachdem er zunächst in Freiburg sein Studium der Germanistik und Philosophie begonnen hatte, zog es ihn ins dänische Roskilde und schließlich nach Hamburg. An der UHH fand er eine gute Mischung aus deutscher Universitätstradition und dänischer Reformuniversität. Vor allem schätzte er die hohe Selbstverantwortung und ausgeprägte Eigenständigkeit der Studierenden.
Habeck erklärte augenzwinkernd, nicht alle vier Bände der „100 Jahre Universität Hamburg“ mit ihren mehr als 3000 Seiten, herausgegeben von Rainer Nicolaysen, Eckart Krause und Gunnar B. Zimmermann, gelesen zu haben. Er zeigte sich aber beeindruckt von einigen Schlaglichtern der Rückschau auf 100 Jahre Universitätsgeschichte: Bereits in den 1990er Jahren habe es in der Geographie Aufsätze gegeben, die bis heute erstaunlich aktuell seien und frühzeitig aufgezeigt hätten, wie der menschengemachte Klimawandel die Lebensbedingungen auf der Erde verändert. Bemerkenswert sei auch, dass selbst ein Fach wie die Mathematik an der Uni Hamburg in Teilen politisch und mit Blick auf die Gesellschaft gedacht wurde. „Diese Art der Selbstreflexion und der Selbstkritik beeindruckt mich“, so Habeck. Das ganze Werk gebe zudem einen wertvollen Einblick in die Komplexität von Universität.
„Ein demokratisches Paradebeispiel“
Es sei – so Habeck – gar nicht selbstverständlich, dass eine Universität über sich selbst forscht. Vor allem nicht in dieser Art und Weise mit dem Hinterfragen der eigenen Forschungsleistung und der ständigen Selbstreflexion über die eigene Rolle. Mit der Selbstreflexion und der Öffnung in die gesellschaftliche Realität ist der Ansatz des Projekts nicht nur akademisch, sondern gesellschaftlich wichtig. „In Zeiten wie diesen ist das ein demokratisches Paradebeispiel“, so Habeck, der abschließend noch die größere gesellschaftliche Perspektive eröffnete: „Es ist aktuell das Hauptproblem der Gesellschaft, dass wir lauter Mikrokosmen haben, die sich in sich selbst verfestigen, in sich selbst bestätigen und damit die Fähigkeit verlieren, aufeinander Bezug zu nehmen. Diese Tendenz gibt es in Parteien, in Regierungen, in Staaten, zwischen Staaten und zwischen Wirtschafträumen.“ In diesen Bänden werde diese Tendenz beispielgebend durchbrochen.
Vor der Festrede von Robert Habeck und der abschließenden Fragerunde hatte bereits Prof. Dr. Rainer Nicolaysen als Leiter der Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte und Hauptherausgeber der Bände das Konzept einer demokratischen Universitätsgeschichtsschreibung und die Bedeutung des Hamburger Projekts erläutert, an dem schließlich 135 Autorinnen und Autoren aus allen Bereichen der Universität beteiligt waren. Die vier Bände umfassen 86 Beiträge, 3077 Seiten, 294 Abbildungen und 9670 Fußnoten. Damit sei es das größte Forschungs- und Publikationsprojekt, das es je zur Geschichte der Hamburger Universität gegeben habe. „Vor allem über die bisher kaum erforschte Zeit nach 1945, immerhin drei Viertel der 100 Jahre, wissen wir jetzt viel mehr. Insgesamt erweisen sich die vier Bände für künftige Studien als wahre Fundgrube und als solides Fundament“, so Nicolaysen.
Universitätspräsident Prof. Dr. Hauke Heekeren hatte in seinem Grußwort zuvor den multiperspektivischen Blick des Projekts herausgestellt, der natürlich auf Forschung und Forschende, aber auch auf Studierende und Mitarbeitende gerichtet sei: „Die gesamte Universität wird mit ihren Höhen, Tiefen und Ambivalenzen dargestellt.“ Entstanden sei keine jubelnde Festschrift, wie das es in der Vergangenheit üblich gewesen sei, sondern ein wissenschaftliches Werk, das zu einer vergangenheitsbewussten Institution wie der Uni Hamburg und ihrer Erinnerungskultur passe.
Auch Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank lobte „100 Jahre Universität Hamburg“ als „einzigartiges und begeisterndes Forschungsprojekt“, das die DNA der Freien und Hansestadt Hamburg als Wissenschaftsstadt beeindruckend aufzeige. Fegebank schlug den Bogen zurück zur Gründung der Universität, der ein „langer Kampf“ vorangegangen sei. In Konkurrenz zur Wirtschaft und zum Hafen sei vor mehr als 100 Jahren eine historische und wichtige Entscheidung für die gesamte Stadt getroffen worden.