Willkommen an Bord„Die Erschließung von Wirklichkeit ist nicht nur ein rein intellektueller Akt“Prof. Dr. Sebastian Holzbrecher verstärkt die Geisteswissenschaften
16. April 2024, von Holzbrecher/Red.
Foto: privat
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor. Dieses Mal: Theologe Prof. Dr. Sebastian Holzbrecher.
Prof. Dr. Sebastian Holzbrecher ist zum Sommersemester als Professor für „Katholische Theologie“ an die Fakultät für Geisteswissenschaften gekommen. Er war vorher bereits als Privatdozent an der Universität Mainz sowie als Lehrstuhlvertreter an den Universitäten Hamburg, Köln und Regensburg tätig.
Mein Forschungsgebiet in drei Sätzen:
Als katholischer Theologe beschäftige ich mich mit der wissenschaftlich verantworteten Rede von Gott und individuellen sowie kollektiven Glaubensprozessen in Geschichte und Gegenwart. In der zweitausendjährigen Geschichte des christlichen Glaubens liegt mein Forschungsschwerpunkt auf der Frühen Neuzeit und dem 20. Jahrhundert. Die konfessionellen Ausdifferenzierungsprozesse im Zeitalter der Reformation und die zeitgeschichtliche Katholizismusforschung in Ostdeutschland sind dabei meine Hauptforschungsgebiete.
Und so erkläre ich meinen Freunden worum es da geht:
Ich erforsche beispielsweise, warum sich Menschen Diktaturen und Tyranneien widersetzen und dabei ihr Leben einsetzen. Welche Rolle spielt dabei ihr persönlicher Glaube an Gott und die Überzeugung, dass der Einsatz für Arme und Benachteiligte auch dann Sinn und Bedeutung hat, wenn er nach den Maßstäben dieser Welt umsonst und vergeblich war?
Darum freue ich mich auf Hamburg – auf die Stadt und die Universität:
Alster oder Elbe – das ist eine beliebte Frage. Warum nur eines, wenn man in Hamburg beides haben kann? Ein Sonnenuntergang an den Landungsbrücken und ein Spaziergang entlang der Außenalster: das sind meine persönlichen Hamburg-Momente. Ganz weit oben auf meiner To-do-Liste für die Stadt steht deshalb der Segelschein. An der Universität Hamburg spüre ich auf vielen Ebenen den Geist des Aufbruchs, der mit Wertschätzung, Tatendrang und Offenheit verbunden ist. Davon möchte ich sehr gerne ein Teil sein.
Das sind meine Pläne an der Uni Hamburg:
Zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen möchte ich das Institut für Katholische Theologie weiter ausbauen, dabei neue Studiengänge auf den Weg bringen und die Zusammenarbeit im jüngst gegründeten Fachbereich Religionen verstärken. In gemeinsamen Forschungsprojekten, Lehrveranstaltungen und Exkursionen möchte ich die Theologie interdisziplinär weiter vernetzen.
Darum sollten Studierende unbedingt meine Veranstaltungen besuchen:
Die europäischen Universitäten des Mittelalters wurden als Gemeinschaft aus Lehrenden und Studierenden gegründet. In den Lehrveranstaltungen, aber auch darüber hinaus, teilte man nicht nur Wissen, sondern auch das Leben, weil die Erschließung von Wirklichkeit nicht nur ein rein intellektueller Akt ist. In der akademischen Lehre geht es mir vor allem darum, sich gegenseitig Zusammenhänge und Wissen näherzubringen und Ideen, Konzepte, Personen und Entwicklungen kritisch reflektieren zu lernen.
Darum ist meine Forschung wichtig für die Gesellschaft:
Nach fast 35 Jahren deutscher Einheit ist die Diskussion um den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Graben zwischen Ost und West so präsent wie eh und je. Wann wächst zusammen, was zusammengehört oder ist die (öffentliche) Rede von der inneren Einheit nicht längst von handfesten Realitäten überholt worden?
Im Bereich der zeitgeschichtlichen Katholizismusforschung möchte ich durch komparative Studien den Blick dafür schärfen, dass 1990 nicht zwei deutsche Staaten und Kirchen wie Zwillinge, die 1945 getrennt wurden, wiedervereinigt wurden. Es lagen schon zuvor durchaus erhebliche Unterschiede zwischen den später getrennten Territorien. Was die Eigen- und Besonderheiten Ost- und Westdeutschlands sind, wo die jeweiligen Stärken und Schwächen liegen, tritt besonders deutlich durch einen vergleichenden Blick hervor. Dieser komparative Blick macht für bleibende Unterschiede ebenso sensibel, wie für er Reserven im Vereinigungsprozess kritisch beleuchtet.