Willkommen an Bord„Es begeistert mich, Aspekte der außerordentlich vielfältigen jüdischen Geistesgeschichte zu vermitteln“Prof. Dr. Patrick Benjamin Koch verstärkt die Geisteswissenschaften
21. Juni 2024, von Koch/Red.
Foto: privat
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor. Dieses Mal: Judaist Prof. Dr. Patrick Benjamin Koch.
Prof. Dr. Patrick Benjamin Koch hat zum Sommersemester 2024 an der Fakultät für Geisteswissenschaften eine Heisenberg-Professur für Judaistik angetreten.
Mein Forschungsgebiet in drei Sätzen:
Ich erforsche jüdische Moralliteratur sowie kabbalistische Traditionen und ihre transkulturellen Verflechtungen in der frühen Neuzeit. Dabei interessiere ich mich besonders für Fragen, die sich an der Schnittstelle beider Themenkomplexe ergeben, wie etwa das Verhältnis von Moral und Mystik oder Transferprozesse, die esoterisches Wissen einem breiteren Lesepublikum zugänglich machen. Als Judaist nähere ich mich diesen Themen durch das Studium originalsprachiger Quellen, die ich mithilfe verschiedener kultur- und religionswissenschaftlicher Methoden analysiere.
Und so erkläre ich meiner Familie, worum es da geht:
Ich untersuche, wie das Dreiecksverhältnis zwischen Individuum, Gesellschaft und Gottheit von jüdischen Gemeinschaften in verschiedenen Regionen und zu verschiedenen Zeiten verhandelt wurde. Mit anderen Worten: Wie kann sich das Individuum dem Göttlichen nähern und wie kann es die göttliche Sphäre beeinflussen? Welches Verhalten gilt in einer bestimmten Lebenswelt als moralisch gut oder als moralisch verwerflich? Und wie verändern sich die Vorstellungen von zwischenmenschlichen und menschlich-göttlichen Beziehungen in verschiedenen Lebenssituationen?
Darum freue ich mich auf Hamburg – auf die Stadt und die Universität:
Da ich seit nunmehr fast zehn Jahren an der Universität Hamburg tätig bin, kenne ich mein Arbeitsumfeld bereits sehr gut. Die Heisenberg-Professur bietet mir jedoch die einzigartige Möglichkeit, gemeinsam mit den Kolleg:innen des Instituts, des Fachbereichs und der Fakultät die Zukunft und Vernetzung der Judaistik in Hamburg langfristig und nachhaltig mitgestalten zu dürfen. Darauf freue ich mich sehr. Da ich erst vor Kurzem meinen Lebensmittelpunkt nach Hamburg verlegt habe, freue ich mich besonders darauf, die Stadt und ihre Kulturszene zu erkunden, Konzerte zu besuchen sowie die veganen Restaurants und das viele Wasser zu genießen.
Das sind meine Pläne an der Uni Hamburg:
In den kommenden Monaten werde ich mich auf die Einführung des Bachelorstudiengangs „Judaistik“ zum Wintersemester 2024/25 und die Überarbeitung des bestehenden Masterstudiengangs konzentrieren und helfen, unser zehnjähriges Institutsjubiläum vorzubereiten. Zudem werde ich mich verstärkt beim weiteren Aufbau des Fachbereichs Religionen engagieren.
In den kommenden Jahren möchte ich ein internationales Austauschprogramm für Studierende ins Leben rufen, und im Rahmen meiner Heisenberg-Förderung plane ich, mein derzeitiges Forschungsprojekt zu kabbalistischen Heiligenlegenden in der frühen Neuzeit voranzubringen.
Im Exzellenzcluster „Understanding Written Artefacts“ bin ich Teil einer interdisziplinären Projektgruppe, die an einer Pilotstudie zur Erstellung einer interaktiven 3D-Plattform des jüdischen Friedhofs in der Königstraße in Altona arbeitet. Die Plattform soll so gestaltet werden, dass sie einerseits Wissenschaftler:innen wichtige Forschungsdaten zur Verfügung stellt und andererseits die hamburgische jüdische Geschichte in Form von Virtual und Augmented Reality einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht.
Darum sollten Studierende unbedingt meine Veranstaltungen besuchen:
Es begeistert mich, Aspekte der außerordentlich vielfältigen jüdischen Geistesgeschichte zu vermitteln und damit Klischees, die über das Judentum vorherrschen, infrage zu stellen. Dadurch werden im Seminar nicht selten Aha-Erlebnisse hervorgerufen. Ich freue mich daher immer über Studierende aller Fachrichtungen, die offen für Neues sind und Spaß daran haben, mit mir an Themen zu arbeiten, die mich seit vielen Jahren faszinieren.
Blick in die weite Welt – mit diesen internationalen Einrichtungen, Universitäten oder Institutionen arbeite ich zusammen:
Die kleine internationale Gruppe von Forscher:innen der Disziplin „Jüdisches Denken“, der auch ich angehöre, arbeitet sehr eng und kollegial zusammen. Ich habe es immer als großes Privileg empfunden, Teil dieser Community zu sein. Mit meiner Alma Mater, der Hebräischen Universität Jerusalem, verbinden mich viele akademische Freundschaften. Auch mit Kolleg:innen anderer israelischer Universitäten, beispielsweise der Bar-Ilan Universität in Ramat Gan und der Open University in Ra’anana, habe ich in der Vergangenheit kooperiert und plane dies auch in Zukunft fortzusetzen. Darüber hinaus pflege ich gute Kontakte zum Institute for Israel and Jewish Studies der Columbia University in New York und zum Leonard and Helen R. Stulman Jewish Studies Program der Johns Hopkins University in Baltimore, die ich in den kommenden Jahren weiter ausbauen möchte.
Darum ist meine Forschung für die Gesellschaft wichtig:
Die häufigsten Berührungspunkte mit dem Judentum in Deutschland sind nach wie vor die Shoah und der Nahostkonflikt. Dabei wird oft übersehen, wie viel mehr eine ernsthafte Auseinandersetzung mit jüdischen Traditionen und Themen zu bieten hat. Die gesellschaftliche Relevanz unseres Faches zeigt sich erschreckend deutlich im Wiederaufleben antijudaistischer und antisemitischer Ressentiments, die leider auch vor den Toren der Universität Hamburg nicht Halt machen. Und obwohl sich die Judaistik in erster Linie der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Judentum in all seinen Facetten aus historisch-philologischer Perspektive widmet, sehe ich es immer auch als gesellschaftliche Aufgabe meines Faches, vorherrschende Stereotypen und Vorurteile zu dekonstruieren und die Ideale einer pluralistischen Gesellschaft zu verteidigen.
Das Heisenberg-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Spitzenforscherinnen und -forschern den Weg in eine unbefristete Professur ebnen: Das ist ein Ziel des Heisenberg-Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Dabei finanziert die DFG für jeweils fünf Jahre die sogenannten Heisenberg-Professuren, die nach dieser Zeit in den Etat der Universität übergehen.