UHH-Student ist Rekordhalter im Apnoetauchen„Es gibt nichts, was in mir eine so starke Entspannung hervorruft“
6. Juni 2024, von Marie Schlicht
Tolga Taskin studiert im vierten Semester Wirtschaftsinformatik und ist nebenbei Deutscher Meister und Guinness-Weltrekordhalter im Apnoetauchen. Bei dem Sport geht es darum, ohne zusätzliche Atemluft so tief, so lange oder so weit wie möglich zu tauchen. Im Interview erzählt er von seinen Anfängen, seinen Rekorden und warum man am besten kurz einschlafen sollte, bevor man ins Wasser geht.
Herr Taskin, wie sind Sie zum Tauchen gekommen?
Als Kind habe ich die Sommermonate bei meinen Großeltern in der Türkei verbracht. Die haben direkt in einem Haus am Meer gewohnt, an der Türkischen Ägäis. Wenn man dort aufwächst, lernt man Tauchen wie die Kinder in Deutschland Fahrradfahren. Doch nicht nur das Tauchen, auch die Jagd unter Wasser, das sogenannte Harpunieren, ist Teil der türkischen Kultur. Ich habe mich immer an den Rücken meines Opas geklammert und bin mit abgetaucht, um Fische zu fangen. Dadurch fühle ich mich seit meiner Kindheit im Wasser sehr wohl.
Wann haben Sie dann entschieden, Apnoetaucher zu werden?
Da das Harpunieren in Deutschland verboten ist, habe ich das Luftanhalten geübt – das ist ja die Grundlage dafür. Dadurch bin ich zum Apnoetauchen gekommen und habe darin meine neue Leidenschaft entdeckt. Irgendwann habe ich gemerkt, dass die Meter, die ich in die Tiefe tauchen kann, den Rekordwerten immer näherkommen. 2019 habe ich dann den deutschen Rekord im Tieftauchen aufgestellt: Im Kreidesee in Niedersachen bin ich mit einem Atemzug 60 Meter tief getaucht. 2020 habe ich im Weißensee in Österreich den Guinness-Weltrekord geknackt. Es war der tiefste Tauchgang mit einem Atemzug unter einer Eisoberfläche. Das waren 74,8 Meter und insgesamt war ich viereinhalb Minuten unter Wasser.
Wie bereitet man sich auf so eine lange Zeit unter Wasser vor?
Es gibt Atem- und Mentaltechniken, die ich befolge. Zum Beispiel Entspannungsatmungen, die man auch vom Yoga kennt: doppelt so lange ausatmen wie einatmen. Wenn ich das eine Zeit lang mache, dann aktiviere ich den Teil meines Nervensystems, der für die Entspannung zuständig ist. Eigentlich tue ich genau das, was ich auch mache, um einzuschlafen. Ich lege mich hin, mache die Augen zu und lasse meine Gedanken schweifen. Die besten Tauchgänge habe ich tatsächlich, wenn ich kurz vorher einmal eingeschlafen bin. Die Entspannung kann ich mit in die Tiefe nehmen.
Befolgen Sie auch solche Taktiken, wenn Sie unter Wasser sind?
Ja, da werden dann die Mentaltechniken relevant. Am Anfang ist man noch entspannt, ganz im Moment und lässt die Gedanken schweifen. Irgendwann kommt natürlich der Atemreiz und die sogenannte „Strugglephase“. Da gibt es verschiedene Techniken, wie die Visualisierungen eines Wohlfühlorts. Trotzdem muss man unbedingt auf seine physischen Symptome achten. Das Limit ist die Ohnmacht und soweit darf es natürlich nicht kommen. Zur Sicherheit steht aber bei jedem Tauchgang jemand am Wasserrand um passt auf. Das ist das oberste Gebot: Niemals alleine tauchen. Das wäre wie Klettern ohne Sicherung. Wenn ich auftauche, kommt mir zudem immer ein anderer Apnoetaucher entgegen, sodass die Hälfte der Strecke nach oben begleitet werde – eben da, wo es kritisch werden könnte.
Helfen Ihnen die Techniken auch im Studium?
Auf jeden Fall. In Stressmomenten setze ich Atem- und Entspannungstechniken ein. Am meisten hilft es mir aber zu wissen, dass ich abends nochmal ins Wasser gehen kann. Wenn man die Luft anhält, aktiviert man den Säugetier-Tauchreflex. Der führt zu einer Reihe von Anpassungen im Körper. Eine davon ist die Bradykardie, die Verlangsamung des Pulses. Wenn ich nur ans Tauchen denke, wird der Reflex getriggert und ich entspanne mich.
Die meisten Menschen verbinden das Luftanhalten wahrscheinlich nicht mit Entspannung – kann man das trainieren?
Jeder kann das lernen. Man gewöhnt sich physisch und mental daran. Apnoetauchen ist nichts, wobei man leiden muss. Im Gegenteil: Es ist eine der schönsten Möglichkeiten, um einen Ausgleich zu schaffen. Es gibt nichts, was in mir eine so starke Entspannung hervorruft. Ich denke beim Tauchen gar nicht daran, dass ich gerade keine Luft bekomme. Ich bin einfach so lange unter Wasser, wie ich mich wohl fühle. Wenn ich das Bedürfnis bekomme zu atmen, schwimme ich wieder hoch.
Mittlerweile betreiben Sie auch Tauchschulen. Haben Sie sich deswegen für ein Studium in der BWL entschieden?
Ja. Mittlerweile besteht mein Business darin, dass ich Tauchinteressierte an Tauchschulen vermittle. Die Schulen und Lehrenden sind über mich versichert und bekommen die Ausrüstung gestellt. Sie müssen sich um nichts kümmern, außer die Kurse anzubieten.
Podcast mit Tolga Taskin
Noch mehr über das Apnoetauchen erzählte Tolga Taskin in einem Podcast von Deutschlandfunk Nova.