Willkommen an BordKünstliche Intelligenz ganzheitlich denkenProf. Dr. Ralf Möller verstärkt die Geisteswissenschaften
4. März 2024, von Möller/Red.
Foto: DFKI/Jürgen Mai
Jedes Jahr kommen zahlreiche neue Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität Hamburg. In dieser Reihe stellen wir sie und ihre Forschungsgebiete vor. Dieses Mal: Informatiker Prof. Dr. Ralf Möller.
Prof. Dr. Ralf Möller ist zum Wintersemester von der Universität zu Lübeck an die Universität Hamburg gekommen und hat an der Fakultät für Geisteswissenschaften eine Professur für „Artificial Intelligence in Humanities“ angetreten. Er leitet das neue Institut für Humanities-Centered Artificial Intelligence (CHAI). Bereits seit 2019 forscht Prof. Möller im Exzellenzcluster „Understanding Written Artefacts“ an der Universität Hamburg. Dort ist er Sprecher des Forschungsfelds F (Data Linking) sowie Mitglied des Vorstands, der Ethikarbeitsgruppe und des Ethikrats.
Mein Forschungsgebiet in drei Sätzen:
Das langfristige Ziel der Forschung zu künstlicher Intelligenz, also KI, ist die Entwicklung interaktiver handelnder Systeme, die wir Akteure oder auch Agenten nennen. Sie sollen in der Lage sein, auf der Grundlage explizit oder implizit gegebener Aufgabenbeschreibungen und interner Modelle über ihre Umwelt zum einen sogenannte (dynamisch) aufgenommene Wahrnehmungen angemessen zu interpretieren. Das können zum Beispiel Aufgabenbeschreibungen sein. Zum anderen sollen sie aber auch auf diese Wahrnehmungen reagieren und Aktionen in der Welt bestimmen und ausführen, um gestellte Aufgaben bestmöglich zu lösen.
Da die Handlungen aber immer in einem sozialen Kontext stattfinden, müssen die Interpretationen von Aufgabenbeschreibungen immer weiterentwickelt werden, sinnvollerweise von den Agenten selbst, etwa indem die Menschen Rückmeldungen zu Präferenzen geben.
Die Forschung in der KI als Wissenschaft umfasst daher die Analyse sozialer Kontexte – auch soziale Mechanismen genannt – mit möglicherweise sehr vielen Agenten und deren Interaktionen untereinander. Auch die Ziele, Einschränkungen und von der Gesellschaft auferlegten Regeln müssen dabei berücksichtigt werden.
Und so erkläre ich meiner Familie, worum es da geht:
Bei der Wissenschaft der künstlichen Intelligenz geht es darum, mit Fragestellungen der Informatik interaktive technische Systemen zu entwickeln, um menschliche Fähigkeiten wie Wahrnehmung der Umgebung, Lernen, Planen und Kreativität sowie zielgerichtetes Handeln in einer gewissen Weise zu imitieren. Diese Fähigkeiten sollen so genutzt werden, dass Menschen in ihrem Handeln durch die intelligenten technischen Systeme wirkungsvoll unterstützt werden können.
Dabei geht es vor allem darum, ein sogenanntes wohlgeformtes Zusammenspiel von Menschen und den Systemen zu ermöglichen. Wohlgeformt bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Präferenzen der Menschen im sozialen Mechanismus angemessen berücksichtig werden. Erkenntnisse der KI werden in verschiedenen Bereichen genutzt, um dort die Effizienz zu steigern und neue Möglichkeiten zu schaffen, zum Beispiel in der Medizin, im Verkehrswesen und in der Industrie.
Darum freue ich mich auf Hamburg – auf die Stadt und die Universität:
Hamburg ist eine wunderbare Stadt, mit einer exzellenten Forschungsuniversität und ungeahnten Transfermöglichkeiten, die wir zusammen mit den anderen KI-Forschenden in Hamburg gerade erst entdecken.
