Workshops, Seminare, NetzwerkenJetzt bewerben: Horizonte-Stipendium für Lehramtsstudierende mit Migrationsgeschichte
27. Mai 2024, von Marie Schlicht
Foto: UHH/Schlicht
Leticia Costa Cunha studiert Grundschullehramt im zweiten Semester und wird durch das Horizonte-Stipendium der Claussen-Simon-Stiftung gefördert – ein Programm, das sich an angehende Lehrkräfte mit familiärer Flucht- oder Migrationsgeschichte richtet. Die kommende Bewerbungsrunde startet am 1. Juni. Im Interview erzählt Costa Cunha von den Besonderheiten der Förderung und was sie am deutschen Schulsystem am meisten schätzt.
Sie kommen aus Brasilien, studieren nun in Hamburg – wie ist es dazu gekommen?
Ich bin ursprünglich als Au-pair nach Deutschland gekommen. Meine ehemalige Gastfamilie wohnt in der Nähe von Hamburg und nach Ende des Jahres bei ihr wollte ich gerne in ihrer Nähe bleiben. Nach meinem Au-pair Jahr habe ich dann ein Semester lang einen Deutsch-Intensivkurs besucht und anschließend ein Vorbereitungssemester, ein Propädeutikum, hier am Studienkolleg belegt, um mich auf das Fachstudium vorzubereiten. Dabei habe ich mich in die Stadt verliebt. Seit 2023 studiere ich nun Grundschullehramt mit den Fächern Deutsch, Mathe und Englisch. Auf das Horizonte-Förderprogramm bin ich schon damals im Studienkolleg aufmerksam geworden.
Eine Voraussetzung für die Aufnahme in das Programm ist soziales Engagement. Wie sah das damals bei Ihnen aus?
Ich musste in Brasilien viel für meine Familie da sein und mich um meine drei kleinen Geschwister und kranke Angehörige kümmern. Auch mein Lehramtsstudium im Fach Englisch, das ich damals angefangen hatte, musste ich abbrechen, um meine Familie unterstützen zu können. Dadurch hatte ich keine Zeit, mich vor meinem Au-Pair-Aufenthalt anderweitig sozial zu engagieren. In Deutschland stand dann erstmal das Geldverdienen im Vordergrund, um meine Familie weiter zu unterstützen. Umso mehr freue ich, dass die Stiftung auch familiäres Engagement als soziale Aktivität anerkennt und mir diese Möglichkeit gegeben wird – auch weil ich kein deutsches Abitur habe. Mittlerweile bin ich im Studienalltag angekommen und auch sozial aktiv.
In welchem Bereich engagieren Sie sich?
Ich engagiere mich in einem Projekt der Diakonie Hamburg, das sich „STUBE“ nennt. Das steht für „Studienbegleitprogramm“. Das Projekt richtet sich an Studierende aus dem globalen Süden. Wir sind 30 Studentinnen und Studenten aus ganz verschiedenen Ländern und gemeinsam bilden wir uns zu verschiedenen Themen fort, wie beispielsweise zu Nachhaltigkeit. Dann veranstalten wir dazu Workshops für andere Studierende oder für Schulen.
Zudem werde ich im kommenden Wintersemester bei den Orientierungseinheiten an der Uni Hamburg mithelfen und derzeit bewerbe mich bei PIASTA, um noch mehr internationale Studierende kennenzulernen.
Ein wichtiger Teil des Horizonte-Programms sind regelmäßige Seminare und Trainings. Was lernen Sie dort?
Wir haben jeden Monat ein Tutorium, das thematisch zum Lehramt passt. Im April ging es zum Beispiel um Stimmenbildung, also wie man seine Stimme bewusst im Unterricht einsetzen kann und sie so trainiert, dass sie auf Dauer keinen Schaden nimmt. Zudem haben wir jeden zweiten Monat ein Seminar, in dem es ebenfalls um Lehrkräfteunterstützung geht, zum Beispiel um die Zusammenarbeit mit Eltern. Mein Lieblingsthema bisher war „Migrationshintergrund im Vordergrund“. Da ging es darum, ob es in meinem Klassenzimmer später Thema sein soll, dass ich Migrantin bin. Es war gut, das einmal zu hinterfragen.
Wie profitieren Sie sonst noch von dem Programm?
Es gibt zusätzlich zu der finanziellen Förderung und der regelmäßigen thematischen Unterstützung auch viele tolle Angebote für die Stärkung der eigenen Persönlichkeit. Zu Beginn unseres Stipendiums haben wir zum Beispiel mithilfe eines Coaches verschiedene Ziele definiert. Eines meiner Ziele ist es, später im Klassenzimmer mit Musik zu arbeiten. Im Rahmen des Programms und auch des Studiums möchte ich nun überlegen, wie ich die Einbindung von Musik im Unterricht konkret umsetzen kann.
In ein paar Jahren sind Sie dann Lehrerin. Auf was freuen Sie sich am meisten?
Schon bevor ich nach Deutschland gekommen bin wollte ich Lehrerin werden und als ich durch meine Au-pair-Kinder das Schulsystem hier kennengelernt habe, ist mein Interesse und meine Begeisterung für diesen Beruf noch gewachsen. Es ist so schön zu sehen, dass der Unterricht so nah an den Interessen und verschiedenen Entwicklungsstufen der Kinder ausgerichtet wird. In der Grundschule wird das Wissen noch spielerisch weitergegeben und die Kinder sind so neugierig. Ich freue mich sehr darauf, in dieser frühen Phase mit Kindern zu arbeiten und zu lernen.
Das Horizonte-Stipendienprogramm
Bei dem Horizonte-Stipendienprogramm der Claussen-Simon-Stiftung, der Dürr-Stiftung und der Jürgen Sengpiel Stiftung handelt es sich um ein zweijähriges Stipendium, das neben einer monatlichen finanziellen Unterstützung auch Seminare, Workshops und Coachings anbietet. Das Programm richtet sich an Hamburger Lehramtsstudierende mit Migrationsgeschichte. Die Bewerbungsfrist 2024 beginnt am 1. Juni und endet am 7. Juli. Stipendienbeginn ist der 1. Oktober eines jeden Jahres. Neben den programmeigenen Veranstaltungen gibt es bei der Claussen-Simon-Stiftung zudem übergreifende Angebote, die Stipendiatinnen und Stipendiaten aus allen Bereichen zusammenbringen.