Studentin bietet interdisziplinäres Lehrprojekt an„Wie siehst du denn aus?“ – Warum Scham uns alle betrifft
26. Februar 2024, von Anna Priebe
Foto: pixabay/rollstein
Wie wir über Scham sprechen, beeinflusst, wie wir über unseren Körper und unsere soziale Rolle denken. Was dabei genau passiert, will Miriam Hinterholzer im Sommersemester in ihrem Seminar untersuchen. Das Besondere: Hinterholzer ist selbst Masterstudentin und gestaltet das Lehrangebot für ihre Mitstudierenden. Im Interview erklärt sie das besondere Format.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Seminar anzubieten?
Eine Kommilitonin von mir hat vor einiger Zeit ein solches Seminar gestaltet. Dadurch bin ich auf die Möglichkeit aufmerksam geworden und habe dann erstmal recherchiert, wie das ablaufen würde.
Haben Sie denn Erfahrungen im Bereich Lehre?
Ich habe mich schon vorher in Tutorien engagiert. Zudem arbeite ich als wissenschaftliche Hilfskraft bei Prof. Lars Vorberger. Der Austausch mit ihm hat mich nochmal bekräftigt, das Lehrprojekt zu entwickeln, denn ich möchte nach dem Master meine wissenschaftliche Karriere fortsetzen. Das Projekt ist eine super Chance, um Erfahrungen zu sammeln.
Wie haben Sie das richtige Thema für Ihr studentisches Lehrprojekt gefunden?
Das Thema trage ich schon länger mit mir rum. Ich studiere Germanistische Linguistik und einer meiner Interessensschwerpunkte ist die Genderlinguistik, also die Frage, wie wir in der Sprache mit Körper und Geschlecht umgehen. Zudem hat mir mein Kind von Situationen in der Schule berichtet, bei denen andere Kinder für ihr Verhalten oder ihre Leistung so getadelt wurden, dass sie sich vor der ganzen Klasse schämten.
Diese sogenannte Beschämung als Disziplinierungsmaßnahme hat mich dazu gebracht, mir darüber Gedanken zu machen, was da eigentlich aus sprachwissenschaftlicher Perspektive passiert. Wo haben wir auch heute noch solche Praktiken? Welche Arten der Beschämung, die oft relativ unauffällig ablaufen, gibt es in der Gesellschaft?
Ich finde, das ist ein sehr gutes Thema für das Projekt – auch weil es sich gut für kooperatives und interdisziplinäres Lernen eignet.
Was können Studierende in Ihrem Seminar erwarten?
Weil mir die Interdisziplinarität so wichtig ist, biete ich das Seminar über den freien Wahlbereich Studierenden aller Fachrichtungen an. Die Teilnehmenden brauchen keine sprachwissenschaftlichen oder sonstigen Vorkenntnisse, sondern wir werden uns gemeinsam einen theoretischen Grundstock erarbeiten.
Das Ziel des Lehrprojektes ist aber eigentlich, die Studierenden dazu zu ermutigen, selber Forschungsideen und -projekte zu entwickeln und umzusetzen. Denkbar wäre zum Beispiel, bestimmte Bücher oder Filme auf die Darstellung von Scham hin zu untersuchen. Am Ende soll eine Ausstellung entstehen, um die Forschungsergebnisse der Universitätsöffentlichkeit zu präsentieren.
Wie bereiten Sie sich auf die Rolle als Lehrende vor?
So ein Seminar zu gestalten und zu geben, ist noch mal etwas ganz anderes als ein Referat zu halten oder eine Sitzungsmoderation zu machen. Grundsätzlich wird jedes studentische Lehrprojekt daher von einer Lehrperson betreut. Bei mir ist das Prof. Vorberger, mit dem ich mich eng abstimme. Er wird auch in den Seminaren als Backup dabei sein.
Ich möchte umsetzen, was für mich gute Lehre ausmacht
Mein Ziel ist es aber, das Ganze so selbstständig wie möglich zu machen – auch die Betreuung der Forschungsprojekte. Dabei kann ich auf die Erfahrungen als Tutorin zurückgreifen, aber auch auf meine eigenen Erlebnisse als Studentin. Ich habe viele Seminare besucht und eine Einschätzung davon entwickelt, was für mich gute Lehre ausmacht. Das möchte ich jetzt umzusetzen.
Was sollen die Studierenden mitnehmen?
Der freie Wahlbereich ist dafür da, über das eigene Lehrtableau hinauszudenken. Und Scham betrifft uns alle – im Privatleben genauso wie im beruflichen Kontext. Da ist es egal, ob man ein naturwissenschaftliches oder pädagogisches Fach studiert. Jedem und jeder kann überall Scham begegnen und daher denke ich, dass die Studierenden davon profitieren, sich damit auseinanderzusetzen und zu schauen: Was passiert da? Gerade schamhafte Erfahrungen sind durch Ohnmacht und Sprachlosigkeit gekennzeichnet. Die Reflexion hilft, solche Situationen anders anzugehen.
Studentische Lehrprojekte
Das Lehrprojekt „Am Pranger – Sprachmuster der Scham im Kontext sozialer Normierung“ von Miriam Hinterholzer wird von Prof. Dr. Lars Vorberger betreut. Studierende der Geisteswissenschaften können ihre Projekte im freien Wahlbereich anbieten und haben zudem die Möglichkeit, das „Zertifikat Lehrpraxis“ zu erwerben. Ziel dieses Programms ist es, durch Tutorien oder eigene Lehrprojekte eine Grundqualifizierung für die Lehrtätigkeit in der Allgemeinen Erwachsenenbildung zu erlangen. Die angebotenen Lehrprojekte stehen Studierenden aller Fachrichtungen offen. Das studentische Lehrprojekt von Miriam Hinterholzer, die ab Sommer im 4. Mastersemester Germanistische Linguistik studiert, kann – wie alle anderen Angebote im freien Wahlbereich – in den Anmeldephasen über STiNE gebucht werden.