Das sind meine Pläne an der Uni Hamburg:
Systeme künstlicher Intelligenz haben das Potenzial, auch die Geisteswissenschaften nachhaltig zu verändern, indem sie etwa ermöglichen, neue Erkenntnisse aus sehr großen Textkorpora gewinnen und den Forschenden mitzuteilen. Die Systeme, also die Agenten, werden dabei von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern genauso beeinflusst wie von vorherigen Erkenntnissen aus den Geisteswissenschaften. Nur so können sie die gewünschten Leistungen erbringen.
Im Fokus meiner Forschung steht daher das interaktive Training von intelligenten Agenten mithilfe der Fähigkeiten von Geisteswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, etwa bei der Text- und Bildverarbeiten. Gleichzeitig müssen wir die Forschenden in den Geisteswissenschaften darin schulen, mit Techniken der Sprachverarbeitung sowie der automatischen Übersetzung, Zusammenfassung oder Vernetzung von Texten auszustatten, sodass Grenzen und Möglichkeiten aktueller und zukünftiger Technologien eingeschätzt, genutzt und durch Auswahl von Trainingsmaterial für spezielle Aufgaben weiterentwickelt werden können.
Dazu haben wir ein neues Institut für Humanities-Centered Artificial Intelligence an der Uni Hamburg aufgebaut, das CHAI. Ziel ist es, grundlegende Fragestellungen aus der künstlichen Intelligenz zu bearbeiten, wobei wir davon ausgehen, dass nur unter Einbeziehung geisteswissenschaftlicher Erkenntnisse ein Quantensprung in der KI-Forschung erzielt werden kann.
Einerseits wollen wir uns auf die Möglichkeiten der KI-Technologien fokussieren, etwa bei der Erforschung der menschlichen Kultur auf der Grundlage historischer und aktueller Quellen, die sehr komplex und umfangreich sind. Andererseits wollen wir uns mit den Implikationen der KI für unseren Erkenntnisgewinn beschäftigen, etwa im Rahmen von Strategien zur Bewertung von Verzerrungen und Empfehlungen für bewährte Verfahren.
Darum sollten Studierende unbedingt meine Veranstaltungen besuchen:
Unsere Welt ist stark geprägt durch das Zusammenspiel von Menschen und technischen Systemen – und befindet sich in einer Phase des Wandels, der gerade jetzt das Studium extrem spannend macht. Die Auswirkungen dieser Entwicklungen für Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zu studieren, bedeutet auch, die neuen Herausforderungen zu meistern.
Die Studierenden werden lernen, Erkenntnisse aus der Philosophie und auch der Psychologie bei der Entwicklung von und im Umgang mit KI sinnbringend einzusetzen. Denn die aktuellen Erfolge der KI beruhen nicht mehr darauf, den Menschen zu kopieren, sondern neue, sehr leistungsfähige multimodale Techniken zu entwickeln. Es geht also darum, existierende technische Systeme so zu verbessern, dass sie vertrauenswürdig sind und so mit dem Menschen interagieren, dass die Eigenheit der menschlichen Informationsaufnahme, der menschlichen Entscheidungsfindung und allgemein der variierenden menschlichen Weltsicht berücksichtigt werden.
Darum ist meine Forschung für die Gesellschaft wichtig:
Die Geisteswissenschaften spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung intelligenter Systeme. Durch die Erforschung von Themen wie Sprache, Kultur, Ethik und Geschichte liefern die Geisteswissenschaften wichtige Erkenntnisse und Perspektiven, die für die Gestaltung und den Einsatz von intelligenten Systemen unerlässlich sind.
Die Linguistik, ein Teilgebiet der Geisteswissenschaften, ist zum Beispiel entscheidend für die Entwicklung von Spracherkennungssystemen und maschineller Übersetzung. Die Ethikforschung wiederum trägt dazu bei, ethische Richtlinien für den Einsatz von KI-Technologien zu entwickeln. Dies ist wichtig, um sicherzustellen, dass intelligente Systeme, die in einem sozialen Mechanismus eingesetzt werden, im Einklang mit moralischen Prinzipien agieren.
Durch unseren besonderen Fokus bei CHAI und der Einbeziehung all dieser geisteswissenschaftlichen Expertisen bei der Gestaltung intelligenter Systeme werden wir zu einer ganzheitlichen Entwicklung von KI-Technologien beitragen.